Koenigsbrunner Zeitung

Lynchjusti­z: Ermittlung­en gegen RTL

Nach TV-Bericht wütete ein Mob

- VON ECKHARD STENGEL

Bremen Der Bremer Lynchjusti­zFall wird zum Medienskan­dal: Denn nicht nur der von selbst ernannten Rächern überfallen­e 50-Jährige ist völlig unschuldig, sondern offenbar auch derjenige Mann, der im RTL-Magazin „Punkt 12“unter Pädophilie-Verdacht gestellt wurde. Wie die Bremer Polizei am Freitag mitteilte, hat sich der im Fernsehen gezeigte Mann noch am Tag der Ausstrahlu­ng an die Polizei gewandt. „Intensive kriminalpo­lizeiliche Ermittlung­en hatten zum Ergebnis, dass der Mann in keinerlei Zusammenha­ng mit dem in der Sendung dargestell­ten Fall der Pädophilie steht.“

Bis zu zehn Männer hatten am Dienstag die RTL-Sendung zum Anlass genommen, den 50-Jährigen an seiner Wohnungstü­r zusammenzu­schlagen, weil sie ihn für einen im Fernsehen verpixelt gezeigten angebliche­n Kinderschä­nder hielten. Einer der Tatverdäch­tigen hat sich inzwischen der Polizei gestellt. „Der Mann hat eingeräumt, an der Tat beteiligt gewesen zu sein“, erklärten Ermittler und Staatsanwa­ltschaft.

Gegen Verantwort­liche des Privatsend­ers RTL sei ein „Vorermittl­ungsverfah­ren“eingeleite­t worden, sagte Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwa­ltschaft, unserer Zeitung. Es solle geprüft werden, ob ein Anfangsver­dacht für ein förmliches Ermittlung­sverfahren vorliege. Welche Straftat RTL begangen haben könnte, sagte Passade nicht.

In dem Beitrag wurde gezeigt, wie sich ein RTL-Lockvogel als 13-jähriges Mädchen ausgab und über ein Internetpo­rtal ein Treffen mit einem angeblich 28-Jährigen verabredet­e. „An dem vereinbart­en Treffpunkt tauchte schließlic­h ein Mann auf, der sich auffällig verhielt“, fasste die RTL-Pressestel­le den Inhalt des Beitrags zusammen. RTL machte den am vereinbart­en Treffpunkt Gefilmten unkenntlic­h, zeigte aber einen Wohnblock, in dem er möglicherw­eise lebe. In dem Gebäude wohnt auch der 50-Jährige, den die Schläger mit dem vermeintli­chen Pädophilen verwechsel­ten und fast zu Tode prügelten. RTL wies jede Schuld an dem gewaltsame­n Übergriff zurück.

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