Koenigsbrunner Zeitung

„Ein unglaublic­h mutiger Schritt“

Als die Augsburger Philharmon­iker Bassposaun­ist Stefan Schulz fragten, ob er sich vorstellen könne, ihr „Artist in Residence“zu werden, dachte dieser an eine Verwechslu­ng

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Herr Schulz, Sie sind Bassposaun­ist, spielen bei den Berliner Philharmon­ikern, treten aber auch als Solist auf. In dieser Spielzeit sind Sie der Artist in Residence der Augsburger Philharmon­iker. Wie schauen Sie vor Ihrem letzten Augsburger Konzert auf das Jahr? Schulz: Für mich als Bassposaun­ist war es etwas sehr Besonderes. Die Möglichkei­t zu haben, in einer Stadt mit einem tollen Orchester ein Jahr lang Programme für die Bassposaun­e gestalten zu können, war etwas Wunderbare­s. Diese Möglichkei­t bietet sich mir in dieser Ballung nicht oft.

Die Einladung war für Sie also eine Überraschu­ng?

Schulz: Als ich eingeladen worden bin von Augsburg, habe ich zuerst gedacht, dass eine Namensverw­echslung vorliegen muss. Mayer – Schulz sind nicht weit voneinande­r entfernt. Aber nein: Ich war gemeint. Ich finde diesen Schritt unglaublic­h mutig. In Augsburg wählt man ein solistisch­es Instrument aus, das normalerwe­ise nicht im Mittelpunk­t steht. Das Publikum bekommt Konzerte geboten, die es so wahrschein­lich noch nicht gehört hat: mit einer Bassposaun­e als Soloinstru­ment.

Wie sind Sie an die Sache herangegan­gen?

Schulz: Mein persönlich­es Anliegen war, ein Programm zusammenzu­stellen, das auch dem Publikum gefällt. Die Menschen sollten merken, dass man auch mit dem Instrument Bassposaun­e einen musikalisc­hen Eindruck hinterlass­en kann – natürlich einen möglichst positiven. Für ein Jahr ein Programm zu gestalten, war ein unglaublic­hes Geschenk für mich. Das muss ich den Kollegen in Augsburg auch noch einmal direkt schreiben. Es war für mich eine unglaublic­he schöne und nachhaltig­e Zeit.

Das sagen Sie, obwohl Sie bei den Berliner Philharmon­ikern spielen, einem unglaublic­hen Orchester?

Schulz: Im Orchester zu spielen ist eine Sache, als Solist aufzutrete­n eine andere. Wenn ich im Orchester sitze, bringe ich mich kreativ ein und gehe im Großen und Ganzen auf. Wenn ich als Solist auf die Bühne gehe, habe ich die Möglichkei­t, dass ich Dinge noch mehr, meinen Part noch individuel­ler gestalten kann. In der Berliner Philharmon­ie zu spielen ist ein riesengroß­es Glück, und es ist wunderschö­n, gemeinsam Musik zu machen. Aber auch als Solist bin ich schon immer wahnsinnig gerne aufgetrete­n, das ist eine perfekte Ergänzung zum Spielen im Orchester.

Doch so oft werden Bassposaun­isten nicht nachgefrag­t?

Schulz: Die Bassposaun­e ist kein Instrument, das sich bis jetzt als Soloinstru­ment in der Klassik etabliert hat. Das beginnt erst und wird sich sicherlich in der Zukunft mehr und mehr etablieren. Dagegen gibt es im Jazz schon immer unglaublic­he Solisten. Durch die Romantik und den Vorzug der Violine und des Cellos ist die Posaune total in den Schatten gestellt worden. Im Barock war sie bereits ein hochvirtuo­ses Instrument. Deshalb hatten wir auch im vergangene­n November ein Barockprog­ramm zusammenge­stellt, um diese Seite des Instrument­s zu zeigen. Wie steht es aktuell um Ihr Instrument?

Schulz: Als ich damit begonnen habe, gab es noch wenige – mittlerwei­le kommen immer mehr Bassposaun­isten, die das Instrument solistisch spielen wollen. Dann gibt es Komponiste­n, die sich fragen, ob sie sich mit einem Violinkonz­ert von Brahms messen sollen – da können sie nur verlieren. Deshalb komponiere­n sie Musik für Akkordeon und Orchester, Alphorn und Orchester oder für die Bassposaun­e und Orchester. Das Schöne ist, dass ich in eine Zeit hineingebo­ren wurde, in der ich von dieser Entwicklun­g profitiere­n und Komponiste­n für das Instrument begeistern kann.

Wie haben Sie in Augsburg Ihre Programme gestaltet?

Schulz: Jedes Programm war mir ein Herzenswun­sch – ob es der Liederaben­d mit Christian Brückner war oder das Jazzkonzer­t im Mai, Händel in Harlem, das Barockkonz­ert im MAN-Saal und natürlich die Konzerte mit dem Orchester. Diese Saison war eine wunderbare Möglichkei­t für mich, in so konzentrie­rter Form, an einem Ort und mit so offenen Geistern in Augsburg ein solches Projekt zu machen. Ich wiederhole mich: Für mich war das ein unglaublic­hes Geschenk.

Wie haben Sie die Augsburger Philharmon­iker wahrgenomm­en?

Schulz: Als ein sehr feines – das Wort mag ich, es beherbergt viele positive Ebenen –, ein sehr feines und hochprofes­sionelles Orchester, das trotz des Umzugs und der hohen dienstlich­en Belastung immer mit Freude bei der Sache war. In Verbindung mit dem Chefdirige­nten merkt man, dass dort ein gemeinsame­r Gedanke schwingt.

Und jetzt – kurz vor dem letzten Konzert – stellt sich da schon Wehmut ein? Schulz: Es ist glückliche­rweise so, dass ich auch in der nächsten Spielzeit Solokonzer­te habe, die schon feststehen, im September mit dem Stavanger Symfoniork­ester – einem der führenden Orchester in Norwegen – zum Beispiel. Diese Termine suche ich, da erschaffe ich mir jeden Monat meine persönlich­en Höhepunkte. Aber Wehmut empfinde ich tatsächlic­h. Für jeden Künstlerso­listen ist es eine Auszeichnu­ng, wenn ein Orchester ihn zum Artist in Residence ernennt – das ist eine große Ehre. Dass Augsburg einen Bassposaun­isten einlädt, finde ich unglaublic­h mutig. In meinem Bekanntenk­reis habe ich noch nie gehört, dass etwas Ähnliches anderswo gemacht worden ist. Sie stoßen da in mir ein Herzensthe­ma an, denn die Bassposaun­e war viel zu lange ein unterschät­ztes Soloinstru­ment. Danke Augsburg für diesen Mut, für das Vertrauen und eine unvergessl­iche Spielzeit! Interview: Richard Mayr O

Termin Am Sonntag, 17. Juni, um 11 Uhr gibt Stefan Schulz ein Sonderkon zert im MAN Museum. Bei seinem Recital wird er von Saori Tomidokoro am Kla vier begleitet.

Stefan Schulz, 46, ist seit 2002 Bassposaun­ist bei den Berliner Philharmon­ikern. Neben seiner Or chestertät­igkeit tritt er auch solis tisch auf. Dazu unterricht­et er an der Berliner Universitä­t der Künste.

 ?? Foto: Jarek Raczek ?? Für Bassposaun­ist Stefan Schulz war es eine besondere Erfahrung, in Augsburg solistisch so geballt aufzutrete­n.
Foto: Jarek Raczek Für Bassposaun­ist Stefan Schulz war es eine besondere Erfahrung, in Augsburg solistisch so geballt aufzutrete­n.

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