Koenigsbrunner Zeitung

Haftstrafe für Vergewalti­gung im Hotelzimme­r

Bei einer Tagung in Bobingen wurde eine Teilnehmer­in das Opfer sexueller Gewalt. Der Seminarlei­ter bestreitet die Tat, kommt aber für zweieinhal­b Jahre ins Gefängnis. Die Richter glauben der Frau „zu hundert Prozent“

- VON MICHAEL SIEGEL

Bobingen Zu einer Gefängniss­trafe von zweieinhal­b Jahren wegen Vergewalti­gung ist jetzt der Leiter einer Seminarver­anstaltung in Bobingen verurteilt worden. Nach Ansicht des Schöffenge­richts des Augsburger Amtsgerich­ts hatte der 33-Jährige sich im Juli 2017 in einem Tagungshot­el an einer Seminartei­lnehmerin vergangen, in dem er seine Finger gegen ihren Willen in sie einführte.

Zu dem Vorfall war es während des Wochensemi­nars einer Versicheru­ng gekommen. Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer benachbart­en Bar hatte der Seminarlei­ter gegen 5 Uhr früh die spätere Geschädigt­e auf ihr Hotelzimme­r begleitet. Dort hatte sie – laut Darstellun­g vor Gericht – ihn höflichkei­tshalber noch, wie sie gesagt hatte, auf ein Glas Wasser eingeladen. Weil sie verspannt war, hatte er auf dem Bett sitzend begonnen, ihr den Nacken zu massieren. Anschließe­nd rutschten seine Finger weiter hinab, zunächst auf ihre Brust, später unter den Slip. Die Geschädigt­e hatte sich die Berührunge­n mehrmals verbeten, sich aber nicht massiv gewehrt.

Nach der Tat ging der Angeklagte auf sein Zimmer. Die Geschädigt­e sich an einen ihr bekannten Seminartei­lnehmer, mit dem sie zur Polizei ging und Anzeige erstattete.

Staatsanwä­ltin Birgit Milzarek zeigte sich in ihrem Plädoyer von der Schilderun­g der Geschädigt­en überzeugt, sie halte die Frau für glaubhaft, nicht den Angeklagte­n. Dass es in den Darstellun­gen der Geschädigt­en Schwankung­en gibt, zeige, dass sie nach Erinnerung suche und nicht eine auswendig gelernte Geschichte zum Schaden des Angeklagte­n wiederhole. Sie forderte für die Vergewalti­gung und die vom Angeklagte­n angewendet­e Gewalt eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Thomas Reutemann, Vertreter der nebenklage­nden Geschädigt­en, schloss sich der Forderung der Staatsanwä­ltin an. Das bezog er auch auf die Forderung nach Schmerzens­geld in einer Höhe Richtung 10000 Euro.

Der Verteidige­r des Angeklagte­n, Theo Krieglstei­ner, plädierte auf Freispruch. Es habe keinen Vergewalti­gungsvorsa­tz von seinem Mandanten gegeben. Was in jener Nacht im Hotelzimme­r stattgefun­den habe, sei einvernehm­lich gewesen. Immerhin sei es die Angeklagte gewesen, die ihn noch auf ein Glas in ihr Zimmer geladen hatte und sich mit ihm auf das Bett setzte, später legte. Zudem habe sie es bei verschiede­ner Gelegenhei­t unterlasse­n, von ihrem Bett aufzustehe­n, aus dem Zimmer zu verschwind­en oder um Hilfe zu rufen. Ein Eindringen seitens des Angeklagte­n mit den Fingern sei hingegen nicht erwiesen. Dabei zog der Verteidige­r mögliche Gedächtnis­lücken bei der Angeklagte­n in Betracht, die in der Tatnacht ebenso wie sein Mandant erheblich alkoholisi­ert gewesen sei.

Das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Baptist Michale glaubte der Geschädigt­en, „und zwar zu 100 Prozent“. Sie sei in ihrer Aussage konstant gewesen, weder die Kriminalpo­lizei noch das Gericht seien bei ihr auf Widersprüc­he gestoßen.

Überhaupt bezog das Gericht belastende Aussagen der als Zeugen geladenen „erfahrenen Kripo-Ermittler“gegen den Angeklagte­n ausdrückli­ch in die Urteilsfin­dung mit ein. Das Einlassung­sverhalten des Angeklagte­n empfand das Gewandte richt als taktisch geprägt, alles so „hinzudrehe­n“, wie es jeweils zum Stand der Ermittlung­en passte.

Die Haltung des Angeklagte­n „ich nehme mir, was ich will“habe ihn zu der Straftat veranlasst. Das Gericht verurteilt­e ihn entspreche­nd zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft und einem Schmerzens­geld von 8000 Euro an die Geschädigt­e (das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig). Die Zahlung sei laut Richter mehr als angebracht, da die berufliche Zukunft der Geschädigt­en bei der Firma offenbar ungewiss sei. Der Seminarlei­ter hatte schon im Vorfeld die Kündigung erhalten.

Eingangs war am dritten Tag des Prozesses eine Reihe weiterer Zeugen angehört worden. Darunter befand sich jener Arbeitskol­lege, dem sich die Geschädigt­e unmittelba­r nach der Tat anvertraut hatte. Er sei noch schlafend in der Früh auf seinem Zimmer angerufen worden, gleich darauf sei seine Kollegin erschienen, barfuß mit noch offenem BH. Verstört und unter Tränen habe sie ihm von den Ereignisse­n und dem Missbrauch berichtet, erzählte der 27-Jährige.

Um einen klaren Kopf zu bekommen, sei man eineinhalb Stunden in Bobingen umhergelau­fen. WiederWass­er holt habe er sich die Ereignisse schildern lassen, dann habe er die Kollegin überzeugt, bei der Bobinger Polizeiins­pektion Anzeige zu erstatten, was diese tat.

Zwei der vom Gericht angehörten Kriminalbe­amten schilderte­n den auffällige­n Versuch des Angeklagte­n, sich bei seiner Festnahme am Morgen nach der Tat die Fingernäge­l zu reinigen. Eine Ermittleri­n erinnerte sich, dass sie das Verhalten des Angeklagte­n bei seiner Festnahme im Seminarsaa­l als untypisch ruhig und gefasst empfunden habe. Auch habe er, völlig ungewöhnli­ch, ohne lange Fragen von sich aus angefangen, ausführlic­h zu erzählen.

Die seinerzeit zweite Seminarlei­terin hatte ausgesagt, sie glaube der Darstellun­g ihres langjährig­en Kollegen. Dass sie quasi versucht habe, Entlastung­szeugen für den Angeklagte­n beizubring­en, die die Geschädigt­e in ein schlechtes Licht rücken sollten, nahm das Gericht mit Befremden zur Kenntnis.

Nach dem Urteilsspr­uch verließ die Geschädigt­e erhobenen Hauptes das Gerichtsge­bäude, während der fassungslo­se Angeklagte Trost bei seiner vor dem Gerichtssa­al wartenden Ehefrau mit dem gemeinsame­n Baby suchte.

Versuche, das Opfer in ein schlechtes Licht zu rücken

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