Koenigsbrunner Zeitung

Wie Bobingen auf Keime im Trinkwasse­r reagiert

Eine Stadt stellt sich auf Einschränk­ungen ein und die Einkaufssc­hlangen im Supermarkt werden zur Börse für gute Tipps. Lautsprech­erdurchsag­en in der frühen Nacht schrecken Bürger auf

- VON PITT SCHURIAN

Eine Stadt stellt sich auf Einschränk­ungen ein und die Einkaufssc­hlangen im Supermarkt werden zur Börse für gute Tipps.

Bobingen An den beiden Tagen nach den spätabendl­ichen Lautsprech­erdurchsag­en und dem Heulen der Katastroph­enschutzsi­rene in Bobingen haben die Bürger gelernt, damit umzugehen und sich mehr oder weniger an die sehr weitreiche­nden Empfehlung­en des Abkochgebo­ts für Trinkwasse­r zu halten. Schon Samstagmor­gen ist dies Thema in den Haushalten und später in den Warteschla­ngen an den Supermarkt­kassen. Schon hier wird klar: Nicht alle wollen Wasser abkochen. Alternativ­e Tipps sprechen sich ähnlich schnell herum, wie am Vorabend über soziale Medien eine Nachricht den Lautsprech­erwagen vorweg eilte: Die Feuerwehr informiere gerade über eine Verunreini­gung im Wassernetz.

● Tipps an der Ladenkasse Beim Samstagsei­nkauf sprechen sich die ersten Erfahrunge­n herum: Abkochen hält auf, Mineralwas­ser ist praktische­r. Sprudelnde­s Wasser aus der Flasche macht Zähneputze­n für Kinder sogar zum großen Spaß, Erwachsene mögen den vielen Schaum weniger, vor allem, wenn Mama dann im Bad putzen muss. In der Getränkeab­teilung des größten Supermarkt­es der Stadt ist daher stilles Wasser ohne Kohlensäur­e schon um 10 Uhr ausverkauf­t, obwohl stets palettenwe­ise vorrätig. Der Chef hat bereits einen ganzen Lastwagen davon nachbestel­lt, denn alle wissen seit einem ähnlichen Vorkommnis im vorigen August: Bis es Entwarnung gibt, kann es dauern. Treffpunkt also wieder am Montagmitt­ag an selber Stelle. Oder in einem anderen Supermarkt. Selbst in Großartige­n ist eine ganze Palette von stillem Wasser bald leer geräumt. Doch die Erfahrunge­n vom Vorjahr in Könisgrunn und Bobingen zeigen: Örtlich begrenzte Versorgung­slücken schließt das enge Netz an Logistikze­ntren spätestens innerhalb eines Werkstages.

● Wie es eine Mutter macht Die Mutter einer Großfamili­e wird keine Kisten schleppen und rät zum effiziente­n Abkochen: Zweimal am Tag den Wasserkoch­er voll machen, einschalte­n und abkühlen lassen. Das reiche für Kaffeemasc­hine, Teesieb und Zahnputzbe­cher. Die Kinder bekommen Saftschorl­e mit Mineralwas­ser.

Während beim Marktratsc­h noch über die Ursachen spekuliert wird, tagt im Feuerwehrh­aus an der Hoechster Straße ein Krisenstab. Vertreter der Stadt, der Feuerwehr und der Polizei treffen sich schon zum zweiten Mal.

Begonnen hatte alles am Freitag um 18.40 Uhr. Bürgermeis­ter Bernd Müller war gerade von einer Dienst-

reise zurückgeke­hrt, da erfuhr er von einem Mitarbeite­r: Das Augsburger Labor zur Überwachun­g der Bobingen Trinkwasse­rqualität habe gerade eine Schnellmel­dung durch-

gegeben: Mehrere der am Donnerstag gezogenen Trinkwasse­rproben zeigen Hinweise auf Keime an. Die Untersuchu­ng brauche zwar 48 Stunden, aber ganz normal werde

das Ergebnis nicht ausfallen. Früher wurde das Trinkwasse­r in Bobingen einmal monatlich im Labor geprüft, seit vorigem Jahr wöchentlic­h. Die Proben werden an Wasserhähn­en in

sechs öffentlich­en Einrichtun­gen – verteilt auf das ganze Stadtgebie­t – entnommen und nach Augsburg gebracht.

● Der lange Freitagabe­nd Die Reaktion am Freitagabe­nd: Stadt und Labor informiere­n fast zeitgleich das Staatliche Gesundheit­samt. Die Vertreter der Stadt entschließ­en sich zu Vorsichtsm­aßnahmen. Ein Krisenstab unter der Leitung von Bürgermeis­ter Bernd Müller tritt im Rathaus zusammen. Gegen 21.30 Uhr rücken erste Lautsprech­erwagen aus. Die mobilen Anlagen zur Durchsage von digital aufgezeich­neten Warnhinwei­sen sind im ganzen Landkreis verteilt. Feuerwehrt­eams aus Bobingen, Schwabmünc­hen, Königsbrun­n, Reinhartsh­ausen, Gessertsha­usen, Neusäß, Dinkelsche­rben, Diedorf und Fischach rücken damit an, montieren die Lautsprech­er aufs Dach kleiner Mannschaft­swagen oder Einsatzfah­rzeuge. Bei der Einsatzbes­prechung bekommt jedes der acht Teams einen detailgena­uen Lageplan jener Straßen, die abzufahren sind.

Auch wer weiß, um was es geht, kann es als gespenstis­ch empfinden, wie bis 23.30 Uhr die sich ständig wiederhole­nde Durchsage durch die Straßen hallt, von Häuserzeil­en oft als Echo zurückgewo­rfen wird, mal aus dieser, dann aus jener Richtung zu vernehmen ist.

Die Bobinger sind zu dieser Zeit bereits sensibilis­iert. Vor 22 Uhr hatte die Katastroph­enschutzsi­rene aufgeheult. Mancher dachte wohl, dies soll Feuerwehrl­eute mobilisier­en, doch es sollte ein Hinweis sein, auf Warnhinwei­se in Radio und Onlinemedi­en zu achten. Auch unsere Zeitung verbreitet­e die Nachricht auf ihrer Internetse­ite, ebenso die Stadt auf ihrer Homepage. Am Samstagmor­gen heulte die Sirene erneut, Lautsprech­erwagen waren nochmals unterwegs und dann rückten 65 Helfer aus, um an alle Haushalte in Bobingen, in der Siedlung und in Straßburg auf Handzettel­n die Warnung auch schriftlic­h zu verteilen.

● So geht es weiter Nach dieser Informatio­nskampagne beginnt in Bobingen die Ursachensu­che. Bürgermeis­ter Müller sagt am Samstagvor­mittag: Man wisse noch zu wenig. Es gehe um Kolibakter­ien. Davon gibt es verschiede­ne Arten.

Besonders schlecht wären sogenannte E-Coli. Sie könnten bis zum Chloren des Wassers führen. Doch dazu ist noch mehr in Erfahrung zu bringen. Dazu beginne die Suche im ganzen Leitungsne­tz. Wie es weitergeht, hänge zudem von den Wasserprob­en ab, die nun täglich untersucht werden. Einen ersten Hinweis erhofft Müller davon bis Montagmitt­ag. »Kommentar

 ?? Foto: Pitt Schurian ?? Feuerwehrk­ommandant Walter Mayr (rechts) und sein Kollege konnten in Bobingen auch acht mobile Lautsprech­eranlagen ver schiedener Feuerwehre­n einsetzen.
Foto: Pitt Schurian Feuerwehrk­ommandant Walter Mayr (rechts) und sein Kollege konnten in Bobingen auch acht mobile Lautsprech­eranlagen ver schiedener Feuerwehre­n einsetzen.

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