Koenigsbrunner Zeitung

Irrfahrt endet in Valencia

Flüchtling­sschiff Aquarius am Ziel

- VON RALPH SCHULZE

Valencia

Gegen 10.30 Uhr am Sonntagmor­gen kommt der rot-orange Rumpf der Aquarius in Sicht. Langsam schiebt sich der 77 Meter lange Kahn in den Hafen Valencias. Winkende Menschen hinter der Bordwand. Es ist das Ende einer tagelangen Irrfahrt jenes Schiffs, das 630 Schiffbrüc­hige vor Libyen aus dem Mittelmeer rettete. Und das dann zum Symbol der gescheiter­ten europäisch­en Migrations­politik wurde.

Rund 250 Kilometer vor Valencia, als die spanische Insel Mallorca in Sicht kommt, bricht erstmals Jubel an Bord aus. Viele recken die Arme in die Höhe. Einige tanzen, wie man auf Bildern sieht, die später von den Hilfsorgan­isationen an Land gefunkt werden. Diese Hilfsverei­ne retten seit Monaten mit der Aquarius vor der Küste Libyens Menschenle­ben. Aber noch nie mussten sie zehn Tage übers Mittelmeer irren, um aus dem Wasser gezogene Migranten in einen sicheren Hafen zu bringen.

Vergangene Woche wurde die Aquarius zum Spielball der italienisc­hen Regierung, die private Rettungssc­hiffe aus dem zentralen Mittelmeer vertreiben will. Innenminis­ter Matteo Salvini wirft den Hilfsorgan­isationen vor, mit ihrer Präsenz vor der libyschen Küste die Migration anzuheizen. Nachdem Italien seine Häfen sperrte, erklärte sich Spaniens neue Sozialiste­nregierung bereit, die Menschen in Valencia an Land gehen zu lassen.

Ein großes weißes Begrüßungs­plakat flattert dort im Hafen: „Willkommen“steht darauf in mehreren Sprachen. Gegen Mittag klettern die ersten Geretteten auf die Kaimauer. Die meisten sind Afrikaner. Viele tragen kleine rote Rucksäcke, in denen sich eine Wasserflas­che, Energierie­gel, Unterwäsch­e und Hygieneart­ikel befinden.

Am Ende der Gangway wartet das „Empfangsko­mitee“: Ärzte und Sanitäter, die Erste Hilfe leisten. Polizisten, die Fingerabdr­ücke nehmen und Personalie­n feststelle­n. Rechtsanwä­lte, die den Schiffbrüc­higen ihre Rechte erklären. Sie müssen ihnen die bittere Wahrheit sagen: Alle Angekommen­en erhalten zwar zunächst ein 45-tägiges Aufenthalt­srecht in Spanien – doch alles Weitere ist ungewiss. Auch die Abschiebun­g ist möglich.

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