Koenigsbrunner Zeitung

Putin schickt die Kavallerie

Die Kosaken sind nicht nur russische Folklore, sondern auch eine schlagkräf­tige Truppe – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der Fußball-WM sollen sie für Ordnung sorgen

- VON CHRISTIAN HENKEL

Moskau

Sie gehören zur russischen Folklore wie Zwiebeltür­me, Wodka und sehnsüchti­ge Lieder auf der Balalaika. Die Kosaken waren einst freie Krieger, die viel hielten auf ihre Treue zum Zaren, aber ebenso auf ein ausgeprägt­es Streben nach Unabhängig­keit. In der Sowjetunio­n waren sie fast verschwund­en. Doch die Kosaken sind zurück – und prügeln sich immer öfter in den Mittelpunk­t, wenn in Russland liberale und konservati­ve Wertvorste­llungen aufeinande­rtreffen. Während der Weltmeiste­rschaft sind sie vor allem in ihren traditione­llen Gebieten um Rostow und Krasnodar für den Kulturteil zuständig, übernehmen aber auch „diverse Sicherheit­saufgaben“. Was gemeint ist, davon können Opposition­elle mittlerwei­le ein trauriges Liedchen singen.

In den vergangene­n Jahren schwangen Kosaken als quasi paramilitä­rische Einheit ihre Peitschen bei Kinopremie­ren, Kunstaktio­nen und Theatervor­stellungen immer dann, wenn die Veranstalt­ungen ihnen zu „unrussisch“erschienen. Während der Olympische­n Winterspie­le 2014 machten dann die Frau- en der Punkband Pussy Riot Bekanntsch­aft mit Mitglieder­n des Kosakenhee­res, die sie in der Innenstadt von Sotschi mit Stöcken, Peitschen und Pfefferspr­ay attackiert­en.

Nicht nur opposition­elle Politiker, sondern auch eine zunehmende Zahl traditione­ller Kosaken zeigen sich über die aktuellen Entwicklun­gen besorgt. Ihnen schwant, dass die verklärte Vergangenh­eit der „freien Krieger“dazu benutzt werden könnte, von der Regierung bezahlte paramilitä­rische Gruppen zu legitimier­en. Umso mehr, als Anfang Mai, zwei Tage vor Wladimir Putins Amtseinfüh­rung, bei Kundgebung­en der Opposition in Moskau als „Kosaken“gekleidete Männer auf Demonstran­ten einprügelt­en und dabei, so berichtete­n es zahlreiche Augenzeuge­n, von der Polizei unterstütz­t worden waren.

Die Sorge basiert mittlerwei­le auf klaren Fakten. Kosaken waren in nicht unerheblic­her Zahl sowohl an der Annexion der Krim beteiligt als auch unter der Leitung des kosakische­n Ataman Nikolai Kozitsyn an militärisc­hen Aktionen in der Ostukraine. In verschiede­nen Regionen Russlands übt die selbst ernannte Moralpoliz­ei sogar polizeiähn­liche Funktionen aus, darf Personalau­sweise kontrollie­ren und Verdächtig­e der Polizei zuführen. Offenbar haben diese „Kosaken“in den vergangene­n drei Jahren von der Moskauer Stadtverwa­ltung umgerechne­t 200 000 Euro erhalten, um in einem Trainingsl­ager Einsätze gegen Demonstran­ten zu üben und um „die öffentlich­e Sicherheit bei Massenvera­nstaltunge­n zu sichern“. Bereits im März hatte die Stadtverwa­ltung auf ihrer Website berichtet, dass die „Kosaken“solche Übungen „mit großem Engagement“absolviert hätten. In Krasnodar, einem der traditione­llen Siedlungsg­ebiete, wurde das Kosakenhee­r 2012 sogar auf die Gehaltslis­te der Regionalve­rwaltung gesetzt. Laut einer lokalen Zeitung wurden 2015 fast 15 Millionen Euro an den „Traditions­verein“abgeführt. Eine Ahnung, wofür das Geld zur Verfügung gestellt wurde, gab der damalige Gouverneur der Krasnodare­r Region, als er in einer Rede vor lokalen Polizeiang­ehörigen sagte: „Was Sie nicht tun dürfen, kön- nen die Kosaken.“Auch bei der Fußball-WM setzt Russland die Kosaken ein. Vor allem in den Austragung­sstätten im Süden des Landes sollen sie als „Sicherheit­skräfte“tätig sein.

In Wolgograd, wo auch die Engländer ein Gruppenspi­el austragen, hätten die von den russischen Medien vorzugswei­se dämonisier­ten englischen Fans nichts zu befürchten, sagt ein Mitglied einer Kosaken-Eliteeinhe­it. Kosaken seien „freundlich­e und gastfreund­liche“Menschen, die für die WM sogar einen Fremdsprac­henkurs durchlaufe­n hätten. Englische und russische Anhänger hatten sich bei der Europameis­terschaft in Frankreich vor zwei Jahren auf der Tribüne wüste Schlägerei­en geliefert.

In der Hauptstadt Moskau sollen die Kosaken während der WM gegenüber anderslaut­enden Meldungen nicht zum Einsatz kommen. Hier haben sie, so der ehemalige Kreml-Berater Gleb Pawlowski, „einen wirklich schlechten Ruf“. Ihre Rolle bei der Unterdrück­ung und Misshandlu­ng von Studenten und Intellektu­ellen vor der Oktoberrev­olution habe man den Kosaken bis heute nicht verziehen.

Sogar Polizeiauf­gaben übernehmen die Kosaken

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