Der schwäbische Netzwerker
Peter Lintner setzte sich über 30 Jahre für die ökonomische Entwicklung der Region ein. Hinter den Kulissen hat der IHK-Mann viel erreicht. Zum Abschied aus dem Amt erzählt der Wirtschaftsvertreter, dass er einst bei den Jusos war
Augsburg
Am Ende seiner beruflichen Karriere ist Peter Lintner im Nachrichtenmagazin gelandet – ausgerechnet in einem Artikel über „Flächenfraß“. Das amüsiert den langjährigen Geschäftsführer der schwäbischen Industrie- und Handelskammer, hat er doch einst über das Thema promoviert, wenn damals auch noch weniger emotional von „Flächenverbrauch“die Rede war. Im Hinblick auf die zunehmende Ausweitung von Gewerbegebieten gerade an Autobahnen ließ der 65-Jährige im Gespräch mit der Reporterin einen Satz fallen, der natürlich Eingang in den Artikel fand: „Ich glaube nicht, dass man Flächen fressen kann.“Ein typischer Lintner-Satz eben. Der Standort-Experte der IHK hat Humor und diskutiert leidenschaftlich gerne, am liebsten kontrovers, aber letztlich immer konstruktiv.
Das mag auch etwas mit der Zeit zu tun haben, in der sich der Wirtschaftsexperte politisch zu orientieren begann. Als die 68er aufbegehrten, war Lintner um die 15 Jahre alt. Die Zeit muss ihn geprägt haben. Der in Jettingen im Landkreis Günzburg geborene Mann war nach dem Abitur „einige Zeit sehr aktiv bei den Jusos“, also der Jugendorganisation der SPD. Das habe sich dann aber während seines Studiums der Wirtschaftsgeografie in München schnell gegeben, meint er mit einem Lächeln. Ein politischer Wandel, wie er sich häufiger in dieser Zeit zutrug. Auch der Ökonom Hans-Werner Sinn machte ja wie Lintner diese Häutung vom Juso zum Realisten durch. Am Ende wurden beide überzeugte und streitbare Marktwirtschaftler. So hat der IHK-Mann der SpiegelReporterin auch ganz im Sinne der Unternehmen versichert: „Zum Produzieren brauchen Sie Fläche.“
Dafür, dass Lintner sagt, er könne sich nicht lesen, hören und sehen, ja, er stehe nicht gerne in der Zeitung, ist ihm das Schicksal in den vergangenen gut 30 Jahren als IHKExperte häufig widerfahren. Gerade unserer Zeitung erläuterte er ein ums andere Mal geduldig und freundlich, wie Lintner eben ist, die Lage der heimischen Wirtschaft. Auf Basis aller von seinem Haus gemachten Umfragen wagte er Zukunftsprognosen. Der Experte weiß, was Journalisten brauchen. So wurde der Mann, der sich medial nicht aufdrängt, zu einem kommunikativen Aushängeschild der IHK. Dazu mag Lintners Lust am Netzwerken beigetragen haben. Er dürfte zu den am besten verdrahteten Wirtschaftsvertreten in der Region gehören. Lintner kennt man in der Politikerzunft – vom Ortsverein bis hin zur Staatsregierung.
Mit seinen IHK-Kollegen hat er so viel vorangebracht, gerade wenn es um den Ausbau von Verkehrswegen ging. Lintner verstand es aber auch mit Veranstaltungen wie dem Forum Zukunft Schwaben, den Anliegen der Region gegenüber der Staatsregierung Gehör zu verschaffen. Er kennt die Region bis in ihre letzten Winkel, wohl auch das Resultat seiner vielen Motorradtouren. Wenn Lintner sein geliebtes Schwaben dann verlässt, geht es oft nach Schweden. Dort hat der Bayer Verwandte. Der Stiefbruder seines Großvaters war Sozialist und musste in den 30er Jahren in das skandinavische Land emigrieren. In Schweden segelt Lintner auf einem Gewässer, das doppelt so groß wie der Chiemsee ist und über 360 Inseln verfügt. Den Kopfhörer auf, hört er dann gerne klassische Musik, etwa von Edward Elgar. Da macht es ihm nichts, wenn das Wetter mal trüb ist und es etwas regnet. Für solch entspannende Dinge hat Lintner nun mehr Zeit, wenn er demnächst, was viele Mitstreiter bedauern werden, in Rente geht. Seine Nachfolge ist geregelt. Matthias Köppel, bisher für Innovation, Umwelt und Energie bei der IHK zuständig, kümmert sich um den so prosperierenden Standort. Lintner hat den neuen Mann aufgebaut. Er denkt gerne voraus.