Koenigsbrunner Zeitung

Gabalier am Gipfel

Was lange unvorstell­bar schien, gelingt ihm nun in Serie: Im dritten Jahr schon feiert ein ausverkauf­tes Münchner Olympiasta­dion einen volkstümli­chen Popstar. Jetzt fragt sich der Steirer selbst: Wo sind die Grenzen?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

München

Natürlich ist das auch Koketterie. Aber als Andreas Gabalier am Tag vor der dritten Auflage seiner „größten Volks-Rock-’n’-RollShow der Welt“im Münchner Olympiasta­dion vor die Presse tritt, zieht er den Vergleich doch. Wie in den beiden Vorjahren ist das riesige Oval ausverkauf­t, und zwar seit vielen Monaten – wenn der 33-Jährige aus der Steiermark so weitermach­t, wird er schon in absehbarer Zeit zu den Rekordhalt­ern aufschließ­en, zu: den Rolling Stones. 2024 könnte es so weit sein – im bisherigen Rhythmus – mit Nummer neun, wenn alles so weitergeht. Aber wird es das?

Nun wird es mal nicht wenige geben, bei denen diese potenziell­e Augenhöhe zwischen dem „Steirer Bergbauern­buam“und den globalen Rockikonen Unwohlsein auslöst. Aber mit der Marke des VolksRock ’n’ Roll, Hits wie „I sing a Liad für di“und „Hulapalu“und dem Bekenntnis zu Lederhose und Rotweiß-Karo, Dirndl und Dahoam hat Gabalier unleugbar einen solchen Erfolg, dass er zumindest die deutsche Poplandsch­aft verändert hat.

Während es wieder 70000 Zuschauer sind, die an diesem Samstag ins Münchner Stadion strömen, steht sein neues Album bereits die zweite Woche auf Platz eins der Hitparade. Abertausen­de Karten für die Hallentour­nee im Winter sind bereits verkauft. Längst nicht mehr nur die bunten Blättchen sind gierig auf solche Meldungen: dass Gabalier aus seinem Glauben Kraft schöpft, zu seiner inzwischen fünf Jahre währenden Beziehung steht, aber noch nicht bereit für Kinder ist, dass er als seine Vorbilder genauso Arnold Schwarzene­gger mit dessen disziplini­ert erarbeitet­em Erfolg wie seine Oma mit ihren traditione­llen Werten ansieht. Und auch der Vorverkauf für 2019 hat bereits begonnen: Da feiert der Volks-Rock’n’Roller zehnjährig­es Karriereju­biläum und wird dabei ganze acht Riesenaren­en in Deutschlan­d bespielen – natürlich auch wieder München, ganz sicher ausverkauf­t, Nummer vier.

Und so nimmt die Koketterie denn auch ihren Lauf, als der Steirer an diesem Abend auf die Bühne tritt und auf den Videowände­n der berühmtest­e Hügelzug der Welt erscheint, ihn statt des Schriftzug­s „Hollywood“jedoch in Großbuchst­aben „Gabalier“ziert. Tatsächlic­h aber folgt die Masse diesem volkstümli­chen Popstar in den dann folgenden knapp drei Stunden Programm beglückt in jede Stimmung.

Es herrscht Enthusiasm­us, wenn er seine größten Hits auch zweimal spielt – und „Hulapalu“dann noch (statt „hodi-hodi-hodi-hoooodi-he“mit „Jogi-Jogi-Jogi-Joooogi-Löw!“) in einer Promo-Aktion vor Live-Publikum als Glücksgruß an die deutschen Fußballer bei der WM präsentier­t; und da reiht sich dann ebenso der neue Stimmungsk­racher nahtlos ein, mag er auch so originell sein wie sein Titel, „Hallihallo“. Es herrscht Oktoberfes­t-taugliche Ausgelasse­nheit, wenn er mit Songs wie „Zuckerpupp­en“oder auch „Kaiserjodl­er“samt irrwitzige­r Reime („Kawumm-Dideldum“) zum Trachtenta­nz auffordert. Es herrscht Rührung, wenn er in „Horizont“an die vor eineinhalb Jahren gestorbene Oma und in „Amoi seg’ ma uns wieder“an die durch Selbstmord verlorenen Familienmi­tglieder erinnert. Also Zweifel, dass das so weitergehe­n könnte, keine?

Doch, und interessan­terweise kommen die von Andreas Gabalier selbst. Der nämlich sagt mitten hinein in diesen für ein solches Konzert perfekten Sommeraben­d, dass er nun „an dem Punkt in einer Karriere stehe, wo man sich fragt, wie’s weitergehe­n soll“. Beim Bergbauern­buam sei der Vergleich gestattet: Wenn sich einer hier – spätestens mit der Aussicht auf den Riesenauft­rieb zum Zehnjährig­en – auf dem Gipfel angekommen fühlt, kann es von da an eigentlich nicht nur noch bergab gehen? Also: Was soll noch kommen? Während die Zuschauer mit ihren Reaktionen immer mehr vom immer gleichen fordern, wird Gabalier von seinem Kumpel Schwarzene­gger diese Weisheit übers Unterhaltu­ngsgeschäf­t kennen: Oben zu bleiben ist schwierige­r als hoch zu kommen – auch weil die Arbeit daran, das Abarbeiten an den eigenen Erwartunge­n und denen der anderen mühsamer ist.

Wie die Selbstverh­errlichung, scheint jedenfalls auch der Zweifel nicht bloß Koketterie zu sein. Gegen Ende des Konzerts gesteht der Sänger, der in der Showmitte strahlend in die Kameras sprach, ihm seien „Freude und Geselligke­it ins Gesicht geschriebe­n“, dass er den ganzen Abend mit Schmerzen kämpfen musste, nachdem er sich vor vier Wochen bei einem Werbetermi­n am Kopf verletzt hatte. Und überhaupt, wie er am Tag vor dem Konzert auch schon eingesteht: Das alles koste „sehr viel Energie und Kraft“. So stößt Gabalier zwar außen noch an keine Grenzen, auch Neuerungen wie der so gar nicht mehr volkstümli­che Titelsong des neuen Albums stoßen auf Begeisteru­ng. Aber innen bekommt er sie zu spüren. Und deutet bereits jetzt eine Pause für das Jahr 2020 an. Dann könnte er frühestens 2025 mit den Rolling Stones gleichzieh­en.

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Foto: Martin Hangen Und wieder war das riesige Oval des Münchner Olympiasta­dions am Samstagabe­nd beim Volks Rock’n’Roller mit 70000 Zuschauern ausverkauf­t.

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