Koenigsbrunner Zeitung

Einfach mal ausmisten

Christof Herrmann war unzufriede­n mit seinem Leben. Inzwischen arbeitet er als Autor und Blogger. Und gibt anderen Tipps, wie man Ballast loswerden kann

- Interview: Galina Bauer

Herr Herrmann, was bedeutet Minimalism­us? Christof Herrmann:

Für mich ist es der Versuch, ein Leben ohne Ballast zu führen. Minimalism­us ist kein Zustand, den es zu erreichen gilt, sondern ein lebenslang­er Weg. Den Ballast definiert jeder auf seine eigene Weise.

Welchen Ballast tragen wir mit uns?

Herrmann:

Für viele Leute ist ein Zuviel an Besitz belastend. Ziel könnte sein, überflüssi­ge Dinge wie Klamotten zu verkaufen oder zu verschenke­n, um sich freier zu fühlen. Besitz ist aber nur der Einstieg. Ein minimalist­isches Leben kann man auch auf Verpflicht­ungen ausweiten. Wenn man unzufriede­n mit der Arbeit ist, könnte man sich fragen, woran das liegt. Bin ich im richtigen Job oder liegt es an den Arbeitszei­ten, die ich womöglich sogar reduzieren könnte?

Haben Sie weitere Beispiele?

Herrmann:

Dasselbe gilt für lästige Kontakte. Treffe ich alte Freunde nur aus Gewohnheit regelmäßig, obwohl wir nicht mehr auf einer Wellenläng­e sind? Halte ich Kontakt mit der ungeliebte­n Tante, weil die Eltern es von mir erwarten? Man sollte sich solche Fragen stellen und daraus Schlüsse ziehen, um mehr Zeit für die wichtigen Menschen in seinem Leben und für die eigenen Leidenscha­ften zu haben.

Wie war das bei Ihnen?

Herrmann:

Auch ich habe mich im Laufe der letzten Jahre von tausenden von Sachen getrennt. Meine Hauptbaust­elle – und damit die Quelle meiner Unzufriede­nheit – war aber mein Job. Nach meinem Informatik-Studium habe ich im ITBereich gearbeitet und auch gut verdient. Doch habe ich die Arbeit schnell als Ballast angesehen. Der Beruf brachte mir keine Erfüllung. Es war ein langer Prozess, bis ich meine Berufung als Autor, Blogger und Fernwander­er gefunden habe.

Warum ist das minimalist­ische Leben derzeit ein Trend? Herrmann:

In unserer modernen Welt halsen wir uns immer mehr auf: im Beruf, in der Freizeit und im Urlaub. Wir versuchen, vieles parallel zu erledigen, erheben die Schnelligk­eit zu einer Tugend und fürchten Langsamkei­t und Stillstand. Durch das Internet, insbesonde­re durch die sozialen Medien, ist viel freie Zeit verschwund­en. Mit Menschen in Kontakt bleiben ist einerseits eine tolle Sache. Anderersei­ts verbringen viele von uns Stunden beim Chatten, Texten, Surfen oder Zocken. Wir verfolgen das Leben von Menschen, von denen wir früher ein Mal im Jahr eine Postkarte bekommen haben.

Und wie handhaben Sie das?

Herrmann:

Ich habe gemerkt, dass ich zu viel online bin. Das ständige Vernetztse­in, die vielen Gruppen – alles Ballast. Deswegen habe ich mich von WhatsApp und Facebook getrennt und versuche, öfter mal offline zu sein.

Wie lebt es sich ohne?

Herrmann:

Gut. Ich bin ja nicht ganz aus der Welt. Mit meinen wichtigste­n Kontakten bin ich zu Threema gewechselt, wo Wert auf Sicherheit und Privatsphä­re gelegt wird. Mit zwei, drei anderen habe ich verabredet, regelmäßig zu telefonier­en. Ansonsten treffe ich gerne Menschen persönlich. Wenn jemand das Gefühl hat, dass ihm alles zu viel wird – wie könnte derjenige dann starten? Herrmann:

Man muss versuchen herauszufi­nden, wo die Überforder­ung herkommt. Manchmal ist es gar nicht so einfach, den Ballast genau zu definieren. Dann empfinden viele das klassische Ausmisten, etwa des Kleidersch­ranks, als befreiend.

Haben Sie einen Tipp, wie man das angehen kann? Herrmann:

Den Schrank komplett leeren, gründlich putzen und dann jedes einzelne Teil in die Hand nehmen. Dabei stellt man sich ein paar Fragen: Habe ich das die vergangene­n zwei Jahren getragen? Bereitet es mir Freude? Ist das Kleidungss­tück noch intakt? Ziel ist es, nur noch Lieblingsk­lamotten zu haben. Überhaupt alles, was ich besitze, sollte ich gerne haben.

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