Der Weltmeister lässt Löw leiden
WM Auftakt Die deutsche Nationalelf startet mit einer schwachen Vorstellung und einer 0:1-Niederlage gegen Mexiko in das Turnier. Damit hat das zweite Gruppenspiel am Samstag gegen Schweden bereits vorentscheidenden Charakter
Moskau
Die deutsche Mannschaft hat ihr erstes Spiel der Weltmeisterschaft verloren und steht somit schon unter großem Druck. Das 0:1 gegen Mexiko war das Produkt einer schwachen ersten Hälfte und mangelhafter Chancenauswertung im zweiten Durchgang.
Das hatte sich Joachim Löw anders vorgestellt. Nicht nur, dass er im ersten deutschen Spiel der WM kurzfristig auf Jonas Hector verzichten musste, noch dazu trug er mit seiner Mannschaft ein nicht vorhergesehenes Auswärtsspiel aus. Während Hectors Ausfall wegen eines grippalen Infekts zumindest wenige Stunden vor der Partie gegen Mexiko feststand, blieb der Mannschaft weniger Zeit, sich auf die bemerkenswerte Atmosphäre im Moskauer Luschniki-Stadion vorzubereiten. Dort waren die Fans der Mexikaner zahlenmäßig klar in der Überzahl und machten das singend und schreiend auch deutlich. Und dann zeigte das deutsche Team auch noch eine Leistung, die nicht dazu angetan war, an eine Titelverteidigung zu glauben.
Bereits nach 55 Sekunden sah sich Jérôme Boateng gezwungen, den nach einem Stellungsfehler von Joshua Kimmich alleine auf das Tor zustrebenden Hirving Lozano mit einer Grätsche zu stoppen. In der Folgezeit schafften es die Deutschen während der kompletten ersten Hälfte nie, Spiel und Stadion zu beruhigen. Dabei hatte Löw mit Julian Draxler und Mesut Özil vor Toni Kroos und Sami Khedira extra zwei kombinationssichere Spieler aufgeboten und dafür den dynamischeren Marco Reus auf der Bank gelassen. Anstatt des angeschlagenen Hectors kam Marvin Plattenhardt auf der linken Seite zum Einsatz. Die Schwachstellen des deutschen Spiels lagen aber an anderer Stelle. Wie schon in den Vorbereitungspartien verloren die Deutschen zu oft den Ball in der Offensivbewegung und standen anschließend derart unko- ordiniert über die Rasenfläche verteilt, dass es den Mexikanern ein Leichtes war zu kontern. So entstand schließlich auch der Treffer zum 0:1 in der 35. Minute. Khedira konnte den Ball nicht im Mittelfeld behaupten, Hummels ging an der Mittellinie übereifrig in einen nicht zu gewinnenden Zweikampf und schließlich sah sich Lozano nur noch dem nicht als Abwehrspezialisten bekannten Özil und Manuel Neuer gegenüber. Nach einem kurzen Haken entschied der Mexikaner das Duell mit einem trockenen Schuss ins kurze Eck für sich. Im Gegenzug hätte Kroos beinahe für den Ausgleich gesorgt, doch Torwart Guillermo Ochoa lenkte den Ball an die Latte. Die letzte Chance vor der Pause gehörte allerdings wieder den Mexikanern, Carlos Velas Schuss streifte knapp am Tor vorbei. Wieder resultierend aus einem Konter. „Wir sind die vergangenen zwei Wochen nicht auf der faulen Haut gelegen, sondern haben aufgearbeitet, warum wir so offen stehen“, sagte Thomas Müller nach dem Spiel. Warum aber die Aufarbeitung offensichtlich nicht auf fruchbtaren Boden stieß, wusste der Münchner nicht. Die Mexikaner jedenfalls waren bedingungslos gewillt, die schwarze WM-Serie gegen Deutschland zu beenden. In drei Spielen setzte es bis gestern drei Niederlagen. Doch dem Team von Joachim Löw war nicht danach, erstmals seit dem 1:2 gegen Algerien 1982 mit einer Niederlage in die Weltmeisterschaft zu starten.
Es drängte seinen Gegner mehr und mehr in die eigene Hälfte, konnte vom spielerischen Übergewicht aber erst mal keinen Profit herausschlagen. Löw reagierte und brachte Reus für Khedira (60.) Wenig später leitete Kimmich mit einem sehenswerten, aber zu hoch angesetzten Fallrückzieher die beste Phase der deutschen Mannschaft ein. Draxlers Schuss kurz darauf wurde abgefälscht, Reus zielte zu hoch und wiederum Draxler rutschte knapp am einschussbereiten Ball vorbei. Der Ausgleich schien eine Frage der Zeit zu sein, doch die lief für Mexiko. Und weil weitere gute Chancen nicht genutzt wurden, griff Löw auf ein seltenes Stilmittel zurück. Er verordnete seiner Elf, ungestüm anzulaufen, wechselte Mario Gomez für Plattenhardt ein und löste faktisch eine geordnete Abwehrformation auf.
Es sollte nichts bringen. Der eingewechselte Julian Brandt schoss noch wenige Zentimeter am Tor vorbei. Kurz darauf war Schluss. Die Mexikaner lärmten und Deutschland darf sich am Samstag in Sotschi gegen Schweden keinen weiteren Ausrutscher erlauben, soll die WM für den Titelverteidiger kein allzu frühes Ende nehmen. „Das war so nicht geplant“, sagte Löw. „Aber wir haben alle Möglichkeiten, das zu korrigieren.“Fraglich ist nur, ob die zeit dafür reicht