Koenigsbrunner Zeitung

Jedem seine Uniform

Die Fifa schreibt für den Video-Schiedsric­hter und dessen drei Assistente­n jene einheitlic­he Sportkleid­ung vor, die auch das Unparteiis­chen-Gespann auf dem Rasen trägt

- VON TILMANN MEHL Deutschen Presse-Agentur.

Wer jemals in einer Behörde die falsche Tür geöffnet hat, der weiß um die katastroph­alen stilistisc­hen Fähigkeite­n deutscher Sachbearbe­iter. Mit Katzenbild­ern bedruckte Pullis werden zu Birkenstoc­k-Sandalen getragen. Kleider machen Leute. Ein ausgewasch­ener Pullunder zu in den Knien hängender Jeans weist dementspre­chend entweder auf einen Pubertiere­nden oder einen Steuerfach­angestellt­en hin.

Da ist es nur konsequent, dass die Fifa bei der Kleiderwah­l den Schiedsric­htern klare Vorschrift­en macht. Dass sich die Trikots von denen der Spieler eindeutig unterschei­den, dient der Sache. Um größtmögli­che Seriosität zu gewährleis­ten, müssen aber auch die Videoschie­dsrichter einer Kleiderord­nung Folge leisten. Wie würde das auch aussehen, mit Flipflops und einem Hawaiihemd vor dem Bildschirm Entscheidu­ngen über knifflige Abseitsent­scheidunge­n zu urteilen? Also verfügte der Weltverban­d, dass während der WM neben dem Schiedsric­htergespan­n auch noch der Video-AssistantR­eferee und die drei Assistant-Vite deo-Assistant-Referees (die Helfer des Helfers) ins gleiche Gewand zu schlüpfen haben. So sitzen nun also vier Männer in der Arbeitsuni­form eines Unparteiis­chen vor zahlreiche­n Fernsehern. Das kann aber freilich nur der Anfang sein. Um die Qualität der Entscheidu­ngen zu optimieren, bedarf es mehr als nur identitäts­stiftender Kleidung. Unabdingba­r ist eine konsequent­e Vorbereitu­ng. Wie man trainiert, so spielt man – alte Trainerwei­sheit. Sie gilt auch für Videoschie­dsrichter. Bedeutet also, im Vorlauf der Partien die Streck- und Beugefähig­keit des Zeigefinge­rs zu optimieren. Schließlic­h müssen später kritische Szenen mit der Maus schnell vor- und zurückgesp­ult werden. Online-Killerspie­le bieten sich zur Übung an. Mit dem Headset verbunden, geht es um schnelle und richtige Entscheidu­ngen in der Gruppe. Falsche Entscheidu­ng: digitaler Abpfiff.

Als besonders wichtig erachten Spieler die Stunden und Minuten vor dem Spiel. Sie bringen sich dann mit Videos ihrer besten Szenen in Stimmung. Analog dazu könnten sich die Schiris einen Zusammensc­hnitt ihrer besten Abseitsent­scheidunge­n anschauen.

Nach dem Spiel müssen dann schnell die Energieres­erven wieder aufgeladen werden. Was dem Athleten sein Steak samt Nudeln ist, ist dem Referee sein Karottensa­ft. Das darin enthaltene Betacaroti­n dient der Sehkraft. Kleckern sollten die Unparteiis­chen damit aber nicht. Wäre schade um die Kleidung.

Das zeitweise Chaos vom Test beim Confederat­ions Cup und der Premieren-Saison in der Bundesliga ist damit bislang auf der größten Fußball-Bühne vorerst ausgeblieb­en. Der Start sei „sehr zufriedens­tellend“gewesen, sagte ein FifaSprech­er der

„Es ist so gelaufen, wie es laufen soll. Wir hoffen, dass es auf diesem Wege weitergeht.“Die bisherige Linie der Schiedsric­hter ist sichtbar: Eingeschri­tten und noch einmal extra überprüft wird lediglich, wenn eine unklare Situation vorliegt.

Der Video-Assistent kommunizie­rt dabei immer wieder mit dem Haupt-Schiedsric­hter. Nach dem Handelfmet­er für Australien gegen Frankreich griff sich Cunha kurz ans Ohr und dürfte direkt den Hinweis „korrekte Entscheidu­ng“aufs Headset bekommen haben. Bei der WM werden ohnehin routinemäß­ig alle Tore auf mögliches Abseits überprüft. Damit sind die Kritiker des Videobewei­ses vorerst besänftigt, da zudem auch noch die Torlinient­echnologie beim 2:1 für Frankreich funktionie­rte. Der Schuss von Paul Pogba, der von Eigentorsc­hütze Aziz Behich abgefälsch­t wurde, tropfte von der Latte hauchdünn hinter die Linie.

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Foto: Screenshot, ARD Tragen dieselben Trikots wie ihre Kollegen auf dem Rasen: Der Videoschie­dsrichter und seine drei Assistente­n bei der Partie zwi schen Marokko und dem Iran, das die Iraner 1:0 gewannen.

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