Jedem seine Uniform
Die Fifa schreibt für den Video-Schiedsrichter und dessen drei Assistenten jene einheitliche Sportkleidung vor, die auch das Unparteiischen-Gespann auf dem Rasen trägt
Wer jemals in einer Behörde die falsche Tür geöffnet hat, der weiß um die katastrophalen stilistischen Fähigkeiten deutscher Sachbearbeiter. Mit Katzenbildern bedruckte Pullis werden zu Birkenstock-Sandalen getragen. Kleider machen Leute. Ein ausgewaschener Pullunder zu in den Knien hängender Jeans weist dementsprechend entweder auf einen Pubertierenden oder einen Steuerfachangestellten hin.
Da ist es nur konsequent, dass die Fifa bei der Kleiderwahl den Schiedsrichtern klare Vorschriften macht. Dass sich die Trikots von denen der Spieler eindeutig unterscheiden, dient der Sache. Um größtmögliche Seriosität zu gewährleisten, müssen aber auch die Videoschiedsrichter einer Kleiderordnung Folge leisten. Wie würde das auch aussehen, mit Flipflops und einem Hawaiihemd vor dem Bildschirm Entscheidungen über knifflige Abseitsentscheidungen zu urteilen? Also verfügte der Weltverband, dass während der WM neben dem Schiedsrichtergespann auch noch der Video-AssistantReferee und die drei Assistant-Vite deo-Assistant-Referees (die Helfer des Helfers) ins gleiche Gewand zu schlüpfen haben. So sitzen nun also vier Männer in der Arbeitsuniform eines Unparteiischen vor zahlreichen Fernsehern. Das kann aber freilich nur der Anfang sein. Um die Qualität der Entscheidungen zu optimieren, bedarf es mehr als nur identitätsstiftender Kleidung. Unabdingbar ist eine konsequente Vorbereitung. Wie man trainiert, so spielt man – alte Trainerweisheit. Sie gilt auch für Videoschiedsrichter. Bedeutet also, im Vorlauf der Partien die Streck- und Beugefähigkeit des Zeigefingers zu optimieren. Schließlich müssen später kritische Szenen mit der Maus schnell vor- und zurückgespult werden. Online-Killerspiele bieten sich zur Übung an. Mit dem Headset verbunden, geht es um schnelle und richtige Entscheidungen in der Gruppe. Falsche Entscheidung: digitaler Abpfiff.
Als besonders wichtig erachten Spieler die Stunden und Minuten vor dem Spiel. Sie bringen sich dann mit Videos ihrer besten Szenen in Stimmung. Analog dazu könnten sich die Schiris einen Zusammenschnitt ihrer besten Abseitsentscheidungen anschauen.
Nach dem Spiel müssen dann schnell die Energiereserven wieder aufgeladen werden. Was dem Athleten sein Steak samt Nudeln ist, ist dem Referee sein Karottensaft. Das darin enthaltene Betacarotin dient der Sehkraft. Kleckern sollten die Unparteiischen damit aber nicht. Wäre schade um die Kleidung.
Das zeitweise Chaos vom Test beim Confederations Cup und der Premieren-Saison in der Bundesliga ist damit bislang auf der größten Fußball-Bühne vorerst ausgeblieben. Der Start sei „sehr zufriedenstellend“gewesen, sagte ein FifaSprecher der
„Es ist so gelaufen, wie es laufen soll. Wir hoffen, dass es auf diesem Wege weitergeht.“Die bisherige Linie der Schiedsrichter ist sichtbar: Eingeschritten und noch einmal extra überprüft wird lediglich, wenn eine unklare Situation vorliegt.
Der Video-Assistent kommuniziert dabei immer wieder mit dem Haupt-Schiedsrichter. Nach dem Handelfmeter für Australien gegen Frankreich griff sich Cunha kurz ans Ohr und dürfte direkt den Hinweis „korrekte Entscheidung“aufs Headset bekommen haben. Bei der WM werden ohnehin routinemäßig alle Tore auf mögliches Abseits überprüft. Damit sind die Kritiker des Videobeweises vorerst besänftigt, da zudem auch noch die Torlinientechnologie beim 2:1 für Frankreich funktionierte. Der Schuss von Paul Pogba, der von Eigentorschütze Aziz Behich abgefälscht wurde, tropfte von der Latte hauchdünn hinter die Linie.