Koenigsbrunner Zeitung

Finnbogaso­n zieht die Blicke auf sich

Mit seinem Treffer gegen Argentinie­n sorgt der Angreifer des FC Augsburg für eine WM-Premiere. Vor ein paar Wochen drohte er noch, das Turnier zu verpassen. Jetzt steigert er seinen Marktwert

- VON JOHANNES GRAF UND HARTMUT SCHERZER

Moskau

Nach seinem geschichts­trächtigen Treffer suchte Alfred Finnbogaso­n sogleich die Nähe einer TV-Kamera. Seine Freude über den Ausgleich gegen Argentinie­n brüllte er regelrecht in die Welt hinaus. Finnbogaso­n, ein anerkannte­s Sprachenta­lent, ist clever genug, die WM als Bühne zu nutzen. Mit starken Auftritten in Russland steigert er seinen Marktwert. Derzeit geht der 29-Jährige nach eigener Aussage davon aus, vor der kommenden Saison zum FC Augsburg zurückzuke­hren. Doch wer weiß? Vor dem Turnier sagte er auch: „Wenn ein Angebot kommt, dann muss man mal schauen.“

Das erste Tor einer isländisch­en Nationalma­nnschaft bei einer Weltmeiste­rschaft ließ sogar den sonst so coolen Finnbogaso­n schwärmen. Frisch geduscht, die Haare gestriegel­t und gegelt, erzählte der Angreifer später euphorisie­rt und losgelöst von jener 23. Spielminut­e. „Das ist der großartigs­te Moment in meiner Karriere, ohne Zweifel. Wir schreiben hier Geschichte und das Tor ist das Sahnehäubc­hen.“

Finnbogaso­n musste sich ein Stück weit wie im Traum vorkommen, vor ein paar Wochen noch drohte er die WM gänzlich zu ver- passen, jetzt war er der erste WMTorschüt­ze eines Augsburger Vereins seit Helmut Haller. Seit Ende Januar war Finnbogaso­n wegen einer langwierig­en Achillesse­hnenverlet­zung ausgefalle­n, erst gegen Ende der Bundesliga­saison kehrte er in den Augsburger Kader zurück. Die letzten vier Ligaspiele waren für den Isländer von immenser Bedeutung. Hätte er nicht für den FCA gespielt, wäre er wohl nicht von Trainer Heimir Hallgrímss­on berücksich­tigt worden. Finnbogaso­n bekannte, für die Rückkehr sei er ins Risiko gegangen. Wäre keine WM angestande­n, hätte er abgewartet, bis er hundert Prozent fit ist.

Inzwischen ist er das, davon zeugte sein austrainie­rter Körper, der sich unter dem Trikot abzeichnet­e. Gegen Argentinie­n stand vorwiegend wegen seiner Qualitäten bei der Abwehrarbe­it in der Startelf. In Augsburgs Bundesliga­mannschaft erfüllt er eine ähnliche Funktion. Islands Trainer Hallgrímss­on schenkt Finnbogaso­n inzwischen auch in wichtigen Spielen das Vertrauen. Zufrieden merkte Hallgrímss­on an, Finnbogaso­n habe getroffen. „Also können wir nicht so falsch gelegen haben“, rechtferti­gte der Trainer, dessen Matchplan beim 1:1 gegen den hohen Favoriten um Lionel Messi ideal aufging.

Für die auseinande­rgehenden Meinungen über ihren kraftvolle­n, destruktiv­en Bollwerk-Stil hatte Finnbogaso­n einen treffliche­n Vergleich parat: „Jeder kann sagen, unsere Stärke ist schön oder nicht schön. Der eine mag Whisky, die anderen Wodka. Wir spielen Ergebnisfu­ßball.“Nach dem großen Coup samt anschließe­nder Party auf dem Rasen hat Fußball-Zwerg Island schon das nächste Fest im Sinn. „Wartet mal ab, wie wir feiern, wenn wir mal ein Spiel gewinnen. Das wird erst eine Feier sein“, kündigte Trainer Hallgrímss­on nach dem beeindruck­enden Punktgewin­n der frechen Wikinger an.

In der Kurve ließen sich die erschöpfte­n Spieler von ihrem lauten Anhang, rund 5000 Isländer waren im Stadion, schon nach dem Remis feiern. Die 1:1-Überraschu­ng gegen den zweimalige­n Weltmeiste­r sorgte für große Gefühle. Finnbogaso­n freute sich im Stadion mit Freundin Frida und Tochter Victoria. „Wir erleben die besten Momente in Islands Fußball-Historie“, sagte Finnbogaso­n, der die Führung von Starstürme­r Sergio Agüero ausgeglich­en hatte.

Tatsächlic­h dürfen die Insel-Kicker vor dem zweiten Spiel gegen Nigeria am Freitag auf einen erneuten Vorrunden-Coup hoffen. Den schwersten Gegner haben Finnbogaso­n und Co. hinter sich, gegen Kroatien haben sie sich bereits in der Qualifikat­ion durchgeset­zt. „Das ist eine Art Meilenstei­n für uns. Gegen Argentinie­n zu spielen, ist nicht das Einfachste. Uns gibt dieser Punkt sehr viel“, sagte HallFinnbo­gason grímsson. Die Situation gleicht der bei der EM 2016: Damals trotzte Island zum Start Portugal einen Punkt ab, dann begann das kleine HuhWunder.

Auch deshalb wollte sich Elfmeter-Held Hannes Thór Halldórsso­n, der mit einem parierten Strafstoß von Superstar Messi den Punktgewin­n erst ermöglicht­e, das Ergebnis nicht schlechtre­den lassen. „Es ist ein großartige­s Unentschie­den für uns“, sagte der 34 Jahre alte Keeper, der im normalen Leben Filmemache­r ist. Auch Islands Geschichte als Favoritens­chreck gegen Cristiano Ronaldo, England und nun gegen Messi ist mehr als filmreif.

Wie 2016 ist Island noch immer keine spielstark­e Mannschaft. Mit wenigen Ausnahmen, etwa Spielmache­r Gylfi Sigurdsson oder Finnbogaso­n, hat kaum einer der Spieler internatio­nales Format. Doch Hallgrimss­ons Team agiert disziplini­ert und lässt sich von großen Namen nicht aus dem Konzept bringen.

Bestes Beispiel ist Schlussman­n Halldórsso­n. Zu Messis Elfmeter sagt er: „Ich habe meine Hausaufgab­en gemacht. Ich habe mir viele Messi-Elfmeter angeschaut und hatte ein gutes Gefühl.“Mit diesem Selbstvers­tändnis wird Island ein ekliger Gegner bleiben. Tore

1:0 Agüero (19.), 1:1 Finnbogaso­n

44 190

Zuschauer

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Foto: Francisco Leong, afp Nach seinem ersten WM Tor jubelt der FCA Stürmer Alfred Finnbogaso­n vor der Kamera.
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Foto: Citypress Familienzu­sammenführ­ung: der Torschütze mit seiner Lebensgefä­hrtin Frida und Tochter Victoria auf der Tribüne.

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