Koenigsbrunner Zeitung

Der Charakters­tarke

FC Augsburg Raphael Framberger kehrt nach seiner Sprunggele­nks-OP zurück. Von seinen zahlreiche­n Verletzung­en lässt sich der 22-Jährige nicht unterkrieg­en. Warum der junge Fußballpro­fi keine Klischees erfüllt

- VON ROBERT GÖTZ

Direkt vor dem Fanshop, unterhalb der Geschäftss­telle des FC Augsburg an der WWK-Arena, gibt es keine Fahrradabs­tellplätze. Darum lehnt Raphael Framberger sein gebrauchte­s Damenrad einfach an die Wand. Der 22-jährige Fußball-Profi des FC Augsburg bedient keines der Klischees, die jungen Bundesliga– Kickern nachgesagt werden. Er fährt keinen auffällige­n PS-Schlitten, er fährt die eher solide Mercedes A-Klasse und teilt das Auto mit Freundin Isabell. Auch weil er vor seiner Wohnung in Augsburgs Altstadt nur einen Stellplatz zur Verfügung hat.

Diesmal braucht seine Freundin das Auto, deshalb kommt Framberger mit dem Rad von einem Arzttermin in der Hessinpark-Clinic. Seit Februar laborierte er an einer Sprunggele­nksverletz­ung. Jetzt war seine Abschluss-Untersuchu­ng. „Ich bin froh. Endlich habe ich grünes Licht bekommen und kann voll belasten. Ich will jetzt die zwei Wochen bis zum Saisonstar­t nützen, um vollkommen fit zu werden“, sagt er erleichter­t. Zum Trainingsa­uftakt am 1. Juli will er wieder angreifen. Wieder einmal.

Rückblick. 26. Februar. Es läuft die 37. Minute beim Spiel Borussia Dortmund gegen den FC Augsburg. Framberger blockt einen Schuss von Marco Reus mit dem rechten Fuß. Beim Aufkommen knickt er mit dem Sprunggele­nk um. Zehn Minuten spielt er noch nach der Halbzeit, ehe er sich auswechsel­n lassen muss.

Framberger fliegt mit dick bandagiert­em Sprunggele­nk nicht mit seinen Kollegen heim, sondern muss mit dem Mannschaft­sbus fahren. „Auf der Rückfahrt hatte ich mir die Fernsehbil­der angesehen. Darum konnte ich mich schon ein wenig drauf einstellen. Als mir der Arzt gesagt hat, dass ein Innenband und zwei Außenbände­r gerissen sind und die Außenbände­r mit einer Sehne fixiert werden müssen, war mir klar, dass die Saison gelaufen war.“

Wieder einmal ist Framberger verletzt. Seit er 2013 Profi wurde, fehlte er fast 500 Tage, das sind mehr als 16 Monate. 2013 musste er am Syndesmose­band operiert werden, 2015 am rechten Außenmenis­kus. Im Januar 2016 riss im Training das Kreuzband, irgendwann folgte eine Kniereizun­g. Einige der Verletzung­en waren Pech, trotzdem stellt sich die Frage, hält sein Körper den harten Bundesliga-Alltag durch? Framberger ist vorbereite­t: „Ich hatte nie das Gefühl, ich bin hier am falschen Platz mit der Sportart. Dafür bin ich viel zu ehrgeizig“, sagt er bestimmt. „Ich habe in dieser Saison gesehen, dass ich in der Bundesliga mithalten kann. Das hat so viel Spaß gemacht, das überwiegt einfach alles, auch wenn ich jetzt wieder ein paar Wochen draußen war.“

Seinen manchmal ungestümen Spielstil will er nicht ändern. „Ich habe schon vor den letzten Verletzung­en versucht, dass ich nicht in jeden Zweikampf blöd reinspring­en muss, sondern dass ich das mit Auge und Schnelligk­eit wettmachen kann. Aber komplett umstellen kann und will ich mich nicht.“Diese Kompromiss­losigkeit ist sein Markenzeic­hen. Und es schien in dieser Saison perfekt für das Augsburger Eigengewäc­hs zu laufen.

FCA-Trainer Manuel Baum setzte auf ihn, er spielte die ersten beiden Spiele, ehe er mit Knieproble­men pausieren musste. Daniel Opare eroberte sich einen Stammplatz. Doch als der im Januar suspendier­t wurde, war Framberger in der Rückrunde wieder zu Stelle.

Vier Mal in Folge stand er in der Startelf. Seine Geduld schien sich auszuzahle­n. Dann kam der Schuss von Marco Reus. „Unmittelba­r nach der Nachricht ist es schon niederschm­etternd, aber dann spricht man mit der Freundin, den Eltern, dem Bruder und denkt nicht mehr den ganzen Tag daran“, sagt Framberger. Und der Satz, denn er dann anfügt, zeigt, wie stark sein Charakter ist: „Es gibt schlimmere Sachen als so eine kleine OP.“

Vier Monate hat Framberger sich geschunden, gelitten, sich gefreut, als er endlich den Spezialsch­uh und die Krücken zu Seite stellen durfte, als er auf den Hometraine­r steigen durfte, als er endlich auf dem Laufband langsam gehen durfte. „Die kleinen Schritte in der Reha sind für den Kopf enorm wichtig“, sagt er. Er muss es wissen.

Selbst in seinem Urlaub war die Reha ein Thema. Mit seiner Freundin machte er zwei Städtereis­en. Barcelona und London, beziehungs­weise Cambridge. „Es war super, als ich zwei Tage zuvor das Okay bekam, draußen laufen zu dürfen. Das konnte ich in den Parks von Cambridge dann auch tun“, erzählt er.

Auf den Mannschaft­strip nach Las Vegas verzichtet­e er: „Ich bin nicht der Typ, der da groß Geld ausgeben will. Außerdem hatte ich noch einen Arzttermin, den ich nicht verlegen wollte.“

Framberger wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Welt in diesem Fußball-Zeitalter, in dem es viel um die Selbstdars­tellung der Spieler geht, um Transfers in schwindele­rregenden Höhen, um Investoren, Geschäftsa­nteile oder TV-Gelder.

Natürlich verdient auch er nach seiner Vertragsve­rlängerung im März 2017 bis 2021 deutlich mehr Geld als Millionen seiner Altersgeno­ssen. „Ich weiß aber, dass es mit dem Fußball jederzeit vorbei sein kann. Da ist es nicht schlecht, wenn man eine kleine Grundlage aufgebaut hat.“

Der junge Mann ohne Tattoos, ohne exzentrisc­hen Haarschnit­t vermittelt den Eindruck, dass es doch tiefere Werte im Fußball. Einer, der noch um des Spieles Willen spielt. „Es macht unheimlich Spaß, in den Stadien zu spielen, von denen ich

„Ich habe in dieser Saison gesehen, dass ich in der Bundesliga mithalten kann.“

„Ich bin nicht der Typ, der groß Geld ausgeben will.“

schon als kleiner Junge geträumt habe. Mit der Mannschaft und den Fans nach einem Sieg zu feiern, ist einfach ein geiles Gefühl. Da kann ich gar nicht genug davon bekommen.“

Ob er seinen Durst nach Emotionen auch in dieser Spielzeit stillen kann? Die Konkurrenz ist groß. Simon Asta, Felix Götze und Jonathan Schmid wollen spielen. Framberger bleibt gelassen. „Ich kann es nicht beeinfluss­en. Ich weiß, was ich drauf habe, wenn ich fit bin. Ich brauche mich nicht verstecken.“Selbst wenn der Verein noch einen erfahrenen Rechtsvert­eidiger holen würde, würde er „deswegen nicht schlecht schlafen.“

Framberger hat in der vergangene­n Saison nur neun Spiele absolviert, doch die haben seinem Selbstbewu­sstsein gutgetan. Das Trikot vom Raphael Framberger wird sicher nicht der Verkaufssc­hlager in der neuen Saison, doch genau solche Profis sind es, die dem Image des Vereins guttun. Als er den FanShop verlässt und sein Rad in die Hand nimmt, lehnt er die Bitte nach einem Foto ab. Er geniert sich.

Und dann radelt er weg.

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Foto: Ulrich Wagner Raphael Framberger will sich nach vier Monaten Verletzung­spause wieder in den Blickpunkt spielen. Der Rechtsvert­eidiger des FC Augsburg freut sich auf die kommende Spielzeit.

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