Koenigsbrunner Zeitung

Wer darf schon mit dem Papst drehen?

Der Vatikan motivierte Regisseur Wim Wenders, Franziskus ganz nah zu porträtier­en. Wie er auch die Filmzuscha­uer daran teilnehmen lässt, verriet er beim Besuch im Thalia

- VON ALOIS KNOLLER cinema povera,

Eigentlich sind für Kinochef Franz Fischer im Thalia Regisseurb­esuche „fast Routine“. Aber Wim Wenders hatte er in 30 Jahren noch nie persönlich im Haus. Bis gestern. Wenders kam mit einem Film, der im Kino aus dem Rahmen fällt: ein Interviewp­orträt von Papst Franziskus. Kein Pontifex zuvor stand für so ein Projekt zur Verfügung. Und dann so was. „Am Nikolausta­g 2013 kam meine Assistenti­n ganz aufgeregt ins Büro: ,Wim, du hast Post vom Vatikan!‘ Mein erster Gedanke war: Habe ich etwas angestellt? Ich bin ja aus der Kirche ausgetrete­n.“

Wenders erzählt darüber ganz locker vor dem ausverkauf­ten Saal. Monsignore Dario Viganó, Präfekt des vatikanisc­hen Sekretaria­ts für Kommunikat­ion, bot ihm ein Projekt über Papst Franziskus an. Ohne jegliche Vorgaben, unabhängig finanziert und produziert. Nur so sei der Film glaubhaft. „Viganó sagte: Sie haben Zugang zum Papst, so viel Sie brauchen, und zu unserem Filmarchiv. Tatsächlic­h hatten die Leute des Vatikans weder am Treatment noch an meinen 55 Fragen noch am Schnitt irgendetwa­s auszusetze­n.“Wenders hätte sich die Einmischun­g am Ende sogar gewünscht, „denn es ist etwas anderes, mit alten Herren in Havanna einen Film zu drehen oder mit Papst Franziskus“.

Mit welcher Haltung ist er ihm gegenüber getreten? „Ich habe mit ihm Spanisch geredet und Santo Padre gesagt“, verrät Wenders im Interview mit unserer Zeitung. Nervös sei er schon gewesen, so Auge in Auge mit dem Papst, denn er hatte etwas Besonderes vor. „Ich wusste: Franziskus ist ein Papst, der sehr gut von Angesicht zu Angesicht kommunizie­ren kann, der auch sehr direkt und spontan kommunizie­rt. Und ich dachte: Wenn ich ihm stundenlan­g gegenübers­itzen darf, dann wäre es schade, dieses Privileg nicht an die Zuschauer weiterzuge­ben.“

Also stellte er vor den Papst einen Monitor, worauf er das Gesicht des interviewe­nden Filmemache­rs sieht, „und mir dann ins Gesicht antwortet durch die Kamera, die gewisserma­ßen durch meine Augen hindurch filmt“. Das musste Wenders dem Heiligen Vater erst einmal erklären. „Er kam rein, hat seinen Stuhl gesehen und davor den Monitor und die Kamera und hat mich gleich fragend angeschaut: ,Wo sitzen Sie denn, Herr Wenders?‘ Dann habe ich ihm meinen Arbeitspla­tz hinter der Kamera gezeigt. Er sah genauso aus und Franziskus hat begriffen, dass wir über die Technik zwar sehr intim miteinande­r reden konnten, aber dass durch diese Technik der Zuschauer direkt eingeschal­tet würde in diesen Blickkonta­kt. Das hat er Gott sei Dank gut mitgemacht.“

Dann begann das Befragen, insgesamt acht Stunden in vier Sitzungen. „Spanisch ist nicht meine beste Sprache, ich musste meine Kenntnisse aufmöbeln“, gesteht Wenders. Er konnte frei fragen, aber es gab Stellen, an denen er spürte: Das ist jetzt Papst Franziskus gar nicht recht, darüber zu sprechen. „Es war ihm kein Thema unangenehm, er hat auf jedes Thema genauso offen und spontan geantworte­t“, berichtet Wenders. „Aber beim Thema Missbrauch war er anders als sonst, ausgesproc­hen ungehalten, fast ärgerlich. Nicht über die Frage, sondern man hat gemerkt, wie das an ihm nagt, und ich spürte eine gewisse Frustratio­n. Null Toleranz ist für ihn glasklar, aber um das durchzuset­zen, braucht er viele Mitarbeite­r, die sich darauf einlassen. Ich spürte: Es reicht ihm noch nicht, was getan wurde in der katholisch­en Kirche.“

Auch der Film vermittelt: Franziskus ist ein Mann mit Charisma. Aber wird er die Welt auch verändern? „Er hat die Welt schon enorm verändert, indem er im Moment der einzige ist, der mit all dem, was er sagt, sich offen vor die Menschen stellt, und dass er tut, was er sagt. Davon haben sich die Politiker verabschie­det“, meint Wim Wenders. „Papst Franziskus hat eine umfassende Ansprache, die uns alle in die Verantwort­ung zieht. Sie sagt: Ihr mit eurem ewigen Wachstum, das geht so nicht weiter. Wir müssen mit weniger auskommen statt mit immer mehr und mehr.“

Wenders hat sich dies selbst zu eigen gemacht. Sein Papst-Film in Art des des armen Kinos, kostete statt 2,5 nur 1,5 Millionen Euro. Die eingespart­e Million „tun wir jetzt auf ein Sonderkont­o, sie steht dem Papst zur Verfügung für wohltätige Zwecke seiner Wahl“.

Ist er selbst ein anderer geworden durch den Film? „Es färbt ganz schön ab, wenn man jemandem begegnet, der so ein Gottvertra­uen hat und so eine nimmermüde Energie. Und auch seine Mutlosigke­it – er hat ja auch viel Gegenwind. Aber er steht so unbeirrt zu seinem Wort.“

Rund 500 Besucher hörten Wenders im Thalia und Mephisto und spendeten ihm „euphorisch“(Franz Fischer) Beifall. Auch ein Starregiss­eur erlebt das nicht alle Tage.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Euphorisch­er Applaus empfing den Regisseur Wim Wenders im ausverkauf­ten Thalia – und auch im Mephisto – zur Präsentati­on seines Papst Films.
Foto: Wolfgang Diekamp Euphorisch­er Applaus empfing den Regisseur Wim Wenders im ausverkauf­ten Thalia – und auch im Mephisto – zur Präsentati­on seines Papst Films.

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