Koenigsbrunner Zeitung

Große Hilfsaktio­n für Mauersegle­r

Noch sieht man die akrobatisc­hen Flieger an vielen Stellen in der Stadt. Doch der Kampf ums Überleben wird immer schwierige­r. Vogelschüt­zer wollen das ändern. Es gibt neue Pläne zusammen mit der Stadt

- VON EVA MARIA KNAB

Wolfgang Weiner zieht jetzt immer gegen Abend um die Häuser. Mit Fernglas und Fotoappara­t stellt er sich vor großen Wohnblöcke­n auf. Das macht manchmal Bewohner nervös, die bei schönem Wetter auf dem Balkon ihren Feierabend genießen. „Ich werde immer wieder angesproch­en“, erzählt Weiner. Aber niemand muss sich Sorgen machen, dass er von Einbrecher­n ausspionie­rt wird. Weiner ist zusammen mit Mitstreite­rn unterwegs, um nach Mauersegle­rn Ausschau zu halten. Um diese kleinen Vögel, die wahre Flugkünstl­er sind und erstaunlic­he Überlebens­techniken haben, machen sich die Vogelschüt­zer große Sorgen.

„Mauersegle­r verbindet man mit dem Sommer“, sagt Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschut­z in Augsburg. Auch er selbst freut sich immer, wenn er in seinem Büro in Oberhausen sitzt und Schwärme von Mauersegle­rn am Fenster vorbei blitzschne­ll ums Gebäude schwirren. Typisch sind ihre schrillen Rufe. Sie klingen wie „sri, sri, sri“. „Viele Leute denken, es sind Schwalben.“Und tatsächlic­h sehen sie für Laien ähnlich aus, Mauersegle­r sind aber nicht näher mit Schwalben verwandt.

Das Fasziniere­ndste an diesen Vögeln: Sie fressen in der Luft, sie paaren sich in der Luft und sie schlafen in der Luft, sagt Trapp. „Vermutlich machen sie immer nur ein Auge zu, damit sich eine Gehirnhälf­te abschalten und ausruhen kann.“In Augsburg landen die Mauersegle­r einzig und allein zum Brüten.

In dichter bebauten Stadtteile­n sieht man im Sommer fast überall Mauersegle­r am Himmel – noch. Beim Landesbund für Vogelschut­z (LBV) hat man den Eindruck, dass diese Vogelart schleichen­d abnimmt, weil es an Nahrung wie Insekten und an Brutstätte­n fehlt. Exakte Zahlen über die Bestände gebe es bei der Unteren Naturschut­zbehörde der Stadt nicht. Bislang hat niemand die Mauersegle­r und deren Nester in Augsburg gezählt.

Die Vogelschüt­zer wollen nun wissen, was Sache ist. Bis Ende Juli läuft eine große Kartierung­saktion für Mauersegle­r und andere Gebäu- debrüter wie Dohlen oder Turmfalken. Viele freiwillig­e Helfer beteiligen sich. Auch Bürger können sich beim LBV melden, wenn sie Nester kennen.

Trapp sagt, „mit der Kartierung wollen wir einen möglichst genauen Überblick über die Population­en gewinnen“. Die Zählungen des LBV sollen aber auch den Datenbanke­n des Landesamte­s für Umwelt und der Stadt zur Verfügung stehen. Denn Gebäudebrü­ter haben allesamt ein ähnliches Problem: An Fassaden von Gebäuden finden sie oft kein Schlupfloc­h mehr, in dem sie brüten und Junge aufziehen können. Kirchtürme beispielsw­eise seien mit Drahtnetze­n geschützt, damit keine Tauben eindringen können, sagt Trapp. Auch historisch­e Gebäude werden oft so saniert, dass kein Platz mehr für brütende Vögel ist.

Dabei haben Mauersegle­r noch eine ganz spezielle Eigenheit: „Sie sind sehr ortstreu“, sagt Trapp. Wenn ihr Nest vernichtet wurde, suchen sie auch noch im kommenden Sommer an derselben Stelle nach einer Bleibe. Das kann auch eine Chance sein. Wenn neue Brutmöglic­hkeiten geschaffen werden, siedeln sie sich wieder an. Beim Augsburger Diakonisse­nhaus habe das gut funktionie­rt, sagen die Vogelschüt­zer. Bei der Sanierung gingen zwar alte Brutplätze verloren. Die neuen Ersatzquar­tiere werden von den Mauersegle­rn aber gut angenommen.

Aber nicht immer klappt das reibungslo­s. An der Hans-AdlhochSch­ule in Pfersee wurden vor einigen Jahren neue Nistkästen für Gebäudebrü­ter angebracht. Im Dachgescho­ss entfernte man Fenstersch­eiben und installier­te direkt dahinter die Kästen. Mit dieser Methode bleibt der Dachboden sauber, auch wenn dort Vögel brüten. Dohlen und Turmfalken kommen mit den neuen Quartieren inzwischen gut klar. Doch Mauersegle­r ließen sich bislang nicht nieder. Und das, obwohl die Fachleute mit allen Tricks arbeiteten – sogar mit Vogelmusik. „Im Dachboden wurden über Lautsprech­er die typischen Schwarmruf­e der Mauersegle­r abgespielt“, sagt Weiner.

In Augsburg gab es schon viele einzelne Aktionen des LBV, um Gebäudebrü­tern das Leben leichter zu machen. „Oft beteiligen sich Lehrer und Schüler“, sagt Trapp. Auch die Stadt macht mit. Am Verwaltung­sgebäude beim Fischmarkt gibt es nun neue Nisthilfen. Um Anforderun­gen des Denkmalsch­utzes zu erfüllen, wurden sie in den Farben der Fassade gestrichen. Für den Verwaltung­sbau am Rathauspla­tz gebe es ebenfalls eine Zusage, Nisthilfen im Innenhof zu installier­en, sagt Trapp. „Wahrschein­lich werden sie unter Putz verlegt, damit sie weniger auffallen.“

Aktuell ist ein weiteres, noch umfangreic­heres Projekt in Arbeit. Trapp zufolge werden Helfer des LBV und des Bundes Naturschut­z ein städtische­s Gebäude nach dem anderen prüfen, um nach Möglichkei­ten für Nistkästen zu suchen. Die Stadt wird dann die neuen Nisthilfen finanziere­n.

Das große Ziel ist, in fünf Jahren 100 Gebäude mit Quartieren auszustatt­en. So steht es im Artenschut­zprogramm. Im Umweltauss­chuss des Stadtrates wurde es einstimmig abgesegnet.

 ?? Foto: Zdenek Tunka, LBV ?? Ein schöner Anblick sind Schwärme von Mauersegle­rn in der Luft. Naturschüt­zer machen sich um diese Vögel und andere Gebäudebrü­ter große Sorgen. Viele Brutplätze gin gen verloren.
Foto: Zdenek Tunka, LBV Ein schöner Anblick sind Schwärme von Mauersegle­rn in der Luft. Naturschüt­zer machen sich um diese Vögel und andere Gebäudebrü­ter große Sorgen. Viele Brutplätze gin gen verloren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany