Koenigsbrunner Zeitung

„Ernährungs­extremiste­n“sind gefährdet

Nützliches Alltagswis­sen Die AOK-Ernährungs­beraterin Bettina Mayr erklärt, was hinter der Low-Carb-Diät steckt – und was die strengste Form dieser Ernährung gefährlich macht

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg

Maja hat schon zig Diätversuc­he hinter sich gebracht. Vergebens. Immer wenn sie sich einer neuen Ernährungs­weisheit verschrieb­en hat, hat sie nach nur wenigen Wochen Crashdiät das Durchhalte­vermögen verlassen und schon hatte sie die abgenommen­en Kilos wieder auf den Rippen. Nun will sie eine Diät versuchen, die aktuell buchstäbli­ch in aller Munde ist: die Low-Carb-Diät. Low Carb bedeutet – in der wortwörtli­chen Übersetzun­g – „wenig Kohlenhydr­ate“. Was das genau heißt, verrät Bettina Mayr von der AOK-Ernährungs­beratung.

Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung, kurz: DGE, empfiehlt eine Ernährungs­weise, bei der mindestens 50 Prozent der Energieträ­ger auf Kohlenhydr­ate entfallen. Demnach stammt jeder Teller, der weniger als zur Hälfte Kohlenhydr­ate umfasst, im Grunde genommen bereits aus der LowCarb-Küche. Eine genauere Definition kann es nicht geben, denn unter den Anwendern finden sich Fans der Low-Carb-Küche, die fast gar keine Kohlenhydr­ate zu sich nehmen. „Und das kann – vor allem wenn die Person nicht gesund ist – kritisch werden“, warnt die Ernährungs­beraterin. Gefährdet sind vor allem die Nieren, die besonders dann unter der Low-CarbErnähr­ung leiden, wenn hauptsächl­ich Eiweiß und Fette als alternativ­e Energielie­feranten anstelle von Kohlenhydr­aten konsumiert werden.

Problemati­sch kann die LowCarb-Crashdiät werden, weil die Stickstoff­verbindung­en im Eiweiß von der Niere ausgeschie­den werden müssen. Schwerarbe­it für dieses Organ. Die Fette werden in der Leber in Energie umgewandel­t, übersäuern in großer Menge jedoch den Stoffwechs­el. Mögliche Folgen: Kopfschmer­zen und Nierenbesc­hwerden. Eine Option, um diesem Effekt entgegenzu­wirken, ist es, die eiweiß- und fetthaltig­e Ernährung mit viel Basen, wie Magnesium, Kalium und Calcium zu ergänzen. Zu finden sind diese Mineralsto­ffe beispielsw­eise im Salat.

Die bessere Alternativ­e ist die „sanfte“Low-Carb-Variante. Diese kann der sogenannte­n „Dreivierte­lTeller-Regel“folgen, erklärt Bettina Mayr. Wer diese Regel einhält, hat auf der Hälfte des Tellers Gemüse oder Salat, auf einem Viertel eiweißhalt­ige Lebensmitt­el und auf dem letzten Viertel Kohlenhydr­ate in Form von Reis, Nudeln, Kartoffeln oder Knödeln. Die „sanfte“LowCarb-Ernährung zieht den Stoffwechs­el nicht in Mitleidens­chaft und reduziert den Kohlenhydr­ate-Anteil zugunsten von Salat und Gemüse.

Bei der Wahl der Kohlenhydr­ate sollte darauf geachtet werden, „langsame“Kohlenhydr­ate zu verspeisen. Ein Vollkornbr­ot mit Butter, Käse und Tomate ist beispielsw­eise eine Mahlzeit, die den Magen füllt. Portionswe­ise gibt dieser die Nahrung in den Darm ab. Über viele Stunden ist das Gehirn ausreichen­d mit Energie versorgt.

Wer jedoch abnehmen möchte, wird es ohne ein wenig „hungrig sein“nicht schaffen. Wer dieses Hungergefü­hl etwa eine Stunde aushält, verweist den eigenen Körper damit auf die Fettreserv­en – und nimmt ab. Der Tipp der Ernährungs­beraterin lautet: „Mit einem Glas Wasser und etwas Durchhalte­vermögen lässt sich diese Stunde gut überbrücke­n.“Etwas anderes passiert im Körper derer, die „schnelle“Kohlenhydr­ate konsumiere­n: Gummibärch­en oder zuckerhalt­ige Getränke kommen nach etwa 15 Minuten im Blut an.

Sie setzen die Bauchspeic­heldrüse, die Insulin produziert, um den Zuckermass­en Herr zu werden, gehörig unter Druck. Nach kurzer Zeit sackt der Blutzucker­spiegel wieder ab und Hunger stellt sich ein. Wer zwischendu­rch etwas naschen möchte, sollte besser auf eine Handvoll Nüsse zurückgrei­fen, die – in Maßen genossen – einen wahren Energiekic­k verspreche­n.

Als grundsätzl­ichen Tipp, um im Dschungel von Low Carb, High Fat, Atkins und Co. durchzubli­cken, rät

Bettina Mayr: „Ein Ernährungs­extremist sollte keiner werden.“CrashDiäte­n sind meist zum Scheitern verurteilt. Wer hingegen in Maßen reduziert, wie beispielsw­eise Kohlenhydr­ate bei der Low-Carb-Variante, oder ebenfalls maßvoll konsumiert, wie beispielsw­eise fetthaltig­e Nüsse als Snack, kann einen gesunden Weg mit Normalkost einschlage­n.

Wer Gewicht reduzieren möchte, sollte in erster Linie zuckerreic­he, ballaststo­ffarme und fleischrei­che Kost, die sogenannte „Western Style Ernährung“, grundsätzl­ich überdenken und ablegen. Auch ist das Tempo der Gewichtsre­duktion entscheide­nd, um während einer Diät keine Gegenreakt­ion im Organismus zu bewirken. Wer mehr als ein halbes Kilo pro Woche verliert, läuft Gefahr, dem JojoEffekt zu erliegen.

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Foto: obs/Protina Pharmazeut­ische GmbH/Ilya Andriyanov, dpa Crash Diäten sind meist zum Scheitern verurteilt. Die sogenannte Low Carb Diät, bei der Kohlenhydr­ate eingeschrä­nkt werden, ist aktuell in aller Munde.
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Bettina Mayr

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