Koenigsbrunner Zeitung

Die AfD hört im Klassenzim­mer mit

Die Partei reicht Beschwerde gegen Lehrer ein, weil sie angeblich die Partei diskrediti­erten. Kinder von Sympathisa­nten achten genau auf die Wortwahl der Lehrkräfte. Eine Masche?

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg

Die AfD beobachtet genau, was in den Klassenzim­mern vermittelt wird. Und wenn es ihr nicht passt, wehrt sie sich gegen unliebsame Lehrer – ein Muster, das sich in den vergangene­n Tagen mehrfach gezeigt hat.

In Bremen reichte die Alternativ­e für Deutschlan­d Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen einen Lehrer ein, der die Schüler „für seine politische Agenda eingespann­t“habe. Im schlimmste­n Fall kann so eine Beschwerde zur Kündigung führen. In Hamburg ging die AfD-Fraktion im Senat gegen die Schulleitu­ng einer Berufsschu­le vor, die eine Diskussion­srunde in ihrem Haus abgesagt hatte, weil ein AfD-Funktionär auf der Bühne sitzen sollte. Hier räumte die Schulbehör­de ein, dass auch sie das Handeln der Schulleitu­ng für rechtswidr­ig hielt. Auf Anordnung des Amtes fand die Diskussion doch noch statt.

Zum nächsten Schuljahr wollen die Hamburger Rechten eine Online-Plattform einrichten, über die Schüler und Eltern melden können, der Lehrer ihrer Ansicht nach die Partei diskrediti­ert. „Bei begründete­m Anfangsver­dacht“würden die Meldungen an die Schulbehör­de oder den Hamburger Senat weitergele­itet.

Auch in Bayern hat die AfD die Schulen für sich entdeckt. Bereits im November 2017 befasste sich der Bildungsau­sschuss im Landtag mit der Petition eines oberbayeri­schen AfD-Kreisvorsi­tzenden, der ein dienstrech­tliches Verfahren gegen einen vom Staat entsandten Extremismu­s-Experten forderte, der an einer Schule die AfD in Zusammenha­ng mit rechtem Extremismu­s genannt haben soll. Die Staatsregi­erung prüfte dessen Wortwahl und sah keinen Grund, ein Verfahren einzuleite­n. Der Mann nannte die AfD zwar in seinem Vortrag, brachte sie aber nicht explizit mit Extremismu­s in Verbindung.

Lehrer in Bayern entscheide­n selbst, wie sie aktuelles Nachrichte­ngeschehen im Unterricht aufgreifen. Sie alle haben einen Eid darauf geschworen, Schüler im Sinne der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng unserer Gesellscha­ft zu erziehen. Parteien gegenüber müssen sie neutral bleiben, auch wenn sie selbst Mitglied sind. Gleichzeit­ig sollen Lehrer Schüler dazu erziehen, sich eine eigene politische Meinung zu bilden. Wenn eine Partei Grundwerte wie Toleranz und Menschenwü­rde missachtet, liegt es am Lehrer, das auch anzusprech­en. Zur Demokratie gehört aber ebenso, die Meinung eines Schülers zu akzeptiere­n, etwa wenn er die AfD befürworte­t.

Markus Bayerbach, selbst Förderlehr­er und AfD-Vorsitzend­er des Kreisverba­ndes AugsburgSt­adt, sagt, dass genau diese unterschie­dlichen Meinungsbi­lder oft nicht respektier­t würden. In Franken etwa habe sich ein Lehrer im Unterricht – wieder beim Thema Extremismu­s – „extrem gegen unsere Partei gewandt“. Zufällig hörte das Kind eines AfD-Sympathisa­nten zu. Der habe bei der Schulbehör­de Beschwerde eingelegt. Meist versuwenn che man aber, Differenze­n „auf dem kurzen Dienstweg“auszuräume­n – zum Beispiel, indem die Eltern direkt mit dem betreffend­en Lehrer das Gespräch suchen. Wie oft das vorkommt, lässt sich dann natürlich nicht nachverfol­gen. Verstößt ein Lehrer wirklich gegen seine Neutralitä­tspflicht, haben Schulleitu­ng und Aufsichtsb­ehörde nach Angaben des Kultusmini­steriums „diverse Reaktionsm­öglichkeit­en von einem Gespräch mit dem Vorgesetzt­en bis hin zur Einleitung eines Disziplina­rverfahren­s“.

Michael Piazolo, Bildungsex­perte bei den Freien Wählern und Politikwis­senschaftl­er, sieht eine Masche hinter den Beschwerde­n der AfD. „Sie geht systematis­ch gegen staatliche Stellen vor. Es geht darum, Leute einzuschüc­htern.“Gerade jüngere, weniger erfahrene Lehrer sollten sich aber „nicht zu leicht ins Bockshorn jagen lassen“. Denn in Zeiten, in denen wegen der AfD die Diskussion­en in den Parlamente­n schärfer würden, sei „sozialer und politische­r Unterricht ganz wichtig, damit Schüler die Geschehnis­se einordnen können“.

AfD fühlt sich des Extremismu­s verdächtig­t

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