Bobingen und Dinkelscherben chloren Trinkwasser
Nachdem Keime gefunden wurden, setzten Behörden auf Chemie. Auch andere Netze werden untersucht
Dinkelscherben/Bobingen
Nach der Gemeinde Dinkelscherben muss nun auch die Stadt Bobingen das Trinkwasser chloren. Am Freitag soll damit begonnen werden. Das gaben Stadt und Landratsamt gestern bekannt. Am Vormittag hatte die Chlorung in Teilen des Trinkwassernetzes von Dinkelscherben begonnen. Ab nächster Woche soll in ganz Dinkelscherben gechlortes Wasser aus den Leitungen kommen.
In Bobingen und Dinkelscherben waren bei Kontrollen coliforme Keime gefunden worden. Sie können bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem Durchfallerkrankungen auslösen, als besonders gefährdet gelten Kleinkinder und Senioren. Überdies können Infektionen auftreten, wenn das Wasser in offene Wunden gerät. Das Gesundheitsamt rät deshalb Menschen in betroffenen Gebieten, sich nur mit abgekochtem Wasser die Zähne zu putzen oder den Kopf zu waschen. Das Abkochgebot gilt, bis das Leitungswasser stabile Chlorwerte aufweist.
Gechlortes Wasser aus dem Hahn löst allerdings bei vielen Betroffenen Widerwillen aus – und das nicht nur des Geschmacks wegen. Das zeigte sich vor zwei Jahren in Gessertshausen, wo 800 Haushalte fast ein Jahr lang mit gechlortem Wasser versorgt wurden. Es gab Klagen über allergische Reaktionen und Befürchtungen wegen gesundheitlicher Folgen. Experten betonen allerdings immer wieder, dass das gechlorte Wasser für die allermeisten Menschen gesundheitlich unbedenklich sei.
Die Befürchtungen in der Bevölkerung spielen auch in Dinkelscherben eine Rolle, wo Bürgermeister Edgar Kalb gegen die vom Gesundheitsamt angeordnete Sicherheitschlorung opponiert, deren Ende nicht abzusehen ist. Diese sei überzogen, sagt Kalb.
Auch mancher Augsburger könnte sich noch an den Geschmack von gechlortem Wasser erinnern. Nach dem großen Pfingsthochwasser von 1999 musste sicherheitshalber vorübergehend gechlort werden.
Dinkelscherben und Bobingen sind in der jüngeren Vergangenheit nicht die ersten Orte im Augsburger Land, in denen zur Chlor-Keule gegriffen wird, um das Trinkwasser zu desinfizieren. Sie könnten auch nicht die letzten sein, denn: Wie es um die 33 öffentlichen Wassernetze im Landkreis Augsburg bestellt ist, wird derzeit in einem Pilotprojekt genauer untersucht. Zwei- bis dreiköpfige Teams aus Mitarbeitern des Landratsamts und des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit haben bislang ein Dutzend Netze unter die Lupe genommen. Organisation und Technik standen im Vordergrund.
Ergebnis: Überall Beanstandungen – allerdings von unterschiedlicher Qualität. Zu verbessern gebe es immer etwas, sagt Christine Hagen. Der leitenden Regierungsdirektorin am Augsburger Landratsamt untersteht das Gesundheitsamt. Ihren Angaben zufolge stießen die Kontrolleure auf leichte Mängel – und echte Probleme. „Da war die ganze Klaviatur dabei.“Hinzu kommt: Die Vorschriften sind schärfer als früher, die Untersuchungsmethoden genauer geworden.
Nach Angaben des Branchenverbandes VBEW müssen im Freistaat in den nächsten Jahren bis zu 15 Prozent der Abwasserkanäle und Trinkwasserleitungen saniert werden – und das wird für die betroffenen Bürger teuer, weil die Ausgaben dafür rasch in die Millionen gehen. In Dinkelscherben zum Beispiel ist ein sechs Millionen Euro teures Sanierungsprojekt aufgelegt, das über Beiträge und Gebühren wieder eingespielt werden muss. Bobingen hatte aufgrund laufender Sanierungen erst zum Jahresende die Preise kräftig erhöht. Besonders bitter: Jetzt kommen die Kosten fürs
Chlor noch obendrauf. Die sollen allein in
Dinkelscherben bei
10 000
Euro pro
Woche liegen.