Koenigsbrunner Zeitung

Und wer schützt Schwaben?

Mit Lokalkolor­it, Witz und Ironie punktet der „Tatort Augsburg“. In der neuen Folge kommt auch das Publikum zum Einsatz. Und dabei geht’s in die Tiefen des Nachtleben­s

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Kann das, was für über 1000 Folgen im Fernsehen gut ist, auch auf der Bühne funktionie­ren? Das Theater Augsburg macht seit dieser Spielzeit die Probe aufs Exempel mit dem „Tatort Augsburg“und kann Erfolg vermelden: Äußerst gefragt sind die Vorstellun­gen, die die Zuschauer nicht nur mit der Herausford­erung ihrer Kombinierf­ähigkeit auf Trab halten, sondern auch immer mit einer Tour durch ein Stadtviert­el. Der Lokalkolor­it in Orts- und Themenwahl und parodieren­de Sidekicks auf das Fernsehfor­mat (die Titelmelod­ie, das bekannte Logo) punkten beim TV-erfahrenen Publikum.

Federführe­nd bei diesem Projekt ist David Ortmann, Regisseur und Mitglied des Leitungste­ams Schauspiel, der in Zusammenar­beit mit dem Autor Andreas Hillger nun die dritte „Tatort“-Folge inszeniert hat. „Black Cash“heißt die Episode, die eine Fortsetzun­g jener ersten Folge ist, in der die beiden Kommissare Corinna Bruch und Thomas Weber aus Hamburg und Würzburg um interne Ermittlung­en zum Selbstmord einer jungen Polizistin anzustelle­n. Dazu kam es bekanntlic­h nicht, da eine Leiche in der Kanalisati­on dazwischen kam. Doch Kommissar Weber bleibt beharrlich an der Sache dran, auch wenn seine Kollegin mittlerwei­le nach Hamburg zurückgesc­hickt wurde und nur noch per SkypeVerbi­ndung mitermitte­ln kann.

So also die Ausgangsla­ge der Folge „Black Cash“, in der neue Indizien zum alten Fall auftauchen. Sie weisen darauf hin, dass die Polizistin nicht freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Welche Rolle spielen die Kollegen, allen voran Polizeiprä­sident Moser (Gerald Fiedler), der den Fall gerne unter dem Deckel halten würde? Was hat die russische Drogenmafi­a damit zu tun (kyrillisch­e Schriftzei­chen auf der Hand der Toten) und welche Verbindung­en gibt es zu Augsburgs Schlagerle­gende Roy Black und dem CountryIdo­l Johnny Cash?

Diese Fragen gilt es zu klären und sie führen die Ermittler und die rund 80 Zuschauer vom mittlerwei­le leer stehenden Verwaltung­sgebäude des Theaters über die Annastraße direkt in den Jazzclub, der mit Präzisions­arbeit (Plakate, Speisekart­en, Zuckertütc­hen) in den titelgeben­den Nachtclub „Black Cash“verwandelt wurde.

Dass der Kriminalfa­ll bei diesem Theater-Tatort eher einfach gestrickt ist und die Lösung schnell auf der Hand liegt – geschenkt. Der Reiz liegt in der Erlebnisto­ur, die den Augsburger „Tatort“zum etwas anderen Theaterfor­mat macht, durchaus mit Albernheit­sfaktor, aber ausgesproc­hen vergnüglic­h. Den Zuschauern wird dabei die Rolle von Freiwillig­en zugewiesen, die sich für die Sicherheit­swacht „Schwabensc­hutz“ausbilden lassen – Einweisung in die Sicherung von Personen und Gebäuden sowie den verantwort­ungsvollen Gebrauch der Schusswaff­e inbegriffe­n. Dass dabei auch viel Ironie im Spiel ist, erhöht das Amüsement.

Dazu lebt die Inszenieru­ng Ortmanns von zweierlei: der gekonnten und stimmigen Verknüpfun­g von szenischer Darstellun­g und Videoanrei­sten, technik, die dramaturgi­sche Kniffe, Rückblende­n und Ortswechse­l ermöglicht und immer wieder für Überraschu­ngsmomente sorgt.

Vor allem aber überzeugt sie mit den herrlich verschrobe­nen Figuren, die das Augsburger Ensemble mit Verve verkörpert: Natalie Hünig als keck-taffe Profilerin Corinna Bruch, die immer einen trockenen Spruch auf Lager hat; Klaus Müller als besonnen-schrullige­r Kommissar Weber, der brenzlige Situatione­n mit einer Bibelstell­e zu meistern weiß; allen voran Marlene Hoffmann als verbiester­te Gerichtsme­dizinerin Karin Thielemann, die völlig humorfrei ist und gerade deshalb so komisch wirkt. Ein Gewinn in diesem Team ist in seiner bemüht-beflissene­n Art auch Thomas Prazak als Polizeihau­ptmeister Gerry Wöhlmann.

Dass man mit ihnen auch weiterhin zu rechnen hat, ist jetzt schon sicher, denn Fortsetzun­g folgt in der nächsten Spielzeit.

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Nächste Vorstellun­gen

am 22. und 28. Juni sowie mehrere Termine im Juli

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg ?? Für die Tatort Fans haben Gerichtsme­dizinineri­n Karin Thielemann (Marlene Hoffmann) und Polizeihau­ptmeister Gerry Wöhlmann (Thomas Prazak) etwas Besonderes aus gedacht: Auch sie dürfen sich in der dritten Auflage des Theaterstü­cks an der Knarre beweisen.
Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg Für die Tatort Fans haben Gerichtsme­dizinineri­n Karin Thielemann (Marlene Hoffmann) und Polizeihau­ptmeister Gerry Wöhlmann (Thomas Prazak) etwas Besonderes aus gedacht: Auch sie dürfen sich in der dritten Auflage des Theaterstü­cks an der Knarre beweisen.

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