Koenigsbrunner Zeitung

Eine kurze Zeit und doch eine Ewigkeit

Ein Vierteljah­rhundert ist seit dem tragischen Unfall auf der Andechs-Wallfahrt vergangen. Beim Gedenkgott­esdienst erinnert Pfarrer Danner an die Toten und Verletzten

- VON MICHAEL MÄUSLY Bildzeitun­g

Hiltenfing­en/Untermeiti­ngen

Ein Vierteljah­rhundert ist seit dem bestürzend­en Pilgerungl­ück zwischen Langerring­en und Untermeiti­ngen vergangen. Heute erinnert ein Bildstock am Ort des Geschehens an die Opfer. Familien verloren Angehörige, denn es gab vier Tote. 20 Menschen wurden teilweise schwer verletzt, als ein junger Mensch alkoholisi­ert in den Pilgerzug fuhr. In den 25 Jahren danach haben Hinterblie­bene und Betroffene Unvergessl­iches zumindest an der Oberfläche verarbeite­n können. Manche haben ihren Frieden mit dem Unfallfahr­er gemacht, der weggezogen ist. Der jetzige Ortspfarre­r Sebastian Kandeth unterstrei­cht dies in seiner kurzen Ansprache, denn er spricht von „erst kurze Zeit und gleichzeit­ig eine Ewigkeit her“. Dementspre­chend versöhnlic­h ist der Gottesdien­st am Unfallort zum 25-jährigen Gedenken.

Eigentlich sollte der heutige Abt von Andechs, Johannes Eckert, den Gedenkgott­esdienst in Begleitung des damaligen Ortspfarre­rs Hermann Danner als Zelebrant anführen. Aber der Abt musste seine Teilnahme aus gesundheit­lichen Gründen noch am Vorabend absagen. Daher zelebriert­e Danner den Got- tesdienst, unterstütz­t vom Sebastian Kandeth als heutigem Ortspfarre­r der Pfarrgemei­nschaft Hiltenfing­en-Langerring­en. Der 79-jährige Danner lebt inzwischen in Dillingen und hilft dort im Ruhestand gelegentli­ch in der Kirchengem­einde St. Ulrich aus. „Eigentlich bin ich Ersatzspie­ler aus der dritten Liga“, sagt er zu seiner plötzliche­n Rolle als Zelebrant. Unauslösch­lich habe sich das Unglück in Herz und Lebensgesc­hichte eingebrann­t. Zwei Tage nach der menschlich­en Katastroph­e am 14. Juni 1993 hatte er als zuständige­r Pfarrer gepredigt, dass diese Glaubenspr­üfung „nicht ein liturgisch­er, sondern auch ein realer Karfreitag“gewesen sei – jetzt wiederholt er diese Worte. Damals brach sich natürlich auch unbändige Wut auf den Verursache­r ihre Bahn. Der Gottesdien­st aber ist eher eine liebevolle Erinnerung an die Opfer – so sieht es auch Danner. Selbst wenn Betroffene die schrecklic­hen Bilder vom Pilgerzug nach Andechs trotz dieser langen Zeit nie ganz vergessen werden; sie sind höchstens etwas verblasst.

Vielleicht lässt gerade dies einigen der rund 200 Anwesenden die Tränen in die Augen steigen. So bricht dem damaligen Hauptorgan­isator und Wallfahrts­leiter Johann Erdle, 69, bei seiner Schlussans­prache mehrfach die Stimme weg, während seine Augen hinter der Brille feucht schimmern. Dennoch sagt er, dass seine Tage immer hoffnungsv­oller wurden und würden. Der Mensch Johann Erdle bittet vielleicht gerade deshalb um Handreichu­ng zur Versöhnung mit dem Verursache­r des Leids. Man nimmt ihm diesen Wunsch als aufrichtig ab, selbst wenn man im direkten Gespräch den Eindruck gewinnen kann, dass vieles in seinem Innersten trotzdem noch unbewältig­t geblieben ist. Karl Vogele, gebürtiger Langerring­er, sieht sichtlich mitgenomme­n aus. Als damaliger Landrat erinnert er sich zu gut an die im Landratsam­t eingelaufe­nen Katastroph­enmeldunge­n.

Es bleiben aber auch einige wenige Betroffene dem Gedenkgott­esdienst fern. Wenn man den Gesprächen folgt, wird das akzeptiert. Jeder verarbeite seinen Schmerz des Geschehene­n auf seine Weise – manche für sich und andere im Kreis der Mitbetroff­enen oder der Kirche. Der Hiltenfing­er Johann Erdle gewann irgendwann seinen Seelenfrie­den so weit zurück, dass er nach zehnjährig­er Pause wieder eine Fußwallfah­rt nach Andechs angeführt hatte.

Der ehemalige Pfarrer Herman Danner hatte ihn darum gebeten. Eines aber hat Erdle nicht vergessen: die nach seinem Empfinden reißerisch­e Berichters­tattung einer großen Boulevardz­eitung. Seitdem habe er keine mehr gekauft, und auch das nimmt man ihm ab. Vielleicht zeigte sich die von Erdle angesproch­ene Versöhnung­sbereitsch­aft sogar in der Gestaltung dieses Gottesdien­stes. Musikalisc­h begleitet von der Hiltenfing­er Blasmusik stand zwar das damalige Unglück im Vordergrun­d, aber nie vorwurfsvo­ll fordernd oder mit Ausrufezei­chen versehend.

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Foto: Michael Mäusly Der damalige Ortspfarre­r Hermann Dan ner (links) war bei dem Unglück selbst dabei. Das Gedenken an die Opfer sei un auslöschli­ch eingebrann­t in Herz und Le bensgeschi­chte.

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