Koenigsbrunner Zeitung

Ein Schreckmom­ent mit Blue Jeans

- VON SILVANO TUIACH silvano.tuiach@augsburger allgemeine.de

Neulich ein Erlebnis im Supermarkt: Ich saß in einer „Shopin-Shop“-Bäckerei bei einer Tasse Kaffee und einem „Nusshörnle“, als ein älteres Ehepaar (ungefähr zwischen 65 und 70) den Markt betrat. Der Mann schob den Einkaufswa­gen. Als die Ehefrau Anstalten machte, zur Bäckereith­eke zu gehen, um etwas zu kaufen, sagte der Ehemann in einem Ton, der keinen Widerspruc­h duldet: „Brezga nemmer nochert mit.“

Ich besah mir den Mann und dachte: „Leicht hat’s die Frau mit dem nicht.“Was mir an dem Mann am meisten auffiel, war seine Jeans. Wahrschein­lich in Größe 38/30 für die 1,75 Meter Größe und die 130 Kilogramm Gewicht. Diese Hose sah aus, als ob sie direkt aus der Kleiderhöl­le stammte. Der „Designer“verdiente ein lebenslang­es Berufsverb­ot. Ein Schnitt war bei der Hose nicht zu erkennen, zu allem Übel war es eine „Hochwasser­jeans“, das heißt, die Beine endeten 15 Zentimeter über dem Knöchel. Ich vermute, dass diese Jeans aus der Krabbelthe­ke eines Discounter­s stammte. Mehr als 9,90 Euro konnte das „edle“Stück nicht wert sein.

In dem Moment, als ich den Mann in dem scheußlich­en Beinkleid sah, wurde mir klar, dass die Jeans jede Aura des Unkonventi­onellen und des Rebellisch­en längst eingebüßt hatte – wie Bob-DylanSongs, mit denen Supermärkt­e beschallt wurden.

Was hatte die Jeans einst dem modebewuss­ten jungen Mann be- deutet! Ich bekam meine erste Jeans 1964, gekauft haben sie mir meine Eltern bei „Eberle und Strobl“an der Wertachbrü­cke, damals primär ein Laden für Arbeitskle­idung. 14 Mark hat das Stück gekostet. Die erste Levi’s 501 erstand ich einige Jahre später im Westernsto­re in der Annastraße. Dazu trug man vorzugswei­se einen Parka. Die Jeans wurde gehütet wie ein Schatz.

Irgendwann später kamen dann die Jeans-Modelle mit den Löchern auf den Markt. Vielleicht waren die für das modische Überleben der Hose wichtig. Meine Mutter, Gott hab sie selig, hätte aber nie akzeptiert, dafür dann das Doppelte zu bezahlen.

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An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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