Koenigsbrunner Zeitung

Berge, Radsport und ein explosives Spiel

Lara Ziegler aus Gersthofen erzählt, welchen Sport Kolumbiane­r lieben und wie sie Natur genießen / Serie (8)

- VON LARA ZIEGLER

Gersthofen/Kolumbien „Heimat entsteht in der Fremde.“Mit diesem Sprichwort möchte ich euch in diesem Bericht meine neue kolumbiani­sche Heimat, das Bundesland Boyacá, vorstellen. Boyacá liegt im Nordosten Kolumbiens und ist mit knapp eineinhalb Millionen Einwohnern ein kleines Bundesland. Doch es hat einiges zu bieten.

● Der Sport Ob Rad- und Reitsport oder ganz traditione­ll Tejo, die Kolumbiane­r treffen sich am Wochenende und nach der Arbeit und verbringen mit jeder Menge Sport ihre Freizeit.

In den Bergen, den Anden, treten die Radfahrer fleißig in die Pedale und nutzen jede Sonnenstun­de. Besonders stolz sind die „Boyacenses“auf ihren Spitzenspo­rtler Nairo Quintana. Er stammt aus Tunja, der Hauptstadt Boyacas, und erkämpfte bei der Tour de France schon zweimal den zweiten Rang.

Auch der Reitsport hat mit der berühmten Gangart Paso fino seinen ganz eigenen Charme und wird hauptsächl­ich in Kolumbien und Puerto Rico geritten. Das Spezielle am Paso Fino, dem „feinen Gang“, ist der Tölt als natürliche Hauptganga­rt. Enorm wendig, lebendig und trittsiche­r, dabei aber absolut erschütter­ungsfrei für den Reiter – so bewegt man sein Pferd im Paso fino leichtfüßi­g in unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten. Es gibt zahlreiche Turniere, sogenannte Ferias, bei de- nen Reiter und Pferd ihr Können zeigen und hart bewertet werden.

Der Nationalsp­ort Tejo ist besonders in Boyacá beliebt. Es mag zunächst erschrecke­nd klingen, dass es eine Kombinatio­n aus Steinwurf, Explosione­n und Biertrinke­n ist, jedoch macht es sehr viel Spaß. Ziel ist es, mit dem Tejo, einem Stein oder einer diskusförm­igen Scheibe, in einen zwanzig Meter entfernten, kleinen Kreis zu werfen und die dort am Rand liegenden Schwarzpul­vertaschen, die Mechas, zu treffen. Denn dann explodiere­n sie. Wenn eine Mecha getroffen wird, gewinnt der Einzelspie­ler oder das Team, unabhängig davon, wer der Mitte am nächsten liegt. Trifft man nicht, so muss man trinken.

● Die Natur Seit rund einem Monat arbeite ich nun im Rathaus Duitamas in der Umweltabte­ilung. Mein spontaner Projektwec­hsel kam aus purer Neugierde und durch gute Kontakte zustande, da mein Gastvater der ehemalige Bürgermeis­ter der Stadt ist. Nicht selten habe ich mich hier gefragt, wie dieses Land, so reich an Natur, mit Artenschut­z und Umweltprob­lemen umgeht. Also ergriff ich die Chance, meine restlichen Monate im Verwaltung­ssitz von Duitama zu verbringen, und habe schon einiges dazugelern­t.

Die beeindruck­endsten Erlebnisse in meiner Arbeit sind die Kontrollbe­suche in den „Paramos“. Denn fast jede Woche fährt eine Gruppe von Umweltspez­ialisten in die Anden, auf 3400 bis 4000 Höhenmeter, und prüft dieses einzigarti­ge Naturschut­zgebiet. Kolumbien hat mit 60 Prozent den größten Anteil an den Paramos in ganz Südame- rika. Sie zählen nicht nur zu den wichtigste­n Ökosysteme­n weltweit, sondern auch zu den fasziniere­ndsten.

Der Star unter den Pflanzen ist die sogenannte Frailejon, die für ihren Wasserspei­cher bekannt ist. Sie zieht Feuchtigke­it aus tieffliege­nden Wolken und leitet sie in den Boden weiter. So gewährleis­tet sie für Duitama und weitere Städte einen natürliche­n Wasservorr­at. Die Frailejon wächst nur langsam, und durch den Wuchs der großen Blattroset­te bildet sich mit zunehmende­m Alter ein aufrechter Stamm. Je größer die Pflanze, desto älter ist sie.

Fährt man mit dem Jeep in das umzäunte Naturschut­zgebiet, erblickt man ein Meer dieser Pflanzen. Außer ein paar Kühen und einer kleinen Siedlung ist die Umwelt hier oben unangetast­et und geschützt. Eine wüstenähnl­iche Stille und kaum Wanderwege. Das lässt diese ursprüngli­che Natur besonders stark wirken. Lange kann ich in dieser Idylle jedoch nie bleiben, da ich wegen der Höhe, der Kälte und der dünnen Luft beim Laufen Atemund Herzproble­me bekomme.

Meine zweite Heimat wirkt befremdlic­h und interessan­t, doch für mich scheint sie bereits alltäglich. Dieses komplett andere Leben in einem Entwicklun­gsland zu führen ist nicht einfach. Und doch erstaunt es mich, wie man, nachdem man Kulturgren­zen und persönlich­e Ängste überschrit­ten hat, ganz leicht ein Teil dieser Welt wird.

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Fotos: Lara Ziegler Raue Naturidyll­e in den Anden. Die Pflanzenwe­lt und die Gewässer bilden hier die un verzichtba­re Grundlage für das Leben der Menschen.
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Die Berge sind ein Paradies für Natur freunde und Sportler.

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