Koenigsbrunner Zeitung

Hochbegabt, aber kein Musterschü­ler

Richie Patel ist mit 16 Jahren einer der jüngsten Abiturient­en. Der Weg dahin war für Eltern und Lehrer nicht immer einfach. Mit drei Jahren addierte er Zahlen bis 284, in der sechsten Klasse hackte er das Schulsyste­m

- VON CLAUDIA DEENEY

Mein Kind ist seltsam, dachte Mama Heidi Patel schon sehr früh. Im zarten Alter von drei Jahren hatte sie ihrem Sohn zur Beschäftig­ung eine Magnettafe­l mit den dazugehöri­gen Zahlen geschenkt. 1 + 1 = 2, 1 + 2 = 3 rechnete der Dreikäseho­ch, als sie das Kinderzimm­er verließ. „Als ich kurze Zeit später zurückkam, war er bei 284 angelangt“, erinnert sich die Mutter lachend im Gespräch mit unserer Zeitung.

Damals war ihr und ihrem Mann Minesh gar nicht so zum Lachen zumute, denn neben seiner Hochbegabu­ng im Bereich der Mathematik und allem, was sonst mit Zahlen zu tun hat, wie Informatik, wollte oder konnte Richie nicht schlafen. Um drei Uhr in der Früh war Schluss, und das war für die Eltern natürlich eine anstrengen­de Zeit. Zumal ja auch noch Schwester Nina (heute 15 Jahre) kurz nach ihm auf die Welt kam. Als die beiden klein waren, haben sie sich oft gestritten, heute verstehen sie sich gut, erzählen sie. Nina ist in der neunten Klasse im Gymnasium Königsbrun­n und ihr Bruder hilft ihr auch mal in Mathematik. Das kann er ziemlich gut und locker, denn obwohl er nur etwas über ein Jahr älter ist, hat er jetzt schon das Abitur in der Tasche und in Mathe, Englisch und Informatik jeweils 14 Punkte erreicht, was der Note 1 entspricht.

Wobei ihn die Punktzahl in Informatik wirklich ärgert, denn da war er immer der Beste und hätte gerne auch im Abitur die Höchstpunk­tezahl 15 geschafft. „Da bin ich echt nicht so glücklich, sonst bin ich mit meinem Schnitt von 1,9 insgesamt schon sehr zufrieden“, sagt der 16-Jährige und grinst.

Im Interview wirkt er recht reif für sein Alter, sehr sympathisc­h und humorvoll, genau wie der Rest der Familie. Mama und Papa lachen denn auch gleich los, als die Reporterin über Richie staunt. Sie sagen: „Sie müssten mal sein Zimmer sehen, das schaut genauso aus wie bei allen anderen Jugendlich­en auch, nur wenn die Freundin kommt, wird aufgeräumt.“

Auch ein Musterschü­ler sei er nie gewesen, schon beim Einschulun­gstest mit fünf Jahren sagte die Lehrerin: „Was soll ich denn mit dem Kind machen, das kann ja schon alles, lesen, schreiben und rechnen.“Die frühe Einschulun­g erfolgte in erster Linie aufgrund seines Geburtsdat­ums, nämlich der 30. September 2001, und so lag er noch im üblichen Stichtagsr­ahmen.

Er habe dann in der ersten Klasse schnell die Lust verloren, mit dem Radiergumm­i gespielt, war abgelenkt und hat nicht mehr aufgepasst. „Wir hatten dann einige Gespräche wegen individuel­ler Förderunge­n und einen Test im Josefinum, um den IQ von Richie zu messen“, erzählt Minesh Patel. Dabei kam heraus, dass dieser im mathematis­chen Bereich weit höher liegt als normal und auch der Kinderarzt sagte zu den Eltern: „Verabschie­den Sie sich von der Vorstellun­g, dass Sie ein normales Kind haben.“

Bereits nach den Weihnachts­ferien kam Richie dann in die zweite Klasse und ab da ging es aufwärts. Er hatte sowieso immer schon mit den älteren Kindern in der Nachbarsch­aft gespielt und fühlte sich dementspre­chend wohl in der neuen Klasse. „Streber“, das hat er sich im Leben schon ab und zu mal anhören müssen, aber gar nicht so oft.

Dass er so jung ist, wissen viele Mitschüler wahrschein­lich gar nicht, auch dass seine Mutter Heidi Lehrerin am Gymnasium Königsbrun­n ist, dürfte den meisten seiner Mitabituri­enten nicht bewusst sein.

In der Abizeitung stoßen sie für ihn auf seine Zukunft an, da er ja selbst keinen Alkohol vertrage, und bescheinig­en ihm eine durchaus sportliche Ader, obwohl er viel in seinem Keller am Computer hocke. Auch eine Anekdote aus der sechsten Klasse wird dort ausgeschla­chtet. Da war es Richie anscheinen­d wieder mal etwas langweilig und so hatte er im Informatik­unterricht immer wieder das System gehackt. Und dafür einen Verweis erhalten mit dem etwas verzweifel­ten Text des zuständige­n Lehrers: „Bitte helfen Sie mit, Ihrem Sohn klar zu machen...“.

Heute kann der Lehrer wahrschein­lich darüber lachen, genau wie seine Eltern und er selbst. Den Verweis haben sie aufbewahrt und zeigen ihn auch freimütig her. Die Familie ist stolz auf Richie, der seinen Weg ziemlich zielbewuss­t fortsetzen möchte. „Das noch recht neue Studienfac­h Medizinisc­he Informatik an der Universitä­t in Augsburg, das interessie­rt mich, da werde ich mich in den kommenden Tagen einschreib­en.“

Am heutigen Freitag bekommt er zusammen mit seinen Abi-Kollegen 2018 die Abiturzeug­nisse vom Gymnasium Königsbrun­n offiziell überreicht und Richies Familie wird selbstvers­tändlich mit dabei sein. Und danach den jungen Abiturient­en gebührend feiern.

 ?? Foto: Claudia Deeney ?? Richie Patel (vorne) ist mit 16 Jahren einer der jüngsten Abiturient­en. Deshalb haben seine stolzen Eltern gemeinsam mit Schwester Nina Luftballon­s mit „Abi 2018“auf der Veranda aufgehängt.
Foto: Claudia Deeney Richie Patel (vorne) ist mit 16 Jahren einer der jüngsten Abiturient­en. Deshalb haben seine stolzen Eltern gemeinsam mit Schwester Nina Luftballon­s mit „Abi 2018“auf der Veranda aufgehängt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany