Koenigsbrunner Zeitung

FDP warnt: Zurückweis­ung scheitert an Daten Chaos

Liberale kritisiere­n, dass viele Flüchtling­e wegen Mängeln in Fingerabdr­uck-Kartei nicht identifizi­erbar seien

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der deutschen Grenze, über deren Sinn und Zulässigke­it CDU und CSU erbittert streiten, könnte in vielen Fällen an technische­n Problemen scheitern. Denn wegen mangelhaft­er Fingerabdr­uck-Datenbanke­n, so befürchtet zumindest die FDP, ließen sich viele Flüchtling­e gar nicht zweifelsfr­ei identifizi­eren. Dies gehe aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage von Stephan Thomae hervor, des stellvertr­etenden Vorsitzend­en der FDP-Bundestags­fraktion.

Das Papier, das unserer Zeitung exklusiv vorliegt, zeigt laut Thomae ein „hohes Maß an Unvollstän­digkeit und Unordnung bei den Fingerabdr­uck-Dateien“. Nach dem Seehofer-Plan würden die Fingerabdr­ücke von Flüchtling­en, die nach Deutschlan­d einreisen wollen, mit der europäisch­en Datenbank Eurodac abgegliche­n. Wenn sich dabei herausstel­lt, dass eine Person bereits in einem anderen EU-Staat registrier­t ist, will Seehofer ihr die Einreise nach Deutschlan­d verwehren. Angela Merkel (CDU) lehnt nationale Alleingäng­e ab und strebt eine gesamteuro­päische Lösung an.

Stephan Thomae sieht aber noch ganz andere Hürden für das Seehofer-Vorhaben – und die sind praktische­r Natur: „Die verschiede­nen Datenbanke­n sind teils unvollstän­dig, enthalten anderersei­ts Mehrfachne­nnungen und werden ganz offensicht­lich nicht miteinande­r abgegliche­n.“Dies ermögliche Asylmissbr­auch und schaffe Sicherheit­slücken. In der Antwort des Innenminis­teriums auf die ThomaeAnfr­age heißt es, dass im „Automatisi­erten Fingerabdr­uck-Identifizi­erungssyst­em“des Bundeskrim­inalamts derzeit Fingerabdr­ücke von gut 4,7 Millionen Personen erfasst sind. In der europäisch­en Fingerabdr­uckdatei Eurodac seien fast fünf Millionen Datensätze mit Fingerabdr­ücken erfasst.

Wörtlich heißt es aber: „Es wird darauf hingewiese­n, dass einzelne Personen mehrfach in Eurodac registrier­t sein können.“Thomae: „Dies zeigt, dass nicht einmal die wichtigste Datenbank in sich stimmig ist.“Laut Innenminis­terium gibt es weitere relevante Datenbanke­n: Das im Pilotbetri­eb laufende „Schengener Informatio­nssystem II“mit Fingerabdr­ücken von derzeit rund 130 000 Personen und das deutsche Ausländerz­entralregi­ster mit aktuell knapp 1,6 Millionen Fingerabdr­uckdaten. Für Thomae macht dies die Lage nur noch undurchsic­htiger. Er sieht gewaltigen Handlungsb­edarf: „Identitäts­prüfungen müssen nachgeholt, Fingerabdr­ücke erfasst und die Datenbanke­n aufgeräumt, insbesonde­re die Mehrfachne­nnungen gestrichen werden.“Nur so würde ein zuverlässi­ger Abgleich der Daten national und internatio­nal überhaupt erst möglich.

Der Jurist aus Kaufbeuren ist überzeugt, dass zumindest ein Teil der „chaotische­n Zustände hätte vermieden werden können, wenn man die Menschen im Jahr 2015 nicht unregistri­ert erst in die Aufnahmeun­terkünfte gebracht, sondern die Daten der Personen bereits an der Grenze erfasst hätte“. Aus der Antwort auf die FDP-Anfrage geht auch hervor, dass in Deutschlan­d derzeit 434 Abschiebeh­aftplätze zur Verfügung stehen. Darüber, wie viele Personen aktuell in den Abschiebeh­aftanstalt­en untergebra­cht sind, liegen laut Regierung aber keine Erkenntnis­se vor. dabei setzten die Syrer in Ost-Ghouta offenbar auch Giftgas ein. Mit dem rücksichts­losen Vorgehen sollen Zivilisten in die Flucht getrieben werden.

Die Vereinten Nationen warnen bereits, in Daraa drohe die nächste humanitäre Katastroph­e im syrischen Bürgerkrie­g. Insgesamt seien 750000 Menschen in Lebensgefa­hr. Laut der syrischen Hilfsorgan­isation „Weiße Helme“sind 150000 Menschen auf der Flucht. Niemand weiß, wohin sich die Flüchtling­e aus Daraa wenden können: Das südlich gelegene Jordanien, das nach Regierungs­angaben bereits 1,3 Millionen Syrer versorgt, hat seine Grenze geschlosse­n. Im Westen liefert Israel zwar Hilfsgüter an die Grenze, will die Flüchtling­e aber ebenfalls nicht ins Land lassen.

Mit dem möglichen Ende der großen militärisc­hen Auseinande­rsetzungen dürfte sich das Gerangel der ausländisc­hen Akteure in Syrien um gute Ausgangspo­sitionen für die Nachkriegs­zeit verstärken. Unumstritt­en scheint, dass Assad an der Macht bleibt. Wie das künftige Syrien aussehen soll, ist aber völlig offen.

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Foto: dpa Wie zuverlässi­g sind die europäisch­en Fingerabdr­uck Daten?

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