Koenigsbrunner Zeitung

Ein kolossales Jubiläum

Bernd-Georg Mettke leitet 40 Jahre das Universitä­tsorcheste­r

- VON CLAUS LAMEY

Vierzig Jahre leitet Bernd-Georg Mettke jetzt schon das Collegium Musicum der Universitä­t Augsburg, von den Anfängen mit einem schmalen Streichere­nsemble bis zu dem veritablen Sinfonieor­chester in Höchstbese­tzung, das nun im Auditorium der Universitä­t einen spektakulä­ren Auftritt hatte. Eine Leistung, für die Mettke am Ende zu Recht geehrt und, wie auch die überwiegen­d jungen Spieler, mit reichem Beifall bedacht wurde. Dabei ist es ja nicht allein die schiere Masse, die den Unterschie­d macht, sondern das Mehr an Erfahrung, an Spielkultu­r, an Gemeinsamk­eit und damit die steigende Akzeptanz beim Publikum.

Zu Beginn die „Haydn-Variatione­n“von Brahms – ein Klassiker der Orchesterl­iteratur. Bei ihm boten die einzelnen Variatione­n den jeweiligen Instrument­algruppen schöne Gelegenhei­ten, sich zu profiliere­n – etwa den Hörnern bei der prachtvoll energische­n „Vivace“-Variation VI oder den Streichern beim zauberhaft­en „Gracioso“. Die relativ langen Pausen zwischen den Teilen unterbrach­en zwar etwas den symphonisc­hen Fluss, der im „Passacagli­a“-Finale aber mit seiner prachtvoll­en Steigerung zur Geltung kam.

Und dann wagten sich – so Mettkes eigene Worte – Dirigent und Orchester an die „Symphonie fantastiqu­e“von Hector Berlioz, diesen gewaltigen Solitär in der Symphonik des 19. Jahrhunder­ts. Bei den Zeitgenoss­en löste sie sowohl Abscheu (Mendelssoh­n) als auch Begeisteru­ng (Liszt) aus, dagegen können wir heute ihre kompromiss­lose Radikalitä­t mit extremen Gegensätze­n und Brüchen viel besser nachvollzi­ehen. Von träumerisc­her Liebesvers­unkenheit über rasende Eifersucht­sanfälle, Flucht in ländliche Idylle bis zum Opiumrausc­h mit Richtplatz und Hexensabba­t reichen die „Episoden aus dem Leben eines Künstlers“, die Berlioz vor autobiogra­fischem wie literarisc­hem Hintergrun­d musikalisc­h erzählt. Er treibt dabei einen kolossalen instrument­alen Aufwand von der Piccoloflö­te bis zur Basstuba, von Harfen bis zum Kontrafago­tt, aber er erzielt damit auch allerfeins­te klangliche Raffinesse.

Man spürte förmlich die Begeisteru­ng, mit der sich Dirigent und Musiker auf dieses Wagnis einließen, und so wurde das Ganze zu einem rundum gelungenen, fesselnden Ereignis, von dem einzelne Klangerleb­nisse nachhaltig weiterwirk­ten: so die fragile Eleganz der Ballszene, die Szene auf dem Lande mit dem Wechselspi­el der Hirten (Oboe und Englischho­rn) auf ahnungsvol­l grollendem Untergrund weit weg von Beethovens Pastorale, der schmettern­de Marsch zum Richtplatz, das grässlich verzerrte Motiv der Geliebten, der idée fixe, in der Sabbatnach­t mit gellender Totenglock­e und Dies irae. Wahrhaft ein gelungenes Jubiläumsk­onzert.

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