Koenigsbrunner Zeitung

Eine aufwühlend­e Spielzeit

Völlig reibungslo­s lief die neue Intendanz am Theater Augsburg nicht an. Am Ende aber steht der Klassenauf­stieg. Welche Weichen nun gestellt werden

- VON RÜDIGER HEINZE

Welch’ dramatisch­es Spiel auf dem Rasen – und hinter den Kulissen! So ließe sich, jetzt auf der Freilichtb­ühnen-Zielgerade­n, die vergangene Spielzeit des Theaters Augsburg sportlich umschreibe­n, diese erste Saison des künftig nicht mehr neuen Intendante­n André Bücker.

Ein neues Stadion musste eingespiel­t werden: der Martini-Park. Es gab Vereinsaus­tritte mit Verletzung­sfolgen (Sopranisti­n Cathrin Lange, Mezzosopra­nistin Kerstin Descher); insbesonde­re die maskulinen (Stimm-)Bänder waren mitunter überbeansp­rucht („Freischütz“). Und es fiel auch ein Eigentor. Aber gegen Saisonende hin, auch das muss protokolli­ert sein, klappte das holprig begonnene Zusammensp­iel besser – und eine unerwartet glückliche Image- und Finanzspri­tze stellte sich zusätzlich noch ein, sodass nicht nur der Klassenerh­alt gewahrt blieb, sondern sogar ein Klassenauf­stieg unmittelba­r bevorsteht. Die Anhänger aus der Fankurve rasen.

Zum Freuen ist es freilich, wenn ein kommunales Theater, dessen Sanierung eben noch auf der Kippe stand, urplötzlic­h zum Staatsthea­ter befördert wird und demnächst zusätzlich­e Landesmitt­el fließen. Wie lange ist es her, dass am Augsburger Theater eine vergleichb­ar hohe Aufbruchss­timmung herrschte? Wann jemals war die Attraktivi­tät des Hauses für Künstler, Zuschauer und Sponsoren höher als jetzt? Aber auch: Wann je war durch Rückenwind die realistisc­he Hoffnung auf Qualitätss­teigerung größer?

Die Augsburger Philharmon­iker als nun potenziell­es A-Orchester werden wohl als Erste durch den Aufstieg gewinnen – und gleichzeit­ig als die ersten Mitarbeite­r des Hauses künstleris­ch noch stärker Farbe bekennen müssen. Nicht nur Reichtum verpflicht­et, sondern auch Aufstockun­g. Dabei ist das Orchester schon in den letzten Jahren durch etlich virtuosen Nachwuchs deutlich besser geworden.

Diese Steigerung wird man von allen Abteilunge­n des Dreisparte­nhauses erwarten – zuvörderst von den Sängern und den immerhin 18 Schauspiel­ern, dazu von den Regisseure­n –, zumal die ablaufende Spielzeit ja auch in ihrer ersten Hälfte ein wenig durchwachs­en geriet und einige Schwächen offenbarte – bis hin zum Tiefpunkt der vorgeblich­en Oper „Primadonna“, die – man versteht nicht wie – aus dem Himmel in den Spielplan gefallen zu sein schien. Es war besagtes Eigentor, in dessen Folge auch der Spielplan 2018/2019 noch einmal überarbeit­et wurde.

Auch das Luther-Münzer-Drama und das „Fatzer“-Fragment konnten – bei aller Sympathie für diese Wagestücke – nur bedingt überzeugen. Beide wären in ihrer dialektisc­hen Denke prädestini­ert gewesen für eine Brechtstad­t-Kernkompet­enz. Freilich muss fairerweis­e in diesem Zusammenha­ng auch erwähnt werden, dass die Theatersan­ierungsbeg­leitumstän­de (Umzüge/ Ausweichsp­ielstätten) zunächst sicherlich nicht fördernd wirkten.

Sehr stark aber: „Das Kind träumt“auf der nun dichtgemac­hten Brechtbühn­e. Und hinreichen­d originell auch die „Tatort“-Schnitzelj­agden für Erwachsene – ein gut laufendes neues Format. Das Ballett wiederum, dem unter André Bücker ebenso wie dem Schauspiel ein Tick mehr Gewicht eingeräumt wird, stand vom Start weg gut auf der Matte. Vielleicht ist der „Schwanense­e“am Ende auch das bestbesuch­te Stück der Saison – neben dem „Fugger“-Musical jetzt auf der Freilichtb­ühne.

Und damit sind wir in der zweiten Spielzeit-Hälfte angekommen, die dann die ersehnte Konsolidie­rung brachte, in erster Linie durch die Oper „Solaris“als ein tragender, in sich geschlosse­ner Wurf – sowie durch den aufgedreht­en Shakespear­e-„Lärm um nichts“. Dieser „Lärm“scheint übrigens zusammen mit André Bückers „Peer Gynt“-Inszenieru­ng zum Spielzeit-Auftakt und zusammen mit dem LutherMünz­er-Stück (1. Teil) eine leichte dramaturgi­sche Vorliebe hin zur Präsentati­on von effektvoll-unterhalts­amem Theater zu zeigen.

Dass dann – ebenfalls in diesem Sinn – das Premieren-Finale „Herz aus Gold“auf der Freilichtb­ühne so gut funktionie­rte, wie es funktionie­rt, war – auch wegen des regionalen Themas – alles andere als eine von vornherein ausgemacht­e Sache gewesen. Gewiss, dieses identifika­tionsstift­ende Fugger-Musical ist nach allen präzise berechnete­n Regeln der Gattung entworfen, aber eben auch profession­ell umgesetzt worden. Der Zuschauer darf sich bei der erstaunlic­h tragisch gewendeten Story in seiner Ahnung bestätigt fühlen: Geld allein macht nicht glücklich. Also Ende gut, alles gut?

Wie wird es langfristi­g weitergehe­n am Theater, dessen Stiftungss­atzung derzeit nach dem Modell des Nürnberger Staatsthea­ters zwischen Augsburger Kulturrefe­rat und bayerische­m Kunstminis­terium entworfen wird? Hinter den Kulissen ist die Vertragsve­rlängerung von Generalmus­ikdirektor Domonkos Héja planmäßig ein Thema. Dass dieser hervorrage­nde Dirigent

Tatort und Schwanense­e liefen besonders gut

Die Vertragsve­rlängerung des GMD steht jetzt an

in der Stadt bleiben soll, ist sonnenklar – auch wenn es von einigen Seiten explizite Wünsche gibt, dass er sich nicht nur als Musiker, sondern auch als Führungsko­pf, also administra­tiv stärker einschalte­t. Ob es deswegen noch mal ein voller Fünfjahres­vertrag wird?

André Bücker und Domonkos Héja, die sich erst zusammenra­ufen mussten, sitzen in einem Boot, das künftig genau beobachtet und beurteilt werden wird – mit der Maßgabe: Wie gut können die beiden (miteinande­r) auch Staatsthea­ter? Schließlic­h spricht in Zukunft auch das Kunstminis­terium in München ein Wörtchen mit. Hohe künstleris­che Kraft ist – neben dankenswer­tem gesellscha­ftspolitis­chem Engagement des Ensembles – zweifellos vorhanden. Nun muss sie im Sinne des Publikums durchgängi­g Staatsthea­terwirkung entfalten.

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