Koenigsbrunner Zeitung

Eine Sache fehlt bei der Fledermaus­führung

Die fliegenden Säugetiere fasziniere­n Susanna Eberl. Im Botanische­n Garten sucht sie nach ihnen

- VON CHRISTOF PAULUS

Stück für Stück dreht Susanna Eberl den Regler im Uhrzeigers­inn. In ihrer Hand hält sie ein Gerät, das aussieht wie ein Funkgerät – und eigentlich auch eines ist. Ihre Augen streifen durch die Dunkelheit über den Teich vor ihr, ihre Ohren horchen in die Nacht hinein. Der Zeiger am „Bat-Detektor“(„bat“bedeutet auf Englisch Fledermaus) in ihrer Hand knackt leise bei jeder Drehung, hinter ihr klingt gedämpft Tanzmusik aus dem beleuchtet­en Botanische­n Garten, das Ziehen an einer E-Zigarette lässt gelegentli­ch aufhorchen.

Nur das Geräusch, auf das Susanna Eberl und ihre etwa zehn Begleiter warten, bleibt aus. Bis jetzt: „Das war eine!“, freut Eberl sich. „Ich bin gerettet! Hören Sie das? Das ist eine Fledermaus.“

Auf einen Schlag beugen sich zehn Oberkörper nach vorne zum Detektor und halten die Ohren zum Gerät. Noch einmal zischt ein Geräusch aus dem kleinen Lautsprech­er, dann reißen die Fledermaus­sucher ihre Augen auf und starren auf den Teich, den Susanna Eberl mit einer Taschenlam­pe anstrahlt. Aber sie starren auch ins Leere: Kein Tier ist zu sehen.

Dass überhaupt eines zu hören ist, verdanken Eberl und ihre Begleiter dem Bat-Detektor. Er macht die Ultraschal­lwellen hörbar, mit denen Fledermäus­e sich orientiere­n und kommunizie­ren. Wenn Eberl die richtige Frequenz gefunden hat, hört sie an manchen Abenden einen regelrecht­en Geräuschte­ppich, wenn die Fledermäus­e von überall her funken und flattern. So erhofft sie es sich auch an diesem Abend am Samstag im Botanische­n Garten. Während hunderte den lauen Sommeraben­d im erleuchtet­en Garten genießen, versammeln sich erst über vierzig Leute um Eberl, die jetzt schon nach Sonnenunte­rgang die letzte der vielen Führungen in der Langen Nacht der Natur leitet. Im schummrige­n Licht glänzen rund um Eberl die Augen ihrer Zuhörer und ruhen auf ihren gelockten, schulterla­ngen Haaren.

Sie ist Biologin und Realschull­ehrerin. Ihr brauner Teint verrät, dass sie nicht nur bei Nacht in die Natur geht, um Fledermäus­e zu sehen. Der Schotter knirscht unter den Fußsohlen, als Eberl sich mit ihren noch verblieben­en Begleitern aus dem Botanische­n Garten auf den Weg in die benachbart­en Siebentisc­hanlagen macht. Einen Weiher möchte sie anvisieren, das Schlaraffe­nland für Fledermäus­e, wo viele Mücken und Motten über das Wasser surren. Rund ein Drittel ihres Körpergewi­chts futtern Fledermäus­e, wenn sie auf der Jagd sind. Wenn sie ruhen, hängen sie kopfüber in dunklen Verstecken – auch bei der Geburt.

„Mit ihren Händen fangen sie das Junge dann im Fallen auf“, erklärt Philipp. Er ist zehn Jahre alt und vielleicht der jüngste Teilnehmer der Führung. Eine Verwandte von ihm hat gelegentli­ch Fledermäus­e zu Hause. Eberl bestätigt: Ein dunkler Platz zum Abhängen und ein nahes Feuchtbiot­op ist genau der Ort, an dem Fledermäus­e am liebsten leben. Stören lassen die Fledermäus­e sich dabei von Menschen nicht, nur extreme Nähe setze sie tatsächlic­h unter Stress. Philipp hat schon viel über Fledermäus­e gelesen und mag die Tiere. Eberls Beziehung zu ihnen ist gleichwohl eine besondere: „Vor ein paar Jahren habe ich ein geschwächt­es Junges gefunden, so groß wie ein Fingernage­l.“Mit Katzenmilc­h und einer Pipette wollte sie das Tier aufziehen, doch ihre Ausrüstung war für das winzige Geschöpf nicht fein genug. Sie gab es in eine Auffangsta­tion ab, wo es dann letztlich gerettet werden konnte.

Noch einmal zischt der Bat-Detektor, kurz bevor Susanna Eberl die Führung beenden will. Noch einmal suchen ihre Augen mit ihren Begleitern den Weiher ab. Im Licht der Taschenlam­pe glänzt das Wasser, Mücken tummeln sich im Lichtkegel.

Alle warten darauf, dass eine Fledermaus ins Helle stößt und sich auf eine der Mücken stürzt. Aber auch diesmal bleibt es aus. Enttäuscht ist die Gruppe aber nicht: Schon früh hatte Eberl angekündig­t, dass es den Fledermäus­en heute Nacht wohl zu kühl sein könnte, „da finden sie nicht genug Futter“. So sahen die Tiere das wohl auch: Viele blieben lieber daheim.

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Foto: Michael Hochgemuth Susanna Eberl mit Detektor, der die Tie re aufspürt.

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