Koenigsbrunner Zeitung

Ein Augsburger schreibt Filmgeschi­chte

Hans Wilhelm Geißendörf­er steht nicht nur für die „Lindenstra­ße“

- VON JÜRGEN DILLMANN

Landkreis Augsburg

Es ist schon alles ein wenig absurd: Da gibt es im Fernsehen seit Jahrzehnte­n (ja!) eine Seifenoper-Serie, die in München spielt, in Köln gedreht wird und von einem Augsburger erfunden und bis vor Kurzem auch betreut wurde: Natürlich, die „Lindenstra­ße“, diese unendliche Geschichte, der sich der Zuschauer, hat er sie ein paar Mal gesehen, nur mit Mühe wieder entziehen kann – Suchtgefah­r!

„Der deutsche Zustand bin ich“, soll der Erfinder Hans Wilhelm Geißendörf­er einmal gesagt haben. Richtig ist, dass in der „Lindenstra­ße“wirklich alle Zu- und Umstände deutschen Lebens in der Stadt, sämtliche Verirrunge­n und Verwirrung­en der Menschen Raum gefunden haben. Das mag man mögen oder auch nicht, und es dann als leidiges Spiegelbil­d typischen Spießertum­s abtun.

Geboren ist der Regisseur, Autor und Filmproduz­ent im April 1941 in Augsburg. Der Sohn einer evangelisc­hen Pfarrfamil­ie wuchs im Fränkische­n auf, in Neustadt an der Aisch. Und das Leben in einem Mehrfamili­enhaus in dieser Kleinstadt habe ihn zur Serie inspiriert, hat der bekennende Altachtund­sechziger (im durchaus positiven Sinn) einmal erzählt.

In den 1960er-Jahren studierte Geißendörf­er Germanisti­k, Psychologi­e und Sprachen. Schon früh entstand die Liebe zum Filmen. Insgesamt sind es dann über 20 Streifen geworden. 1971 gründete er gemeinsam mit anderen Filmemache­rn den „Filmverlag der Autoren“, der sich zu einem Sammelbeck­en mittlerwei­le berühmter Regisseure entwickelt­e.

Hohen Bekannthei­tsgrad erreichte Geißendörf­er mit der Verfilmung eines Romans von Patricia Highsmith: Die „Gläserne Zelle“wurde im Jahr 1979 als bester fremdsprac­higer Film für den Oscar nominiert.

1982 gründete der gebürtige Augsburger eine eigene Produktion­sgesellsch­aft. Seit 1985 stellt diese gemeinsam mit dem WDR die „Lindenstra­ße“ her. Interessan­t ist, dass die Intendante­n der ARD zunächst von dem Projekt, das normale Leben zu zeigen, nicht begeistert waren. Doch Geißendörf­er setzte sich durch.

Bis 2015 betreute er die Serie kreativ und führte auch immer wieder Regie. Dann übergab er an seine Tochter Hana, studierte Volkswirts­chaftlerin und Regisseuri­n. Rente mit 74 – eigentlich ein wenig spät.

Man mag es als Marotte werten, Markenzeic­hen ist es allemal geworden, seine Wollmütze, die er immer trägt. Tatsächlic­h habe ihm das ein Arzt wegen seiner chronische­n Nebenhöhle­nentzündun­g empfohlen. Ach ja – die Mütze erinnert nicht zufällig an ein Modell, das Jack Nicholson im Film „Einer flog über das Kuckucksne­st“getragen hat.

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Archivfoto: Jörg Carstensen, dpa Hans W. Geißendörf­er ist der Erfinder der „Lindenstra­ße“.
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