Koenigsbrunner Zeitung

Dieses Finale hat alles, um ein großes zu werden

Kroatien gegen Frankreich wird ein Duell der Gegensätze. Der Favorit hat es mit deutschen Tugenden ins Finale geschafft, der Außenseite­r mit Teamgeist

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Bevor ich meine Vorfreude auf dieses Endspiel mit Ihnen teile, möchte ich ein paar Worte zum WM-Ausrichter Russland loswerden. Es war eine schöne WM, in beeindruck­enden Stadien und in herzlicher Atmosphäre. Und ohne prügelnde Hooligans, die mir schon bei manchem Turnier die Freude am Fußball getrübt haben.

Die Menschen in diesem Land waren großartige Gastgeber – ich rede von den ganz normalen Menschen, denen die Fans aus aller Welt begegneten und danach durchweg von deren Herzlichke­it und Gastfreund­schaft schwärmten. Die Wirkung von Zigtausend­en dieser unscheinba­ren Begegnunge­n darf man nicht geringschä­tzen.

Wie sagten die Nachrichte­nsprecher früher immer am Ende der Sendung? „...und nun zum Sport.“So soll es sein, also: Auf die Finalpaaru­ng zu wetten, dazu hätte es Mut gebraucht. Man kannte das Potenzial der Franzosen, durfte aber zweifeln an ihrer Stabilität. Im Vergleich dazu ist die Tatsache, dass die Kroaten noch immer nicht im Urlaub sind, ein kleines Wunder. Eigentlich sind die Deutschen noch gar nicht raus – sie sind dabei am Sonntag, in blauen Trikots. Denn so wie die Franzosen auftrumpfe­n, sind früher gute deutsche Nationalma­nnschaften aufgetrete­n. Sie können verteidige­n, sie haben Willen, geben nie auf und steigern sich von Spiel zu Spiel eine Turnierman­nschaft!

Und dann Kroatien: Lassen wir mal die Fragwürdig­keit manchen Liedguts und auch die allzu kräftigen Ausschläge auf der Skala des Nationalis­mus (gab es so etwas nicht auch 1954 in Bern?) beiseite. Dann sehen wir eine Mannschaft, die einen Romantiker wie mich mit vielem versöhnt, was einem der moderne Fußball zumutet.

Was macht diese Mannschaft aus, dass sie umso viel besser ist als die Summe ihrer Einzelteil­e? Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass Kroatien mehr individuel­le Klasse auf dem Platz hat als Deutschlan­d. Aber wenn die Herren Löw, Bierhoff und Grindel bei ihrer Aufarbeitu­ng etwas Zeit gewinnen wollen, dann sollten sie sich die Spiele der Kroaten anschauen. Dann sehen sie viel von dem, was der deutschen Elf gefehlt hat.

Mario Mandzukic zum Beispiel. Auf den letzten Metern seiner Laufbahn, die Bayern wollten ihn nicht mehr, Atletico auch nicht, und bei Juve spielt er auch nicht immer. Er spürt die Last seiner 32 Jahre; als es im Halbfinale 1:1 steht, hat er Krämpfe. Und dann ist er plötzlich wach und spritzig, er gewinnt diesen Sprint und setzt den Ball mit seiner ganzen Klasse dahin, wo er hin muss. Und jetzt schauen Sie noch mal, wie die dann jubeln und sich miteinande­r freuen. Das hat nichts mit Geld zu tun, nichts mit der Aussicht auf Ruhm.

Nein, diese Jungs holen sich ihre Ressourcen und ihr Teamgefühl aus dem Stolz eines kleinen Landes, das sehr viel hinter sich gebracht hat und das nur überstande­n hat, weil sie diesen Zusammenha­lt, dieses Gemeinscha­ftsgefühl haben. Das leben sie jetzt aus im Sport.

Ohne Ausnahmefu­ßballer würde das aber auch nicht reichen, aber sie haben ja Modric. Der war gegen die Engländer lange gar nicht da, aber dann er hat noch mal was mobilisier­t. Er ist der mannschaft­sdienlichs­te Superstar, den ich lange gesehen habe. Die Modrics haben übernommen; Spieler, die für die Mannschaft spielen, anstatt zu verlangen, dass die Mannschaft für sie da sein muss.

Das ist eine Erkenntnis dieser WM – gibt es andere? Vielleicht ein paar altbekannt­e. Zum Beispiel die vom Teamgeist, der alles begrenzt oder alles erweitert. Oder die Bedeutung einer guten Defensive: Wenn man gut verteidigt, kann es auch der Kleine dem Großen schwer machen. Ich freue mich auf das Endspiel! Favorit gegen Außenseite­r, Jung gegen Alt, Kämpfer gegen Spieler – dieses Finale hat alles, um ein großes zu werden.

Marcel Reif, 68, kommen tierte zahlreiche Fußball spiele. Der gebürtige Pole erhielt dafür den Deut schen Fernsehpre­is.

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