Kirchen hoffen auf ein Wunder
Zahl der Mitglieder schrumpft drastisch
Köln Die Gegend westlich von Köln, das waren eigentlich immer Rübenfelder und katholische Kirchen. Herz-Jesu-, St.-Martins- und Dreifaltigkeitskirchen. 1698 soll es hier keinen einzigen Nichtkatholiken gegeben haben. Doch nach einer Projektion des Erzbistums Köln werden in zehn Jahren im gesamten Kreisdekanat Euskirchen nur noch 930 Menschen die Sonntagsmesse mitfeiern. Diese Zahl muss ein Schock sein für jeden Katholiken. Denn Euskirchen ist überall.
„Nichts ist Gott unmöglich, nicht einmal, dass er die Mitgliederzahlen der Kirchen wieder ansteigen lässt“, sagt der Religionssoziologe Detlef Pollack. „Statistisch gesehen käme das allerdings schon einem Wunder gleich.“Allein im vergangenen Jahr 2017 haben die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland insgesamt 660 000 Mitglieder verloren. 54 Prozent der deutschen Bevölkerung gehören jetzt noch zu einer der beiden Kirchen. 2005 waren es noch 62 Prozent. „Unser ganzer Laden wirkt ein wenig überaltert“, muss selbst der Kölner Kardinal Rainer Woelki eingestehen.
Und die Jugend? „Die Jugend wird so wenig im Glauben erzogen, wie das in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nie der Fall war“, sagt Pollack. Daran können die Kirchen nach übereinstimmender Auffassung von Religionssoziologen wenig ändern. Es ist eben einfach nicht mehr so wie früher, als man ganz selbstverständlich in der Kirche groß wurde. In der pluralistischen Welt des Westens macht die Kirche nur ein Angebot von vielen. Ihre Lehren und Rituale sind vielen Deutschen mittlerweile ebenso fremd wie der Islam oder der Hinduismus. Viele sagen: „Ich kann auch ohne die Kirche glauben.“Allerdings umfasst der Glaube dann wenig mehr als die Vermutung, „dass da etwas ist“. „Wo die Kirchenbindung sich abschwächt, verlieren auch christliche Glaubensinhalte und Gebote an Überzeugungsund Motivationskraft“, meint der Autor Andreas Püttmann.
Hängen die Kirchen noch zu sehr an alten Ritualen wie dem sonntäglichen Gottesdienst? „Vielleicht“, sagt Pollack. „Aber was sollten sie sonst tun? Auch noch die alten Rituale aufgeben?“Bei der Umstrukturierung ist in den nächsten Jahren Kreativität gefragt. Die Laien werden dabei zwangsläufig mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Christoph Driessen, dpa