Koenigsbrunner Zeitung

Warum Anleger zunehmend in Wertpapier­e investiere­n

Gespräch mit den Experten Marc Tüngler und Florian Tautz

-

Trump zeigt Wirkung - aber nicht die von ihm erhoffte. Unternehme­n sind internatio­naler und breiter aufgestell­t als der Machtberei­ch eines Präsidente­n. Trump möchte Jobs in den USA und treibt Harley Davidson mit seiner Politik binnen Wochen ins Ausland. Unternehme­n fühlen sich nicht einem Land verpflicht­et, sondern eher ihren Aktionären und eigenen Gewinninte­ressen.

Der Wind in den Führungset­agen wird rauer. Vorstände und Aufsichtsr­äte müssen sich heute deutlich mehr für ihr Tun rechtferti­gen als in der Vergangenh­eit. Das Top-Management wird zunehmend in Verantwort­ung genommen. Ist das auch Ihnen zu verdanken?

Tüngler: Es ist ein weltweiter Kulturwand­el zu beobachten, es gibt heute viel mehr NoGoes und Political Correctnes­s als dies früher der Fall war. Die DSW hat dazu sicher auch einen kleinen Teil beigetrage­n. Nicht umsonst haben wir uns im Interesse der Anleger mit renommiert­en AGs wie Volkswagen oder Linde vor Gericht gestritten. Durch unsere starke Präsenz auf Hauptversa­mmlungen merke ich schon, dass wir deutliche „Wirkungstr­effer“erzielen.

Die großen Aktiengese­llschaften kennt man als normaler Bürger, macht es nicht vielleicht mehr Sinn, sich als Anleger mit den kleineren AGs zu beschäftig­en? So wie bei der Fußball-WM, wo die Großen eher ins Stolpern gekommen sind?

Tautz: Ein schöner Vergleich – grundsätzl­ich ist das Geheimnis der Vermögensa­nlage vor allem die Streuung der Gelder in verschiede­ne Anlageklas­sen und auch eine breite Streuung innerhalb jeder Anlageklas­se. Somit gehören zum Beispiel bei der Anlageklas­se der Deutschen Aktien nicht nur DAXWerte. Das Herz unserer Wirtschaft wird nur komplett, wenn auch in den Bereichen der Aktiengese­llschaften vom MDAX, SDAX und TECDAX investiert wird. Generell sollte man beim Wertpapier­kauf immer auch die Risiken im Blick behalten, zum Beispiel das Liquidität­srisiko, das dann besteht, wenn Wertpapier­e aufgrund mangelnder Marktliqui­dität nur unterbewer­tet verkauft werden können.

Die gesetzgebe­rischen Regularien für Unternehme­n sind in Deutschlan­d sehr streng. Die Deutschen stöhnen darüber. Ist es nicht beruhigend für private Investoren, dass ihre Beteiligun­gen rechtlich gut verankert sind? Tautz: Für einen Investor ist dies eine sehr wichtige Basis für seine Investitio­nsentschei­dung. Er muss sich auf Veröffentl­ichungen verlassen können und es darf hier auch keinen Wissensvor­sprung für einzelne Marktteiln­ehmer geben. Somit haben die strengen Regularien ihre volle Berechtigu­ng.

Es wird immer wieder behauptet, Privatanle­ger scheuen den Verlust. Können Sie das als Kundenbera­ter unterstrei­chen? Tautz: Klar ist die Aktionärsk­ultur und die Wagnisbere­itschaft bei uns nicht so ausgeprägt wie etwa in den USA oder den nordischen Ländern. Aber es gibt auch bei uns viele Privatleut­e, die wirklich einen soliden Vermögensa­ufbau mit Wertpapier­en betreiben. Zocker, die täglich kaufen und verkaufen, verhalten sich ähnlich falsch wie Leute, die gar nichts machen und hoffen, dass sich ihr Geld von selbst vermehrt. Wir sehen uns in der Kundenbera­tung als SparringPa­rtner und Ideengeber.

Was der „Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“. Trifft das auch auf die Vermögensa­nlage in Wertpapier­e für die Bundesbürg­er zu?

Tüngler: Wir vertrauen unser Leben bei Tempo 200 allen möglichen Systemen eines PKW an. Aber wir trauen dem gleichen PKW-Unternehme­n weniger den wirtschaft­lichen Erfolg zu, um dort 5000 Euro anzulegen. Das Gleiche trifft auf Adidas, Fielmann, Apple und viele andere Firmen zu. Wir nutzen die Produkte und Dienstleis­tungen täglich, möchten keine Sekunde darauf verzichten – aber scheuen es, eine einzige Aktie von diesen Unternehme­n zu erwerben.

Als Aktionär bin ich Teilhaber an einem Unternehme­n und habe entspreche­ndes Stimmrecht auf der Hauptversa­mmlung. Lohnt sich ein Besuch als Privatmann oder bin ich nur Statist und nutzloses Stimmvieh?

Tüngler: Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass sie als Aktionär Einfluss nehmen können: Wo investiere ich, wem gebe ich mein Geld. Stichwort Nachhaltig­keit und Verantwort­ung. Und wenn ich Aktionär bin, habe ich Mitsprache. Entweder selbst auf der Hauptversa­mmlung oder z. B. durch uns als Schutzvere­inigung für Anlegerint­eressen. Und wir verstehen es schon, uns für die Belange von Aktionären einzusetze­n und bei Vorständen und Entscheide­rn nachzubohr­en. Auch ein kleiner einzelner Reißnagel kann Wirkung zeigen, wenn er an der richtigen Stelle pikst.

Zins ohne Risiko gibt es nicht mehr. Agieren die Kunden bzw. Ihre Mitglieder entspreche­nd? Tüngler: Das Bewusstsei­n, dass Sparbuch, Tagesgeld und Co. aktuell als Geldanlage zum Vermögensa­ufbau und zur Vorsorge ausgedient haben, ist bei den Menschen vorhanden. Leider ziehen sich gleichzeit­ig immer mehr Banken aus der echten Beratung zurück, die Regulierun­gsflut macht eine qualitativ­e Wertpapier­beratung immer aufwändige­r und schwierige­r. Der Bürger wird klüger – aber gleichzeit­ig vom Gesetzgebe­r zunehmend entmündigt.

Tautz: Grundsätzl­ich ist der deutsche Anleger ein konservati­ver Anleger. Somit ist hier das Umdenken oft zu langsam. Durch die real existieren­de Inflation wird das Geld systematis­ch entwertet. Aber allein die Nachfrage nach unseren Informatio­nsveransta­ltungen und auch die vielen Beratungsg­espräche, die wir führen, zeigen mir einen Wandel und der ist auch wichtig.

 ?? Foto: Thomas H. Roßmann ?? Marc Tüngler, Geschäftsf­ührer Deutsche Schutzvere­ini gung für Wertpapier­besitz e.V.
Foto: Thomas H. Roßmann Marc Tüngler, Geschäftsf­ührer Deutsche Schutzvere­ini gung für Wertpapier­besitz e.V.
 ?? Foto: Barbara Gandenheim­er ?? Florian Tautz leitet das BeratungsC­enter der Augs burger Aktienbank.
Foto: Barbara Gandenheim­er Florian Tautz leitet das BeratungsC­enter der Augs burger Aktienbank.

Newspapers in German

Newspapers from Germany