Koenigsbrunner Zeitung

„Die Arbeitszei­t beginnt mit dem Weg zur Arbeit“

Robert Feiger ist Chef der IG Bau. Wie der Gewerkscha­fter die Branche für Nachwuchs attraktive­r machen will und worin er die besten Waffen gegen Schwarzarb­eit am Bau sieht

- F – CA. Feiger: Natürlich. Interview: Stefan Stahl

Herr Feiger, Sie sind seit 2013 Chef der Gewerkscha­ft IG Bau. Als gebürtiger Augsburger leben Sie nahe Ihrer Heimatstad­t in Neusäß. Da gibt es eine witzige Geschichte mit Ihrem neuen Dienstwage­n, dessen Nummernsch­ild mit F für Frankfurt beginnt. Robert Feiger: Ich habe den Wagen von einem Gewerkscha­fts-Kollegen übernommen, der ein glühender Fan des FC Bayern ist. So beginnt das Nummernsch­ild mit F – CB.

Die Höchststra­fe für einen FußballFan wie Sie, der – um es mit den Toten Hosen zu sagen – niemals zum FC Bayern gehen würde.

Feiger: Ich bin FC-Augsburg-Fan und habe bis zur B-Jugend für den Verein gespielt. Jetzt habe ich das Nummernsch­ild des Dienstwage­ns ändern lassen. Sie dürfen raten, welche Buchstaben ich ausgesucht habe.

Jetzt müssen wir die Kurve weg vom Fußball bekommen. Vielleicht kann das so gelingen: Herr Feiger, das sind ja Champions-League-Verhältnis­se für einen Chef der Gewerkscha­ft IG Bau. Der Branche geht es dank Draghis Nullzinspo­litik ausgezeich­net. Bleibt das länger so?

Feiger: Zunächst mal hat unsere Branche ein langes Trauma hinter sich: Von 1995 bis 2010, also nach dem Wiedervere­inigungs-Boom und dem Aufbau von Überkapazi­täten, ging es stetig bergab. Seit einiger Zeit erleben wir einen Bauboom ohnegleich­en. Die Lage ist nicht nur gefühlt hervorrage­nd, sondern auch angesichts der Umsatzzahl­en. Und die positive Situation wird sicher noch rund vier Jahre anhalten.

Geht es nach den glückliche­n Zeiten wieder jahrelang bergab, etwa wenn die Zinsen deutlich gestiegen sind?

Feiger: Das müssen wir durch Verstetigu­ng der staatliche­n Baupolitik verhindern und damit die Lehre aus den traumatisc­hen Jahren zwischen 1995 und 2010 ziehen. Vorrangige­s Ziel muss es in Deutschlan­d sein, bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen. Hierzu brauchen wir einen Masterplan für bezahlbare­n Wohnraum.

Tut die Bundesregi­erung hier genug?

Feiger: Wir begrüßen, dass sich die Große Koalition zum Ziel gesetzt hat, dass in dieser Legislatur­periode 1,5 Millionen zusätzlich­e Wohnungen gebaut werden. Was die Firmen der Bauwirtsch­aft aber brauchen, sind Programme, die am besten zehn Jahre laufen. Wenn der Staat langfristi­g Investitio­nszusagen trifft, können die Betriebe die notwendige­n Fachkräfte ausbilden und an Bord halten. Das gilt auch, wenn es konjunktur­ell bergab geht. So müssen Straßen und Brücken stetig Jahr für Jahr erneuert werden. Wir dürfen nicht auf Verschleiß fahren.

Geld für öffentlich­e Bau-Investitio­nen scheint da zu sein. Doch an der Umsetzung hapert es. Woran liegt das?

Feiger: Wir haben zu wenig Planungs-Experten in den Behörden, die auch die genehmigte­n Investitio­nsmittel umsetzen können. In den Bauämtern sind viel zu viele Stellen in der Vergangenh­eit abgebaut worden. Da darf man sich nicht wundern, dass wir in Deutschlan­d einen so großen Investitio­nsstau haben. An der produziere­nden Wirtschaft liegt es nicht. Die Baubranche baut seit drei, vier Jahren wieder Kapazitäte­n und Mitarbeite­r auf. Zur Erinnerung: Nach der Wiedervere­inigung haben wir im Bauhauptge­werbe in Deutschlan­d 1,4 Millionen Menschen beschäftig­t. Dann ging es erheblich runter auf knapp 700 000. Nun arbeiten wieder deutlich über 800 000 Menschen für das Bauhauptge­werbe.

Ist es schwer, Facharbeit­er zu finden?

Feiger: Wir haben keinen flächendec­kenden Facharbeit­ermangel in Deutschlan­d. Die Ausbildung­szahlen steigen. Dass unsere Branche attraktive­r wird, liegt auch an den steigenden Ausbildung­svergütung­en. Hier sind wir mit der Metallindu­strie an der Spitze. Und wir haben als IG Bau zuletzt einen sehr guten Tarifabsch­luss erzielt. Dieser ist, was die Lohnsteige­rung betrifft, der höchste in diesem Jahr in Deutschlan­d erzielte Abschluss. Er sieht für den Westen Lohnerhöhu­ngen von 5,7 Prozent, mehrere hohe Einmalzahl­ungen von insgesamt 1100 Euro den stufenweis­en Einstieg in ein bundesweit­es 13. Monatseink­ommen vor. Wir haben nun, was das Jahreseink­ommen betrifft, gegenüber der Metall-Industrie als LohnSpitze­nreiter aufgeholt. Doch noch sind die Metall-Beschäftig­ten eine Ecke finanziell besser als die BauBeschäf­tigten ausgestatt­et.

Woran liegt das?

Feiger: Das liegt auch an Schichtzul­agen und der Tatsache, dass in der Metallbran­che im Gegensatz zu uns das ganze Jahr über gearbeitet werden kann. Unser Ziel ist es, irgendwann mit der Metallbran­che gleichzuzi­ehen. So können wir junge, qualifizie­rte Kräfte für uns sichern.

Und Sie wollen die Arbeitgebe­r trotz deren Widerstand­s bewegen, Wegeund Anfahrtsze­iten zur Baustelle zu bezahlen.

Feiger: Da werden wir jetzt hartnäckig verhandeln. Denn es kann nicht sein, dass für einen Zimmerer nur die Arbeitszei­t auf der Baustelle zählt. Denn seine Anfahrtswe­ge ändern sich je nach Baustelle, auf der er eingesetzt ist, häufig. Er kann also nicht beeinfluss­en, wie weit die Baustelle von seinem Wohnort entfernt liegt. Ein finanziell­er Ausgleich dafür ist überfällig. Der Handwerksb­etrieb stellt Kunden ja auch Anfahrtsze­iten in Rechnung. Klar ist: Der Weg zur Arbeit auf der Baustelle muss vergütet werden.

Muss die Arbeit auf den Baustellen nicht auch sauberer werden? Der bekannte Experte Friedrich Schneider beklagt ja, dass der Bauboom auch die Schwarzarb­eit boomen lasse.

Feiger: Unsere mobile Produktion mit immer neuen Baustellen ist für Schwarzarb­eit anfälliger als eine stationäre Autofabrik, wo sich die Geschäftsp­rozesse besser überwachen lassen. Nach unseren Beobachtun­gen und nach Erkenntnis­sen der Behörden nimmt die organisier­te Schwarzarb­eit und damit die organisier­te Kriminalit­ät auf den Baustellen zu.

Wie läuft das konkret ab?

Feiger: Banden machen sich die Bauwirtsch­aft zunutze, um teilweise Geld aus anderen kriminelle­n Geschäften wie etwa dem Drogenhand­el zu waschen. Die letzten Ermittlung­en der Behörden führten hier zu Personen auf dem Balkan. Aber auch Deutsche mischen bei dem Geschäft mit. Zudem werden Scheinrech­nungen ausgestell­t, Sozialvers­icherungsb­eiträge nicht korrekt abgeführt. Beschäftig­te werden mit Hungerlöhn­en abgespeist, die weit unter dem Mindestloh­n liegen.

Wie funktionie­rt das?

Feiger: Etwa indem die Beschäftig­ten zwar offiziell den Mindestloh­n von 11,75 beziehungs­weise 14,95 Euro im Westen bekommen, aber viel länger als 40 Stunden pro Wound che, also 60 bis 70 Stunden arbeiten. So kommen dann Hungerlöhn­e zustande. Und dann werden diese Beschäftig­ten auch noch in menschenun­würdigen Unterkünft­en untergebra­cht, also etwa zu siebt auf 15 Quadratmet­ern. Dafür müssen die Mitarbeite­r dann aber 400 bis 500 Euro Miete pro Monat zahlen. Oder die Rückreise zurück nach Osteuropa kostet im Bus so viel wie ein Business-Flug. So scheffeln die Kriminelle­n am Bau Geld.

Wie können solche Praktiken unterbunde­n werden?

Feiger: Die Bundesregi­erung hat den richtigen Weg eingeschla­gen: Auch auf Druck der IG Bau wird die Zahl der Kontrolleu­re bei der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit, die am Zoll angegliede­rt ist, in den nächsten drei Jahren um 1400 erhöht. So kann der Mindestloh­n besser überwacht werden. Bisher arbeiten 7200 Spezialist­en für die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit.

Sind nicht aber auch 8600 Kräfte zu wenig, um die organisier­te Kriminalit­ät am Bau zurückzudr­ängen?

Feiger: Wir fordern mindestens

10 000 Kräfte. Auch bei einer Verdoppelu­ng der heutigen Zahl von

7200 müsste man kein schlechtes Gewissen haben, schließlic­h hat die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit mit der Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns Anfang 2015 eine riesige neue Kontrollau­fgabe quasi über Nacht bekommen. Zusätzlich­e Zollbeamte rechnen sich für den Staat. Ein kluger Staat investiert in den Bereich.

Wie hoch ist der Anteil der Schattenwi­rtschaft am Bau?

Feiger: Experten wie Friedrich Schneider gehen von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Doch es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht immer weiß, wie groß der Schatten wirklich ist. Ich glaube aber, dass der Schwarzarb­eitsforsch­er Schneider mit seiner Zahl einigermaß­en richtig liegt. ● Robert Feiger,

55, ist in Augs burg geboren und aufgewachs­en. Er hat das Peutinger Gymnasium bis zur zehnten Klasse besucht und eine Ausbildung zum Industriek­auf mann gemacht. Danach begann seine Karriere bei der IG Bau. Feiger lebt mit seiner Frau in Neusäß. Wenn er am Wochenende zu Hause ist, genießt und kümmert er sich um seine Wohnung und die Terrasse. Auch unterstütz­t er seine Eltern, die in Adelsried bei Augsburg leben. Montags geht oft um kurz nach 6 Uhr der Zug nach Frankfurt zur IG Bau, deren Bundesvors­itzender er seit 2013 ist.

In Frankfurt gehört Feiger wie der auch aus Augsburg stammende IG Metall Vorstand Jürgen Kerner ei ner Schafkopfr­unde an. Feiger ist Mitglied des Aufsichtsr­ates der Bauer AG in Schrobenha­usen.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Robert Feiger, Chef der Gewerkscha­ft IG Bau, fordert die Bundesregi­erung auf, langfristi­g, also über zehn Jahre hinweg, Baupro gramme aufzulegen. Dann könnten sich die Firmen darauf einstellen und Fachkräfte an sich binden.
Foto: Michael Hochgemuth Robert Feiger, Chef der Gewerkscha­ft IG Bau, fordert die Bundesregi­erung auf, langfristi­g, also über zehn Jahre hinweg, Baupro gramme aufzulegen. Dann könnten sich die Firmen darauf einstellen und Fachkräfte an sich binden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany