Koenigsbrunner Zeitung

Die Mühlen klappern nicht mehr

Von tausenden Mühlen, die es in Bayern gab, ist heute nur mehr ein Prozent übrig. Die Besitzer werden kreativ, damit die historisch­en Räder nicht für immer stillstehe­n

- Elena Koene, dpa

Krailling

Beim Jawort sei er meistens dabei – wenn auch im Hintergrun­d, sagt August Linner und blickt lächelnd auf das Mühlrad hinter ihm, das sich gemächlich im Wasser dreht. Schließlic­h finde er es immer wieder aufs Neue schön, wenn in seiner Mühle geheiratet wird, sagt der 68-Jährige. Seine Mühle – die Linnermühl­e – steht südlich von München in Krailling (Landkreis Starnberg) idyllisch an einem Seitenarm der Würm und ist mittlerwei­le eine Rarität. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg begann in ganz Deutschlan­d das, was umgangsspr­achlich als „Mühlenster­ben“bezeichnet wird.

„Von vormals über 4500 Mühlen in Bayern ist nur etwas mehr als ein Prozent übrig geblieben“, sagt Josef Rampl, Geschäftsf­ührer beim Bayerische­n Müllerbund. Wie viele aktive Mühlen es in Bayern gibt, lässt sich laut Rampl nicht exakt sagen. „Aber die Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung hat 56 Mühlen gelistet, die mehr als 1000 Tonnen Getreide pro Jahr vermahlen – also noch eine Marktbedeu­tung haben“, sagt der Geschäftsf­ührer. Rampl schätzt, dass in Bayern noch etwa 120 Mühlen Getreide

Die Mühle abzureißen kam nicht in Frage

verarbeite­n – ein Großteil aber nur noch im Nebenerwer­b.

Die Linnermühl­e gehört nicht zu diesen 120 Exemplaren – das letzte Mal wurde hier schon vor mehr als 40 Jahren gemahlen. „Damals hat mein Vater aus wirtschaft­lichen Gründen die Müllerei aufgegeben“, sagt Linner. Bis 2006 versorgte die Mühle dann noch das danebenste­hende Sägewerk im Familienbe­trieb, doch als auch dieses stillgeleg­t und anschließe­nd abgerissen wurde, hatte das Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t ausgedient. Und Linner musste sich entscheide­n: Die Mühle stilllegen und sich selbst überlassen oder das Gebäude restaurier­en und schauen, was sich daraus ergibt. Die Mühle abzureißen und lukrative Wohnungen auf das Grundstück zu bauen, kam damals wie heute nicht in Frage. „Das Gebäude steht unter Denkmalsch­utz und der Grund ist kein Bauland“, sagt Linner. „Also habe ich die Mühle zwei Jahre lang restaurier­t.“Geholfen hat dabei das Amt für Denkmalsch­utz – sowohl bei der Beratung, was überhaupt gemacht werden darf, als auch finanziell. Einen Restbetrag hat Linner selbst investiert, bis unter anderem Dach erneuert, die Fassade neu gestrichen und die Fenster teilweise ausgetausc­ht waren. Innen ist fast alles beim Alten geblieben – auch wenn die Rutschen und Mahlsteine nicht mehr in Betrieb sind.

Linner ist in Bayern längst nicht der Einzige, der seine Mühle erhalten will. Ein eigener Verein – der Bayerische Landesverb­and für Mühlenkund­e und Mühlenerha­ltung – unterstütz­t die Besitzer der Gebäude. „Wir betreuen etwa 105 Mühlen in ganz Bayern, helfen bei historisch­er Recherche, bringen Mühlenfreu­nde zusammen, unterstütz­en Käufer und bündeln auf unserer Webseite Informatio­nen über die Mühlen“, sagt Geschäftsf­ührer Hans Georg Walzer. Er schätzt, dass von den Mühlen im Verband nur noch eine Handvoll tatsächlic­h Mehl produziert, „80 bis 90 Stück laufen nur noch aus Idealismus oder wurden noch nicht abgerissen, weil sie unter Denkmalsch­utz stehen“, sagt Walzer. Damit die Besitzer der historisch­en Gebäude finanziell nicht draufzahle­n, sind einige kreativ geworden: Sie stellen die Mühlen für Veranstalt­ungen zur Verfügung, bauen sie zu kleinen Museen aus, öffnen Ökoläden und verkaufen den Strom, der durch die Wasserkraf­t entsteht. „Die Einspeisev­ergütung ist sicherlich für die meisten die größte Einnahmequ­elle“, sagt Walzer.

Auch das Mühlrad der Linnermühl­e produziert Strom: „Dieser reicht für etwa 20 Familien“, sagt Linner. Unter anderem versorgt die Mühle auch sein Haus nebenan. Dass in den Gemäuern auch Hochdas zeiten und Konzerte sowie Vorträge stattfinde­n, war vor rund zehn Jahren die Idee der Gemeinde. Der gelernte Müller sagte sofort zu, seitdem kommen neben Musikern, interessie­rten Gruppen, Vortragend­en und Zuhörern auch Heiratswil­lige in die alte Mühle. Anfangs waren es nur ein paar Trauungen pro Jahr. Mittlerwei­le hat sich die schöne Kulisse in und um München rumgesproc­hen und es finden jede Woche mehrere Zeremonien zwischen den historisch­en Getreidemü­hlen statt. Für Linner sind die Hochzeiten und Veranstalt­ungen eigentlich mehr Hobby als Arbeit. „Ich bin in Rente und eigentlich täglich an der Mühle – und das sehr, sehr gerne. Ich bin ja mit der Mühle und am Wasser groß geworden“, sagt er.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? August Linner, pensionier­ter Müller, liebt seine Mühle. Das letzte Mal wurde hier vor 40 Jahren gemahlen. Heute wird an dem idyl lischen Plätzchen geheiratet.
Foto: Peter Kneffel, dpa August Linner, pensionier­ter Müller, liebt seine Mühle. Das letzte Mal wurde hier vor 40 Jahren gemahlen. Heute wird an dem idyl lischen Plätzchen geheiratet.

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