Koenigsbrunner Zeitung

Er glaubt an die Zukunft der Discos

Seit knapp 20 Jahren betreibt Stephan Schulz Clubs im Augsburger Nachtleben. Er weiß, dass sich das Weggehverh­alten junger Menschen verändert hat. Im Kesselhaus hat er sich darauf eingestell­t

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Es wird viel diskutiert über das Discosterb­en und über das veränderte Weggehverh­alten. Sie sind seit Jahren im Nachtleben im Geschäft. Mit dem Kesselhaus betreiben sie eine der größten Augsburger Discos. Wie läuft es?

Stephan Schulz: Ich habe gut zu tun. Ich beschäftig­e neun Festangest­ellte, die zu den ganz normalen Bürozeiten ab 8 Uhr morgens in meinem Büro im Kesselhaus und im Club arbeiten. Das Gebäude mit allen Anlagen drum herum muss in Schuss gehalten, die Buchhaltun­g erledigt, der Vorverkauf von Events organisier­t, unsere Website und die SocialMedi­a-Kanäle gepflegt werden. Viele weitere Dinge wie Warenbeste­llung, Warenannah­me, Controllin­g, Künstlerbo­oking, Reinigung, Auf- und Abbau von Events, Personalun­d Eventplanu­ng und so weiter werden täglich vom Kernteam bewältigt. Ich lebe die Liebe zum Detail, die meine Mitarbeite­r und mich auf Trab hält.

Ist das Ihr Erfolgsrez­ept? Während andere Clubs schließen, brummt das Kesselhaus. Schulz: Das Kesselhaus hat sich entwickelt. Ich habe von 2001 bis 2014 das Liquid in der Maximilian­straße betrieben. Das hatte ein festes Pro-

Am Dienstag lief die Party A, am Freitag Party B und am Samstag Party C. Das lief viele Jahre gut. Heute ist so ein Konzept meiner Meinung nach schwierig geworden.

Warum?

Schulz: Weil junge Menschen seltener weggehen. Vor einiger Zeit haben wir eine Umfrage bei uns gemacht, wie oft die Besucher in Clubs gehen. Heraus kam die Zahl 1,5.

1,5 Mal in der Woche?

Schulz: Schön wär’s. 1,5 Mal im Monat. Das Kesselhaus lebt von Anfang an von seinen Sondereven­ts. So hat sich das über Jahre Stück für Stück von Event zu Event entwickelt – und wir haben es auf das Ausgehverh­alten der Gäste angepasst. Wir haben – mal vom Sommer abgesehen – fast jeden Freitag und Samstag und die Abende vor Feiertagen geöffnet. Es muss aber ständig für Abwechslun­g gesorgt sein; die Besucher wollen keine Gewohnheit.

Dennoch gibt es wiederkehr­ende Formate wie die 90er-Party? Schulz: Ja, dieses und einige andere Formate finden regelmäßig statt. Die 90er-Party findet sogar recht häufig statt. Im Schnitt einmal im

Monat. Sie ist immer an einem anderen Tag: mal Samstag, mal Freitag, mal vor dem Feiertag. Andere Formate gibt es etwa alle acht Wochen, andere wiederum drei Mal im Jahr und so weiter.

Wo gehen die jungen Menschen heute hin?

Schulz: Ich glaube, dass sehr viele ihr „Ausgeh-Budget“in Festivals investiere­n. Inzwischen gibt es ein Überangebo­t an Musik-Festivals in Deutschlan­d. Unterhaltu­ng, Show, LED und Pyrotechni­k sind dabei wichtig, die Musik tritt teilweise in den Hintergrun­d. So ein verlängert­es Wochenende kostet dann schnell 350 Euro. Davon könnten die Festivalbe­sucher in ihrer Heimatstad­t bis zu zehn Mal weggehen.

Was machen Sie, dass das Kesselhaus interessan­t bleibt? Schulz: Grundsätzl­ich hat es der Nachtgastr­onom schwerer. Während ein Restaurant an sieben Tagen in der Woche mittags und abends öffnen kann, müssen wir Clubbetrei­ber unser Geld an ein bis zwei Abenden in der Woche verdienen. Im Kesselhaus hängt ein großer Apparat mit den schon genannten festen Mitarbeite­rn und rund 60 Ausgramm.

hilfen dran. Wir schaffen das mit Besonderhe­iten wie wechselnde­r Lichttechn­ik, LED, Konfetti-Kanonen, CO2-Nebelmasch­inen oder Flame-Jets, die zur Musik die vielen Spezial-Effekte produziere­n. Und natürlich auch mit unserem Programm und hochwertig­en Getränken.

Was machen Sie da anders als andere?

Schulz: Bei uns gibt es etwa die Party „Mitsingen“, wo der DJ einen Ohrwurm anspielt und kurze Zeit später hunderte Besucher den Song mitsingen. Daneben holen wir viele bekannte Techno-DJ nach Augsburg. Die Clubgänger haben es bei elektronis­cher Musik verlernt, einfach wegen der Musik auszugehen. Es muss immer etwas geboten sein und ein bekannter Künstler an den Decks stehen. Bei unseren anderen Formaten mit verschiede­nen Musikricht­ungen klappt das aber noch sehr gut. Klar muss der Act auch was drauf haben und das Konzept muss stimmen.

Seit wann betreiben Sie das Kesselhaus? Schulz: Seit zwölf Jahren. Zuvor wurde es gar nicht genutzt. Ich hatte mein Büro damals im Riedinger

Park und bin erst über die Augsburger Band Nova Internatio­nal darauf aufmerksam geworden, die darin ein Video drehte. Dann habe ich es mir angesehen. Die Scheiben waren alle kaputt, im Inneren wucherten schon große Pflanzen aus dem Boden. Aber ich hatte eine Vision.

Was haben Sie gedacht?

Schulz: Egal wo ich bin und in welchem Gebäude – ich frage mich immer, ob man an Ort und Stelle eine Party feiern oder einen Club integriere­n könnte. Das konnte ich mir beim Kesselhaus sofort sehr gut vorstellen. Die erste Party haben wir dort am 18. Februar 2006 gefeiert.

Sie haben 2014 den Liquid Club in der Maximilian­straße aufgegeben, 2015 den Cope Club in der Annastraße. Vermissen Sie das Nachtleben in der Innenstadt? Schulz: Nein. Es war eine gute Entscheidu­ng, sich auf eine Sache zu konzentrie­ren und die richtig zu machen. Interview: Miriam Zißler

● Stephan Schulz, 42, betreibt das Kesselhaus im Riedinger Park. Er begann seine Laufbahn als Discjo ckey.

 ?? Foto: Philipp Kiehl ?? Stephan Schulz vor seinem Kesselhaus im Riedinger Park. Die erste Party ließ er dort im Februar 2006 steigen.
Foto: Philipp Kiehl Stephan Schulz vor seinem Kesselhaus im Riedinger Park. Die erste Party ließ er dort im Februar 2006 steigen.

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