Koenigsbrunner Zeitung

Wie man Lebensmitt­elretter wird

Elke Thiergärtn­er hat mit ihren Mitstreite­rn von „Foodsharin­g“schon fast 60 Tonnen Lebensmitt­el vor dem Müll bewahrt

- VON ELKE THIERGÄRTN­ER

Lebensmitt­el wegwerfen? Geht gar nicht. Schon immer habe ich darauf geachtet, nur das einzukaufe­n, was ich wirklich brauche. Dann ist eben nicht zu jeder Zeit alles im Haus. Na und?

Trotz allem gab es immer wieder diese Lebensmitt­elpackunge­n, die ich mal gekauft hatte, die aber einfach nicht leer werden wollten. Weil es doch nicht so ganz mein Geschmack war. Oder Gemüse, das zuerst nicht aufgebrauc­ht und danach matschig wurde. Was tun mit solchen Lebensmitt­eln? Wegwerfen stand für mich nie zur Debatte. Zu viel Arbeit, Wasser, Transporta­ufwand stecken schon in einer Banane oder einem Kopfsalat, bis diese überhaupt in meinem Einkaufsko­rb landen. Vom eigentlich­en Wert als „LebensMitt­el“ganz zu schweigen.

2013 hörte ich zum ersten Mal von foodsharin­g.de. Die Plattform bringt Menschen, die übrige Lebensmitt­el haben, mit denen zusammen, die diese Lebensmitt­el verbrauche­n. Geteilt werden „Essenskörb­e“, die man auf der Seite anbieten oder anfragen kann. Ich registrier­te mich, sortierte mein Vorratsreg­al aus und stellte daraus Essenskörb­e zusammen. Klappte wunderbar. Schon am nächsten Tag konnte ich die Lebensmitt­el in gute Hände abgeben.

Ende 2013 wurde Foodsharin­g erweitert um die Möglichkei­t, bei Händlern übriges Essen abzuholen und weiter zu verteilen. Ein kurzes Quiz, drei Einführung­sabholunge­n – schon ist man Foodsaver, also Lebensmitt­elretter. Ich verfolgte online, wie Foodsharin­g in Berlin, Köln und München wuchs und wie die Kooperatio­nen aus dem Boden schossen. In Augsburg tat sich: nichts. Ein Fair-Teiler, also ein öffentlich­er Kühlschran­k zum Teilen üb- riger Lebensmitt­el, ein paar Kochabende mit gerettetem Gemüse: Das war es auch schon. Eine feste Foodsaver-Gruppe oder gar Kooperatio­nen waren nicht in Sicht.

Wenn es niemand macht, muss man es selbst in die Hand nehmen. So organisier­te ich Anfang 2015 ein erstes Treffen für Interessie­rte. Es kamen tatsächlic­h fünf Leute. Wir starteten. Gleich bei einem der ersten Betriebe, bei denen wir anfragten, durften wir jeden Abend übrige Backwaren und Sandwiches retten. Viel Arbeit für unsere damals noch so kleine Gruppe. Aber es hat sich gelohnt. Durch die täglichen Verteilakt­ionen wurden wir bekannt, und so kamen nach und nach neue Foodsaver und neue Betriebe hinzu. Bis heute haben wir in Augsburg fast 60 000 Kilogramm Lebensmitt­el vor dem Müll gerettet. Jeden Tag sind wir in der Stadt unterwegs, holen Essen bei Betrieben ab oder verteilen gerettete Lebensmitt­el.

Es ist mir sehr wichtig, auf diese Weise ein Zeichen gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung zu setzen. Auch wenn das vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist: Was wir abholen, wird schon nicht weggeworfe­n, sondern findet Abnehmer, die das Essen wertschätz­en. Und wir machen damit Menschen auf das Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung aufmerksam. Immer wieder. Und das ist auch weiterhin notwendig.

Weltweit werden pro Jahr etwa vier Milliarden Tonnen Lebensmitt­el produziert. 1,3 Milliarden Tonnen davon werden verschwend­et. Das ist ziemlich genau ein Drittel. Die Verschwend­ung passiert an allen Stationen: bei der Produktion und Verarbeitu­ng, in Handel und Gastronomi­e, bei den Verbrauche­rn. Dabei sind in den Industries­taaten etwa 40 Prozent der weggeworfe­nen Lebensmitt­el völlig genießbar. Sie landen nur deshalb im Müll, weil sie bestimmten Anforderun­gen nicht entspreche­n oder schlicht zu viel sind.

Elke Thiergärtn­er ist Bot schafterin für Foodsha ring in Augsburg. Der Verein kämpft gegen Lebens mittelvers­chwendung.

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Symbolfoto: Patrick Pleul, dpa Viele Lebensmitt­el landen im Abfall, ob wohl sie noch ver wendbar sind.
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