Mehr Geld für alle
Eltern in Bayern können sich bald über ein Geldgeschenk freuen. Bleibt die Frage: Ist das noch Wahlkampf oder schon Politik?
Eltern sind kompliziert. Das sagt nicht nur der von Erziehungsversuchen regelmäßig relativ unbeeindruckte Nachwuchs. Nein, auch Politiker könnten das bestätigen. Einerseits wollen Eltern keinesfalls, dass sich der Staat (oder auch sonst wer) in ihre Erziehung einmischt. Niemand kennt doch ihre Kinder besser als sie!
Gleichzeitig erwarten Eltern heute aber wie selbstverständlich, dass derselbe Staat sie ganz besonders umsorgt und pampert. Sie sind es doch, die sich in selbstlosem Einsatz zwischen Breichen kochen, Strampler waschen und Taxi spielen um die Zukunft des Landes sorgen. Das soll mal ja kein Politiker vergessen!
Dass die Gefahr nicht besteht, beweist ein Brief, den wir vor Kurzem vom Bayerischen Ministerpräsidenten persönlich bekommen haben. Der Freistaat zahlt Eltern ab September 250 Euro pro Monat für jedes ein- und zweijährige Kind. Einfach so. Ohne Fragen zu Einkommen, Art der Kinderbetreuung oder Bedarf. Ab drei Kindern sind es sogar 300 Euro pro Monat. Macht bei zwei Kindern insgesamt 12 000 Euro. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Vergelt’s Gott. Das ist viel Geld. Und für nicht wenige Familien wird diese Unterstützung sehr willkommen sein: Kinder brauchen laufend neue Kleider, die Miete ist teuer und in Urlaub fahren möchte man vielleicht auch.
Wir wollen also nicht undankbar sein. Aber weil wir nicht nur Eltern sind, sondern auch Steuerzahler, trotzdem mal diese Frage: Wäre das viele Geld – angeblich 776 Millionen Euro jedes Jahr – für alle Eltern anders nicht besser angelegt gewesen?
Vor allem in den Städten fehlen immer noch tausende Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Und wer zum Beispiel in Augsburg dringend auf einen Kindergartenplatz für sein dreijähriges Kind hofft, könnte eine ziemliche Enttäuschung erleben. Was dann, wenn keine Großeltern da sind, die als Betreuungspersonal einspringen können? „Familien sollen sich bei uns wohlfühlen“, schreibt der Ministerpräsident in seinem Brief. Das ist das Problem: Volle Landeskassen verleiten Politiker vor Wahlen zu Wohlfühlpolitik. Damit es Familien aber gut geht, muss man immer an sie denken und langfristig handeln. Wenn die Unterstützung nach zwei Jahren ausläuft, sind die Kinder ja nicht aus dem Haus. Und Geld brauchen Familien mit größeren Kindern sicher nicht weniger.
Die Folge dieser großzügigen Familienpolitik könnte dann aber sein: weniger Geld vom Staat, da das Familiengeld ausläuft; kein Einkommen, weil die Rückkehr an den Arbeitsplatz am fehlenden Betreuungsplatz scheitert; und Familien, die unter Stress stehen.
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