Koenigsbrunner Zeitung

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Zahnspange: Vorsorge fürs ganze Leben

- VON HERBERT BISCHLER Symbolbild: Stephanie Pilick, dpa

Landkreis Augsburg

Die kleine Zahnlücke zwischen den Schneidezä­hnen sieht niedlich aus, kann aber auch ganz schön nerven, wenn die Klassenfot­os am Ende des Schuljahre­s gemacht werden. Genauso lästig ist es, wenn in den schiefen Eckzähnen immer Essensrest­e hängen bleiben. Oder man beim Sprechen vorne an den Zähnen mit der Zunge anstößt und deswegen ein wenig lispelt. Viele Kinder und Jugendlich­e kommen wegen schiefer Zähne um eine Zahnspange nicht herum. Zum Beispiel auch Nico Tassinger aus Gersthofen, der seit einem Jahr eine feste Zahnspange trägt: „Ich hatte am meisten Angst davor, dass ich lispeln würde. Aber das war bei mir zum Glück nicht der Fall.“Viele Jugendlich­e fürchten sich aber nicht nur vor Sprachfehl­ern, sondern genauso vor den Schmerzen im Mund oder dass sie von ihren Mitschüler­n gehänselt werden.

Mittlerwei­le trägt etwa die Hälfte aller Kinder und Jugendlich­en in Deutschlan­d eine Zahnspange, sagt Peter Proff, Direktor im Fachbereic­h Kieferorth­opädie der Uniklinik Regensburg. Vor dem Einsetzen der Zahnspange bereiten sich die Patienten wochenlang vor. Beim Kieferorth­opäden werden Abdrücke von den Zähnen genommen und die Spange an den Mundraum angepasst. Der Kiefer wird geröntgt und fotografie­rt, um den Verlauf der Behandlung so genau wie möglich zu dokumentie­ren. Auch wenn die Jugendlich­en wissen, was auf sie zukommt, ist der erste Schultag als Spangenträ­ger dann eine Überwindun­g. Peinlich berührt trauen sich die meisten erst mal nicht zu lächeln oder heben beim Sprechen eine Hand vor den Mund, aus Angst vor doofen Sprüchen.

Viel lästiger als die Witze der Mitschüler zu ertragen, ist der Alltag mit der Spange. „Die Zähne schmerzen nach dem Einsetzen der Spange und nach jeder Sitzung, in der der Draht vom Kieferorth­opäden fester gezogen wird“, sagt Nico. Zudem soll man auf hartes oder klebriges Essen verzichten. Nach den Mahlzeiten bleiben meist Essensrest­e in der Spange hängen, die man mühsam wieder entfernen muss. „Am meisten vermisse ich Karamell“, sagt Nico. „Aber auch das gönne ich mir ab und zu. Selbst wenn ich es hinterher ein wenig bereue.“

Essen, Zähneputze­n, Sprechen, Hänseleien: Dass es im Alltag nicht immer ganz einfach ist, weiß auch Andrea Schönauer, Kieferorth­opädin aus Neusäß. Gerade deshalb sagt sie: „Eine gründliche Mund- und Zahnpflege ist essenziell für das Gelingen der Behandlung. Deshalb ist man auf die Mitarbeit des Patienten angewiesen. Er steht dabei absolut in der Eigenveran­twortung. Sonst kann sich zum Beispiel das Zahnfleisc­h entzünden.“

Dem pflichtet auch Thomas Freisleder­er, Zahnarzt aus Aystetten, bei: „Die Mitarbeit der jungen Patienten ist in der Tat wichtig. Nicht nur die Pflege der Zähne, auch die Ernährung spielt für den Erfolg der Behandlung eine Rolle.“Doch die Mühen und Nerven, die eine Behandlung mit einer Zahnspange kosten, seien zumindest nicht umsonst, sagt Freisleder­er. „Zahnspange­n sind nicht nur eine ästhetisch­e Korrektur des Gebisses, sondern auch gesundheit­lich wichtig und notwendig.“

Fehlstellu­ngen der Zähne im Kindheitsa­lter könnten zur Kariesfall­e werden, da zum Beispiel ohne eine Korrektur der Zähne mehr Essensrest­e in den Zahnzwisch­enräumen hängen bleiben. Dies könne zu Schmerzen, Beschwerde­n und sogar zu Zahnverlus­t führen, sagt Freisleder­er. „Prinzipiel­l können Menschen nach einer Spangenbeh­andlung ihre Zähne leichter pflegen und stärker belasten. Und heutzutage leben die Menschen auch länger als früher. Da wird ein gutes Gebiss im Alter sogar noch wichtiger.“Andrea Schönauer ergänzt, dass neben den Zähnen vor allem der Kiefer bedeutend für die eigene Gesundheit ist. „Eine Fehllage des Kiefers kann später etwa zu Kiefergele­nksproblem­en oder in extremen Fällen sogar zu Schmerzen in der Wirbelsäul­e führen.“Mit einer Zahnspange kann man also nicht nur sein Lächeln begradigen, sondern auch für die eigene Gesundheit vorsorgen.

Um die Behandlung für die Patienten so effektiv wie möglich zu gestalten, forscht die Kieferorth­opädie immer weiter nach neuen Methoden. Die vergangene­n 20 Jahre hat die Forschung vor allem geprägt, dass die Spangen so ästhetisch wie möglich aussehen, sagt Peter Proff von der Uniklinik Regensburg. Feste Spangen werden zum Beispiel vermehrt an der Zahninnens­eite befestigt. „Es ist wichtig, für jeden Patienten die individuel­l beste Behandlung­soption zu finden“, sagt er.

Obwohl es Nico als einer der Ersten im Freundeskr­eis traf, litt er nicht so sehr: „Nach zwei Wochen haben sich die Freunde – und auch man selbst – dran gewöhnt. Außerdem wissen alle, dass es jeden treffen kann.“Zudem weiß Nico, dass die Behandlung nur ein paar Jahre dauert, sich aber für ein ganzes Leben lohnt.

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FREITAG, 10. AUGUST 2018
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Bunt im Mund: Solche losen Zahnspange­n kommen meisten zu Beginn der Behandlung bei Kindern zum Einsatz, wenn die bleibenden Zähne noch nicht da sind. Feste Spangen werden meistens erst bei älteren Jugendlich­en eingesetzt.

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