Ist der Führerschein überholt?
In Großstädten verzichten immer mehr Jugendliche aufs Auto und fahren „öffentlich“. Wie es auf dem Land läuft
Landkreis Augsburg
Wieso sollte man noch den Führerschein machen? Er ist teuer, zeitaufwendig, und mobil ist man heute doch auch ohne Auto dank des Ausbaus des öffentlichen Verkehrsnetzes oder zur Not dank Taxi-Mama. Hat das Gefühl, das erste Mal das neue Smartphone in der Hand zu halten, die erste Autofahrt überholt? Immerhin kostet der Führerschein im Durchschnitt 2000 Euro, für diesen Preis könnte man sich auch zwei Supersmartphones leisten.
Die meisten jungen Fahrschüler haben mit 17 Jahren keine 2000 Euro auf dem Konto liegen, die nur darauf warten, an eine Fahrschule überwiesen zu werden. In den meisten Fällen muss der Führerschein deswegen von den Eltern oder Großeltern „gesponsort“werden. Doch nicht immer sind die Eltern bereit, diese Summe komplett zu übernehmen. Der Führerschein kostet aber nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Zeit, in der die meisten Jugendlichen in der Schule oder in der Ausbildung bereits mit Lernen beschäftigt sind und nur ungern nebenbei auch noch für die Theorieprüfung pauken möchten. Ist der Führerschein mittlerweile überholt?
In den letzten Jahren zeichnete sich vor allem in Großstädten ein Trend gegen den Führerschein ab. Ein Grund sind die öffentlichen Verkehrsmittel. In München ist man beispielsweise oft deutlich schneller unterwegs, wenn man die U- oder S-Bahn nimmt, anstatt sich mit dem Auto durch den regen Verkehr zu kämpfen. Wieso sollte man dann den Führerschein machen? Eine berechtigte Frage. Wie das Kraftfahrt-Bundesamt berichtet, hängt die Fahrerlaubnis-Ersterstellung stark vom Urbanisierungsgrad eines Ortes ab. „Es erwerben deutlich mehr Personen im Alter zwischen 15 und unter 20 Jahren im ländlichen Raum eine Fahrerlaubnis. Im Vergleich zur Großstadt liegt der Anteil der Fahrerlaubnis-Ersterteilungen um fünf Prozentpunkte höher.“
Denn von einer U-Bahn und teilweise sogar von einer Straßenbahn träumt man im Landkreis Augsburg vergebens. Manche Strecken sind teilweise nur mit dem Auto erreichbar oder mit enormem Zeitaufwand verbunden. Ist es überhaupt wahrscheinlich, dass der Trend gegen den Führerschein auch den Landkreis erreicht?
Laut Landratsamt Augsburg hat sich die Zahl der Ersterteilungen in den letzten Jahren nicht verändert. Im Jahr 2017 machten insgesamt 2473 Augsburger erfolgreich ihren Führerschein. In den örtlichen Fahrschulen ist 2018 auch kein negativer Trend spürbar. Thorsten Hahn von der Fahrschule Hahn in Königsbrunn sieht seinen Beruf noch längst nicht in Gefahr: „Die Anzahl der Fahrschüler ist über die letzten Jahre eigentlich gleich geblieben.“Als einzige Veränderung könne er vermerken, dass das Alter seiner Schüler wieder etwas nach oben geht. „Noch vor ein paar Jahren haben etwa zwei Drittel das Begleitete Fahren in Anspruch genommen. Jetzt geht die Tendenz vom Alter her wieder etwas nach oben.“Als Grund hierfür gibt Thorsten Hahn das veränderte Familienbild an. Nicht immer gibt es in der Familie eine Begleitperson, welche mit den Jugendlichen üben kann.
Auch die Fahrschule Dötsch mit Standorten in Königsbrunn, Schwabmünchen und Untermeitingen verzeichnet eine positive Bilanz in den Anmeldezahlen. Büroleiterin Marina Marke berichtet von konstanten Schülerzahlen in den letzten Jahren, und auch die Attraktivität des Begleiteten Fahrens ist weiterhin hoch. Dennoch kann auch sie bestätigen, dass der Unterschied zwischen Stadt und Land existent ist. „Auf dem Land machen mehr Jugendliche den Führerschein als in der Stadt, hier ist man vom Auto sehr viel abhängiger.“Nicht nur die Jugendlichen sind auf dem Land vom Führerschein abhängig. Fahrlehrer Raphael Dötsch berichtet von einer Fahrschülerin jenseits der 50. Sie meldete sich für den Führerschein an, da sie von Untermeitingen in die Stauden zieht und jetzt auf ein Auto angewiesen ist, um von A nach B zu gelangen.
Ist der Führerschein im Landkreis überholt? Die Antwort lautet: nein. Im Landkreis Augsburg zählt der Führerschein nach wie vor zu den wichtigsten Errungenschaften des Erwachsenwerdens, und auch in Zukunft werden sich die Jugendlichen für die erste Fahrstunde anmelden.