Koenigsbrunner Zeitung

Auf zum letzten Gefecht

Oskar Lafontaine will es noch einmal wissen. Möchte er das Land verändern oder geht es ihm eher um Gerechtigk­eit für sich selbst?

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg In ein paar Wochen wird Oskar Lafontaine 75. Er könnte jetzt ein älterer Herr mit Strickjack­e sein, der die Dinge gelassen sieht und sich aus den Niederunge­n des politische­n Alltags heraushält. Aber er ist beim besten Willen nicht der Typ, den man sich onkelhaft im Stadtpark beim Entenfütte­rn vorstellt. Lafontaine konnte schon immer nur schwer ertragen, wenn sich keiner für ihn interessie­rt hat. Und so ist es nur logisch, dass sich der „Napoleon von der Saar“wieder ins Getümmel wirft. An der Seite seiner Frau Sahra Wagenknech­t wirbt er für die linke Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“. Oskar Lafontaine, der rhetorisch brillante Menschenfi­scher, der eitle Narziss, macht sich auf zum letzten Gefecht.

Man darf diesem Mann durchaus abnehmen, dass es ihm tatsächlic­h um Gerechtigk­eit geht. Schon in der SPD – deren Vorsitz er stets angestrebt hatte, bevor er ihn achtlos wegwarf – kämpft der Politiker leidenscha­ftlich für die einfachen Leute.

Doch zugleich sucht er immer die Bühne, das Rampenlich­t, die Macht. Der Sohn eines Bäckermeis­ters und einer Sekretärin hat keine Lust auf die zweite Reihe. Es geht ihm schon auch um Gerechtigk­eit für sich selbst.

7093 Tage ist es her, dass Lafontaine sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Auto gesetzt hat und Bonn in Richtung Saarland verließ. Nach monatelang­en Querelen in der rot-grünen Bundesregi­erung tritt er als Finanzmini­ster und SPD-Chef zurück. Es ist eine Entscheidu­ng, die ihn bis heute nicht loslässt. Anstatt seine Partei von innen heraus zu verändern, überlässt er sie ausgerechn­et jenem Mann, dessen Kurs er für grundfalsc­h hält: Kanzler Gerhard Schröder, Spitzname „Genosse der Bosse“. Mit ihm verbindet ihn wenig, doch in einem Punkt sind sich die beiden Männer sehr ähnlich: Neben ihnen ist kein Platz. So kann es nur einen geben an der Spitze der SPD. Und das ist Schröder. Dass Lafontaine nach seiner Flucht die „Wahlaltern­ative Soziale Gerechtigk­eit“gründet, die später mit der PDS zur Linksparte­i fusioniert, halten viele Sozialdemo­kraten für einen Rachefeldz­ug – angetriebe­n von gekränkter Eitelkeit. Doch ist die Sache wirklich so einfach?

Wer es gut meint mit Lafontaine, könnte jetzt argumentie­ren, die linke Sammlungsb­ewegung, der sich innerhalb weniger Tage mehr als 50 000 Menschen angeschlos­sen haben, sei so etwas wie ein Versöhnung­sangebot an „seine“SPD. Schließlic­h betonen die Anführer stets, es handle sich um ein parteiüber­greifendes Projekt für mehr soziale Gerechtigk­eit. Wer es weniger gut meint mit Lafontaine, kann mühelos genau das Gegenteil behaupten. Schließlic­h riskieren Wagenknech­t und er die weitere Zersplitte­rung des linken Parteiensp­ektrums – und damit das endgültige Aus der SPD als Volksparte­i.

Über Männer seines Alters liest man oft, sie hätten ihren Frieden gemacht. Sie seien mit sich im Reinen. Von Oskar Lafontaine kann man das eher nicht sagen. Er ist ein Ruheloser geblieben. Dass das Licht der Scheinwerf­er längst auf andere fällt, akzeptiert er. Glücklich scheint es ihn nicht zu machen. Kleiner Trost: Gerhard Schröder geht es ähnlich.

Eine Entscheidu­ng lässt ihn bis heute nicht los

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Foto: dpa Oskar Lafontaine hat noch nicht ge nug.

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