Koenigsbrunner Zeitung

Der Mann, der Schöffel groß machte

Unternehme­r Hubert Schöffel ist mit 88 Jahren gestorben. Der Seniorchef des gleichnami­gen Outdoor-Hersteller­s war einer der großen Pioniere der Branche

- VON SARAH SCHIERACK

Schwabmünc­hen Wenn man es genau nimmt, beginnt die Erfolgsges­chichte von Schöffel als OutdoorMar­ke mit einem Rückschlag. Im Dezember 1966 muss Firmenchef Hubert Schöffel Kurzarbeit anmelden, es gibt nicht mehr genug zu tun für die Mitarbeite­r. „Das war für mich ein Schockerle­bnis“, hat der Unternehme­r einmal erzählt.

Zu dem Zeitpunkt ist er bereits seit acht Jahren Chef des 1804 gegründete­n Familienun­ternehmens. Sein Urahn Georg Schöffel hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts in Schwabmünc­hen bei Augsburg niedergela­ssen. Der fliegende Händler verkaufte Socken, Nachthaube­n und schwäbisch­e Zipfelmütz­en.

1958 rückt Hubert Schöffel mit nur 28 Jahren an die Spitze des schwäbisch­en Mittelstän­dlers, er führte das Traditions­unternehme­n in sechster Generation. Eigentlich war dieser Weg für ihn gar nicht vorgesehen: Sein älterer Bruder Ludwig sollte den Betrieb leiten, fiel aber während des Zweiten Weltkriegs in Russland.

Kurz nach seinem Antritt als Chef Schöffel ein modernes Bekleidung­shaus und übernimmt eine insolvente Lederhosen­fabrik in Schwabmünc­hen. Mitte der 1960er Jahre aber muss er sich entscheide­n, wie er das Unternehme­n fit für die Zukunft machen will. Denn der jun- ge Unternehme­r denkt größer. Anstatt wie bisher Strümpfe und Straßenhos­en zu produziere­n, will er sich spezialisi­eren. Schöffel besinnt sich auf seine Liebe zum Wandern, die langen Touren durch die nahen Alpen, die Freude, die er dabei empfindet.

Der Zweite Weltkrieg ist da 20 Jahre her, die Deutschen erholen sich immer weiter von den Entbehrung­en der Kriegszeit. Plötzlich können sich die Menschen wieder etwas leisten. Schöffel erkennt das und baut eine neue Fabrik in Schwabmünc­hen. Die bisherige Produktion stellt er grundlegen­d um. Statt Alltagskle­idung produziert das Unternehme­n nun Sportkleid­ung: Skihosen, Wanderhose­n oder auch Shorts. Schöffel selbst ist bald als „Wanderpaps­t“bekannt.

Der Kurswechse­l zahlt sich aus: Vier Jahre später ist das Unternehme­n Marktführe­r für Bundhosen. Heute ist Schöffel die Nummer zwei unter den Hersteller­n von OutdoorKle­idung und eines der bekanntest­en Unternehme­n der Region.

Die Erfolgsges­chichte ist eng mit einem neuen Material verknüpft: Gore-Tex, ein wind- und wasserbaut dichter Stoff, der sich heute in vielen Funktionsk­leidungsst­ücken findet. Am Anfang jedoch kam das neue Material nicht gut an. „Keiner hat daran geglaubt“, hat Hubert Schöffel einmal erzählt. „Ich war der Einzige, wirklich der Einzige.“

Schöffel kauft Mitte der 1980er Jahre Gore-Tex-Material für 24000 Jacken – ohne Auftrag. Die Risikofreu­de zahlt sich aus. So sehr, dass im Jahr 1985 bei Schöffel sogar die Inventur ausfallen muss. Im Lager des Outdoor-Hersteller­s befindet sich kein einziges Kleidungss­tück mehr, das erfasst werden könnte. Für einige Artikel gibt es regelrecht­e Warteliste­n, Gore-Tex wird mit Schöffels Hilfe zum Standard für Funktionsk­leidung.

Anfang der 1990er Jahre gibt der Outdoor-Pionier die Firmenleit­ung an seinen Sohn Peter weiter. Im Jahr 1999 muss der Seniorchef den Tod seiner Frau Lydia verkraften.

Bis zuletzt schaut Schöffel regelmäßig in der Firmenzent­rale vorbei. Erst vergangene Woche besucht der Opernfan noch die Salzburger Festspiele. Am Mittwoch ist Hubert Schöffel im Kreis seiner Familie friedlich eingeschla­fen.

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Foto: Reinhold Radloff Ein Mann für die Berge: Hubert Schöffel ist im Alter von 88 Jahren gestorben.

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