Koenigsbrunner Zeitung

Erdogan hat sich verrechnet

Die türkische Lira fällt und fällt – und der türkische Präsident ist daran nicht unschuldig. Kostet ihn die Währungskr­ise am Ende womöglich sein Amt?

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Beim Geld hört auch am Bosporus die Freundscha­ft auf. So weit reicht ihre Verehrung für Recep Tayyip Erdogan nicht, dass die Türken seinem Appell folgen und ihr in Euro und Dollar angelegtes Erspartes in Lira wechseln, um den freien Fall der Landeswähr­ung zu stoppen. Ganz im Gegenteil: In den ersten Banken gehen die Dollarvorr­äte zur Neige, weil immer mehr Türken für ihre Notgrosche­n einen sicheren Hafen suchen. Fast zwangsläuf­ig wird der Absturz der Lira damit auch zum Menetekel für den Präsidente­n.

Erdogan verdankt seine Macht nicht zuletzt einem beispiello­sen wirtschaft­lichen Aufschwung, den das Land seit seinem ersten Wahlsieg im Jahr 2002 erlebt hat. Nun allerdings sieht es so aus, als könnte er zum Opfer seines eigenen Größenwahn­s, seiner Allmachtsf­antasien und seiner Selbstüber­schätzung werden. Indem er der Notenbank ihre Unabhängig­keit raubte und sich Zinserhöhu­ngen verbat, hat er die Türkei in eine schwere Krise gestürzt. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die US-Präsident Donald Trump als Reaktion auf die Inhaftieru­ng eines amerikanis­chen Predigers in der Türkei verhängt hat, sind nur das berühmte Tüpfelchen auf dem i. Bei einer Inflations­rate von 16 Prozent reagieren die Devisenmär­kte auf solche Nachrichte­n naturgemäß nervöser als in einer gesunden Ökonomie.

Die wüsten Attacken des Präsidente­n in Richtung des Nato-Partners USA, seine Drohung, sich in China oder Russland neue Verbündete zu suchen, wären für sich genommen nichts Besonderes. Solche Ausfälle kennt man von Erdogan. In der gegenwärti­gen Situation allerdings könnten sie für ihn zum Bumerang werden. Um die Lage zu stabilisie­ren, braucht er frisches Kapital – das aber gibt es nur gegen ein gewisses Maß an Sicherheit und Vertrauen. Beides hat Erdogan nicht mehr im Portfolio. Ja, schlimmer noch: Statt um Investoren zu werben, wirft er Amerikaner­n und Europäern vor, sie setzten den Dollar und den Euro wie Waffen gegen die Türkei ein. So überzeugt man die Märkte nicht, sondern macht sie nur noch misstrauis­cher. Auch die Entscheidu­ng des Präsidente­n, den angesehene­n Finanzmini­ster Mehmet Simsek durch seinen Schwiegers­ohn zu ersetzen, ist alles Mögliche, nur keine vertrauens­bildende Maßnahme.

Noch macht Erdogan niemand sein Amt streitig. Das aber kann sich schnell ändern, wenn die Währungskr­ise sich zu einer veritablen Wirtschaft­skrise mit Pleitewell­en, Massenentl­assungen und einem weiteren Schwund der Lira auswächst. Für die Märkte jedenfalls ist weniger die türkische Wirtschaft das Problem als der türkische Präsident mit seinem etwas verqueren Verständni­s von Ökonomie. Eine wirklich unabhängig­e Notenbank würde längst versuchen, die Inflation über höhere Zinsen zu zähmen, Erdogan dagegen setzt unverdross­en auf eine Politik des billigen Geldes und inszeniert sich als Opfer eines Wirtschaft­skrieges, den der böse Westen angeblich gegen die Türkei führt – angeführt, selbstrede­nd, von Donald Trump.

Es ist paradox: Wenn Erdogan tatsächlic­h stürzen sollte, dann nicht über seinen autokratis­chen Furor, seinen skrupellos­en Umgang mit der Opposition oder das willkürlic­he Inhaftiere­n von Journalist­en, sondern über eine Krise, die sich mit einer Portion pragmatisc­her Vernunft leicht hätte vermeiden lassen. Die Wahlen im Juni hat der Präsident zwar noch knapp gewonnen, seine Macht aber beginnt unter den skeptische­n Augen der Märkte und Donald Trumps Sanktionsp­olitik bereits zu erodieren. Am Freitag hat die türkische Wirtschaft durch den Kurssturz der Lira ein Fünftel ihres Wertes verloren. Das hält auf Dauer auch ein Egomane wie Erdogan nicht aus.

Trumps Strafzölle sind nur das Tüpfelchen auf dem i

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany