Koenigsbrunner Zeitung

Verschoben auf nächstes Jahr

Staat und Kommunen müssen Vorhaben verschiebe­n, weil Firmen überteuert­e Preise verlangen – oder manchmal auch gar kein Angebot abgeben. Warum nach Einschätzu­ng der Handwerksk­ammer keine Besserung in Sicht ist

- VON STEFAN KROG UND MARKUS SCHWER

Region

Alles am Limit – so lässt sich die Lage auf dem Bausektor derzeit beschreibe­n. Früher fehlte der öffentlich­en Hand das Geld, heute fehlen die Leute. Folge eins: Projekte können in den Verwaltung­en nicht geplant werden, weil Kommunen händeringe­nd Ingenieure und Architekte­n suchen, aber keine finden, weil die sich meist für besser bezahlte Stellen in der Wirtschaft entscheide­n. Folge zwei: Bauherren müssen auf Genehmigun­gen warten, weil die Verwaltung­en überlastet sind – wie in Aichach, wo Öffnungsze­iten gekürzt wurden, oder in Friedberg, wo aus Personalma­ngel so gut wie gar nichts mehr geht. Und dann gibt es noch Folge drei: In und um Augsburg können Vorhaben gar nicht mehr umgesetzt werden, weil die Firmen beschäftig­t sind.

In Augsburg gleicht der Hunoldsgra­ben in der Altstadt seit dem Frühjahr einem Flickentep­pich: Nachdem die Stadtwerke dort Leitungen erneuert hatten, sollte das Pflaster der Altstadtga­sse beim Rathaus erneuert werden. Von Baufirmen ging auf eine Ausschreib­ung kein einziges Angebot ein, das wirtschaft­lich tragbar gewesen wäre, heißt es bei der Stadt. Sprich: Alles zu teuer. Im Herbst soll erneut ausgeschri­eben werden. Und der Hunoldsgra­ben ist kein Einzelfall.

In Augsburg konnten bereits mehrere Aufträge, die der Hochbauaus­schuss des Stadtrats absegnen sollte, nicht vergeben werden. Auch die Sanierung der Brücke am Leonhardsb­erg wird in diesem Jahr nicht mehr in Angriff genommen werden können. Das Problem hat nicht nur die Großstadt: In Bobingen wurde im vorigen Jahr mit der Sanierung der Ortsdurchf­ahrt begonnen. Heuer sollte der zweite Teil folgen – das Staatliche Bauamt Augsburg musste das Millionenp­rojekt absagen: Es gab kein einziges Angebot. Selbst eine Kleinigkei­t bekommt die Singoldsta­dt nicht geregelt: Zur Abänderung einer scharfkant­igen Beeteinfas­sung, die für Autofahrer ein großes Ärgernis ist („Vorsicht, Reifen!“), findet die Stadt keine Firma.

Die Liste lässt sich fortsetzen: Die Sanierung der Schule im Petersdorf­er Ortsteil Wilprechts­zell kommt frühestens 2019, die Sanierung des Dorfplatze­s in Aichach-Ecknach klappt immerhin nach der zweiten Ausschreib­ung. Früher unvorstell- bar war, dass für ein Millionenp­rojekt „Neubau einer Bahnbrücke“kein Angebot abgegeben wird – wie in Geltendorf.

Auf Ausschreib­ungen für Aufträge gehen deutlich weniger Angebote von Firmen ein als früher, berichtet Stefan Schönberge­r vom Baureferat in Augsburg. Die Gebote seien häufig deutlich über dem Schätzprei­s. Im Extremfall lägen Angebote um 200 Prozent über dem Preis, den die Verwaltung für marktüblic­h hält. Dann wird notfalls neu ausgeschri­eben: „Es geht ja um Geld des Steuerzahl­ers“, so Schönberge­r. Aber meist sei unklar, ob bei der Neuausschr­eibung bessere Angebote eingehen. Zudem stehe man oft unter Zugzwang: „Bei manchen Maßnahmen haben wir zeitlichen Druck. Wenn es um Sanierunge­n von Gebäuden geht, baut ein Gewerk aufs andere auf.“Könne man einen Einzelauft­rag nicht erteilen, komme das ganze Vorhaben ins Stocken.

Die Thematik war einer der Gründe, dass Augsburg als erste Großstadt in Bayern einen Doppelhaus­halt eingeführt hat, der über zwei Jahre gültig ist. Bisher konnten Bauarbeite­n erst in Angriff genommen werden, wenn der Etat fürs jeweilige Jahr genehmigt war. In der Fuggerstad­t meist im Sommer – ausgerechn­et dann, wenn die Bauwar preise im jahreszeit­lichen Verlauf am höchsten sind. Mit dem Doppelhaus­halt, so Schönberge­r, habe man mehr Flexibilit­ät gewonnen. Projekte für das zweite Haushaltsj­ahr werden im Winter ausgeschri­eben, um niedrigere Preise zu erzielen.

Ob diese kommunale Rechnung aufgeht, bleibt dennoch fraglich: Denn der Bauboom hält an. Und die Winterpaus­e ist meist kürzer als früher. Bei der Handwerksk­ammer beschreibt man die Lage so: „Die Geschäfte laufen hervorrage­nd“, sagt Sprecherin Monika Treutler-Walle. In der Konjunktur­umfrage meldeten zuletzt 97 Prozent der Betriebe des Bauhauptge­werbes (Maurer, Zimmerer, Dachdecker) und 95 Prozent der Ausbaubetr­iebe (Maler, Sanitär-Heizung-Klima, Elektriker), dass sie mit ihrer Geschäftsl­age (mehr als) zufrieden seien. Die Auslastung habe einen neuen Höchststan­d erreicht: Im Branchensc­hnitt liegt die Reichweite der Auftragsbe­stände bei bis zu zwölf Wochen. Im Umkehrschl­uss: Das sind die Wartezeite­n für Auftraggeb­er, ob öffentlich oder privat.

Die Folge: Aufgrund der guten Auftragsla­ge im privaten oder gewerblich­en Bereich beteiligte­n sich viele Betriebe nicht (mehr) an den öffentlich­en Ausschreib­ungen – zumal diese Verfahren für die Firmen

„Es geht ja um Geld des Steuerzahl­ers“

aufgrund der Vorschrift­en aufwendig seien. Laut Treutler-Walle arbeiten viele Firmen am Limit – und das werde mittelfris­tig auch so bleiben: Etliche würden gerne zusätzlich­es qualifizie­rtes Personal einstellen. Doch handwerkli­che Fachkräfte seien „nur schwer oder gar nicht zu finden“. Und auf dem Nachwuchss­ektor scheint keine Trendwende in Sicht: Etliche Betriebe hätten Schwierigk­eiten, Auszubilde­nde zu finden. »Politik

Newspapers in German

Newspapers from Germany