Verschoben auf nächstes Jahr
Staat und Kommunen müssen Vorhaben verschieben, weil Firmen überteuerte Preise verlangen – oder manchmal auch gar kein Angebot abgeben. Warum nach Einschätzung der Handwerkskammer keine Besserung in Sicht ist
Region
Alles am Limit – so lässt sich die Lage auf dem Bausektor derzeit beschreiben. Früher fehlte der öffentlichen Hand das Geld, heute fehlen die Leute. Folge eins: Projekte können in den Verwaltungen nicht geplant werden, weil Kommunen händeringend Ingenieure und Architekten suchen, aber keine finden, weil die sich meist für besser bezahlte Stellen in der Wirtschaft entscheiden. Folge zwei: Bauherren müssen auf Genehmigungen warten, weil die Verwaltungen überlastet sind – wie in Aichach, wo Öffnungszeiten gekürzt wurden, oder in Friedberg, wo aus Personalmangel so gut wie gar nichts mehr geht. Und dann gibt es noch Folge drei: In und um Augsburg können Vorhaben gar nicht mehr umgesetzt werden, weil die Firmen beschäftigt sind.
In Augsburg gleicht der Hunoldsgraben in der Altstadt seit dem Frühjahr einem Flickenteppich: Nachdem die Stadtwerke dort Leitungen erneuert hatten, sollte das Pflaster der Altstadtgasse beim Rathaus erneuert werden. Von Baufirmen ging auf eine Ausschreibung kein einziges Angebot ein, das wirtschaftlich tragbar gewesen wäre, heißt es bei der Stadt. Sprich: Alles zu teuer. Im Herbst soll erneut ausgeschrieben werden. Und der Hunoldsgraben ist kein Einzelfall.
In Augsburg konnten bereits mehrere Aufträge, die der Hochbauausschuss des Stadtrats absegnen sollte, nicht vergeben werden. Auch die Sanierung der Brücke am Leonhardsberg wird in diesem Jahr nicht mehr in Angriff genommen werden können. Das Problem hat nicht nur die Großstadt: In Bobingen wurde im vorigen Jahr mit der Sanierung der Ortsdurchfahrt begonnen. Heuer sollte der zweite Teil folgen – das Staatliche Bauamt Augsburg musste das Millionenprojekt absagen: Es gab kein einziges Angebot. Selbst eine Kleinigkeit bekommt die Singoldstadt nicht geregelt: Zur Abänderung einer scharfkantigen Beeteinfassung, die für Autofahrer ein großes Ärgernis ist („Vorsicht, Reifen!“), findet die Stadt keine Firma.
Die Liste lässt sich fortsetzen: Die Sanierung der Schule im Petersdorfer Ortsteil Wilprechtszell kommt frühestens 2019, die Sanierung des Dorfplatzes in Aichach-Ecknach klappt immerhin nach der zweiten Ausschreibung. Früher unvorstell- bar war, dass für ein Millionenprojekt „Neubau einer Bahnbrücke“kein Angebot abgegeben wird – wie in Geltendorf.
Auf Ausschreibungen für Aufträge gehen deutlich weniger Angebote von Firmen ein als früher, berichtet Stefan Schönberger vom Baureferat in Augsburg. Die Gebote seien häufig deutlich über dem Schätzpreis. Im Extremfall lägen Angebote um 200 Prozent über dem Preis, den die Verwaltung für marktüblich hält. Dann wird notfalls neu ausgeschrieben: „Es geht ja um Geld des Steuerzahlers“, so Schönberger. Aber meist sei unklar, ob bei der Neuausschreibung bessere Angebote eingehen. Zudem stehe man oft unter Zugzwang: „Bei manchen Maßnahmen haben wir zeitlichen Druck. Wenn es um Sanierungen von Gebäuden geht, baut ein Gewerk aufs andere auf.“Könne man einen Einzelauftrag nicht erteilen, komme das ganze Vorhaben ins Stocken.
Die Thematik war einer der Gründe, dass Augsburg als erste Großstadt in Bayern einen Doppelhaushalt eingeführt hat, der über zwei Jahre gültig ist. Bisher konnten Bauarbeiten erst in Angriff genommen werden, wenn der Etat fürs jeweilige Jahr genehmigt war. In der Fuggerstadt meist im Sommer – ausgerechnet dann, wenn die Bauwar preise im jahreszeitlichen Verlauf am höchsten sind. Mit dem Doppelhaushalt, so Schönberger, habe man mehr Flexibilität gewonnen. Projekte für das zweite Haushaltsjahr werden im Winter ausgeschrieben, um niedrigere Preise zu erzielen.
Ob diese kommunale Rechnung aufgeht, bleibt dennoch fraglich: Denn der Bauboom hält an. Und die Winterpause ist meist kürzer als früher. Bei der Handwerkskammer beschreibt man die Lage so: „Die Geschäfte laufen hervorragend“, sagt Sprecherin Monika Treutler-Walle. In der Konjunkturumfrage meldeten zuletzt 97 Prozent der Betriebe des Bauhauptgewerbes (Maurer, Zimmerer, Dachdecker) und 95 Prozent der Ausbaubetriebe (Maler, Sanitär-Heizung-Klima, Elektriker), dass sie mit ihrer Geschäftslage (mehr als) zufrieden seien. Die Auslastung habe einen neuen Höchststand erreicht: Im Branchenschnitt liegt die Reichweite der Auftragsbestände bei bis zu zwölf Wochen. Im Umkehrschluss: Das sind die Wartezeiten für Auftraggeber, ob öffentlich oder privat.
Die Folge: Aufgrund der guten Auftragslage im privaten oder gewerblichen Bereich beteiligten sich viele Betriebe nicht (mehr) an den öffentlichen Ausschreibungen – zumal diese Verfahren für die Firmen
„Es geht ja um Geld des Steuerzahlers“
aufgrund der Vorschriften aufwendig seien. Laut Treutler-Walle arbeiten viele Firmen am Limit – und das werde mittelfristig auch so bleiben: Etliche würden gerne zusätzliches qualifiziertes Personal einstellen. Doch handwerkliche Fachkräfte seien „nur schwer oder gar nicht zu finden“. Und auf dem Nachwuchssektor scheint keine Trendwende in Sicht: Etliche Betriebe hätten Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden. »Politik