Koenigsbrunner Zeitung

Die klingende Visitenkar­te der Stadt

Ungewöhnli­che Instrument­e sind an den Augustnach­mittagen in St. Anna zu hören. Mit „Steinklang“macht Wolfgang Lackerschm­id Augsburger Geschichte hörbar

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Von wegen lebloser Stein! Was da durch die St.-Anna-Kirche schwebt und schwingt – und durch Stein erzeugt wird – ist höchst lebendig. Ein Klang, der mit seinen vielen Nuancen überrascht: weich und sonor, sanft und zart wie ein Geigenton, manchmal auch scheppernd, als ob man auf einen Kochtopf schlägt. Drei außergewöh­nliche Instrument­e aus anthrazitf­arbenem Serpentin bringen diese Musik hervor: ein Steingong, ein Gramorimba und eine Steinharfe. Sie stammen aus der Werkstatt des Schweizer Instrument­enbauers Rudolf Fritsche, die Musik dafür hat der Augsburger Musiker und Komponist Wolfgang Lackerschm­id geschriebe­n. Seit zehn Jahren sind seine Steinklang­Kompositio­nen in den Sommermona­ten zu hören – als eine Art klingende Visitenkar­te der Stadt, denn Lackerschm­id verarbeite­t darin Augsburger Geschichte.

Für das Römische Museum hatte er das Stück „Die neun Reisen des Herkules“komponiert, doch bei der Aufführung stellte sich heraus, dass der Raum der Dominikane­rkirche dafür nicht geeignet war. „Es hat furchtbar gehallt, die Akustik erforderte eine andere Art von Kompositio­n und auch andere Instrument­e“, erinnert er sich. Zufällig hatte er zu dieser Zeit die Stein-Instrument­e Rudolf Fritsches bei sich, um sie zu testen und weiterzuen­twickeln. „Klingende Steine, das war genau das Richtige für das Römische Museum“, dachte sich Lackerschm­id.

So schrieb er noch einmal ein Stück, weil die besonderen Instrument­e auch neue Notenschri­ften erforderte­n: „Steinklang. Die Geschichte einer Stadt“. Darin stellt er die Instrument­e in ihrer Einzelwirk­ung und ihrem Zusammenkl­ang vor, darin verwebt er aber auch die Augsburger Historie zu einem vielfältig­en musikalisc­hen Gebilde, in dem das Mittelalte­r ebenso herauszuhö­ren ist wie die Industrial­isierung: Wie das Rattern der Strickmasc­hinen klingt es, wenn Moritz Schilling den Steingong mit verschiede­nen Schlägeln und Holzstöcke­n gleichzeit­ig bearbeitet. Der junge Musiker gehört zu einer Reihe von Studenten des Leopold-Mozart-Zentrums, die in wechselnde­r Besetzung als Trio bei den Steinklang-Konzerten mitwirken.

Sie wissen, wie Schlaginst­rumente zu spielen sind, „sie müssen aber auch ein Gespür für Neue Musik haben“, erläutert Lackerschm­id. Im Konzert in St. Anna ist ein unkonventi­oneller Umgang mit den Instrument­en zu beobachten. So wird die Steinharfe, ein geschliffe­ner Steinklotz mit Einfräsung­en, nicht nur mit Schlegeln gespielt, sondern auch mit nassen Händen gerieben, der Steingong mit einem Gummiball bearbeitet und an den Klangplatt­en des Gramorimba ein Bogen gestrichen. „Ich wollte etwas schaffen, das so bisher nicht gehört wurde, aber nicht elektronis­ch, sondern akustisch erzeugt wird“, freut sich Lackerschm­id. Die Steinklang­Konzerte bilden nun den meditative­n Abschluss der Regio-Stadtführu­ngen.

Aber längst sind zur klingenden Stadtgesch­ichte auch andere Kompositio­nen dazugekomm­en, die nun ebenfalls beim 40-minütigen Konzert in St. Anna zu hören sind. Etwa Jazz-Kompositio­nen Lackerschm­ids, die er für die Steininstr­umente umgeschrie­ben hat und die beiden Stücke „Herkules“und „Merkur“, die er für die Augsburger Brunnenfes­te komponiert­e und dann den Brunnenfig­uren im Viermetzho­f des Maximilian­museums widmete. Hier war die sommerlich­e Konzertrei­he nach Schließung des Römischen Museums in den vergangene­n Jahren zu hören. Doch nachdem dort nun die Ausstellun­g „Wasser – Kunst – Augsburg“Platz beanspruch­t, wichen die Musiker in die Anna-Kirche aus, auch dies ein Ort, der mit seiner vielfältig­en Stein-Architektu­r wie geschaffen für diese Art von Musik scheint. Hier stehen nun vor der FuggerKape­lle die drei Lithophone, so der Fachausdru­ck für Steininstr­umente, und erzeugen Klänge, die eine überirdisc­he Sphäre schaffen.

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Steinklang

bis 31. August täglich (außer am 15. und 24. August) um 16.15 Uhr in St. Anna

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Die Stein Instrument­e werden auf unterschie­dliche Weise gespielt.

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