Koenigsbrunner Zeitung

Der Krebs Arzt entdeckt ein neues Leben

Professor Günter Schlimok hat sich Jahrzehnte auf seinen Beruf konzentrie­rt. Jetzt lernt er andere Dinge schätzen

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Wenn er sein „Lebenspake­t“anschaut, dann ist er „ein zufriedene­r Mensch“. Vor allem, dass die drei Kinder auf eigenen Beinen stehen, mache ihn glücklich. „Das ist wunderbar“, sagt Professor Günter Schlimok. Aber auch, dass er, der 2014 als Chefarzt der II. Medizinisc­hen Klinik am Klinikum Augsburg in den Ruhestand ging, nach der offizielle­n Pensionier­ung noch ein weiteres medizinisc­hes Engagement in einer großen Praxis am Diakonisse­nhaus Augsburg gefunden hat, befriedigt den heute 69-Jährigen ganz enorm. Denn ein bisschen habe er vor ein paar Jahren schon Angst gehabt, in das berühmte Loch zu fallen. Dies, obwohl sich der bekannte Onkologe, Hämatologe, Internist, Facharzt für Transfusio­nsmedizin und Palliativm­ediziner gegen Ende seines reichen Berufslebe­ns durchaus auch gedacht hat: Mit 60 ist es genug. Das war es aber dann doch nicht. Aber immerhin ist die Zahl der Arbeitsstu­nden von früher 50 bis 60 pro Woche auf 30 gesunken.

Kein Wunder: Die Medizin, der Dienst am Patienten, die Forschung im Kampf gegen Blutkrebs und Bluterkran­kungen, die Chefarztpo­sition am Klinikum Augsburg haben Günter Schlimok Jahrzehnte vollkommen in Anspruch genommen. Nicht umsonst hat er Ende vergangene­n Jahres die Bayerische Staatsmeda­ille für Verdienste um Gesundheit und Pflege erhalten. Dies nicht nur wegen seiner wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se und seines Engage- ments als Arzt, sondern auch, weil es ihm immer um den Menschen ging, er immer Dienst am Patienten leisten wollte. Das war ihm auch das Wichtigste: Er habe als Chefarzt versucht, viele Verwaltung­saufga- zu delegieren, sodass er es auch zu besonders intensiven Zeiten geschafft habe, „zumindest 50 Prozent der Arbeitszei­t mit den Patienten zu verbringen“.

„Ich war kein guter Schüler, aber in Naturwisse­nschaften war ich gut“, berichtet Günter Schlimok, der 1949 als einziger Sohn eines Bundesbahn­beamten und einer Hausfrau in Aichach geboren wurde, über seine Schulzeit am Augsburger Holbein-Gymnasium. Der junge Mann hatte bereits einen Studienpla­tz in Physik, als er kurzfristi­g zur Bundeswehr musste und so am Flugmedizi­nischen Institut in Fürstenfel­dbruck stationier­t war. Dort kam er mit der flugmedizi­nischen Forschung in Berührung, „zum Teil auch als Versuchska­ninchen“. Jedenfalls: Das Interesse für Medizin war geweckt.

Nach dem Studium an der Münchner Ludwig-Maximilian­sUniversit­ät und ersten Forschungs­arbeiten gründete er mit dem Immunologe­n Professor Gert Riethmülle­r in den 90er-Jahren auch eine Biotechnol­ogiefirma, die sich mit der Produktion von Tumorantik­örpern beschäftig­te. „Wir hatten zeitweise bis zu 100 Mitarbeite­r“, sagt Schlimok zum Erfolg des Unternehme­ns. Es wurde 2012 an eine große amerikanis­che Firma verkauft. Vom Westkranke­nhaus ging es ins neue, damals noch als Zentralkli­nikum bezeichnet­e Klinikum Augsburg, wo Günter Schlimok als Oberarzt Leiter der Hämatologi­e war und sich als erster Oberarzt am Klinikum 1988 habilitier­te – natürlich bei Professor Riethmülle­r. „Ich hatte am Klinikum große Freiheit, Anfang der 90er-Jahre mit Knochenmar­kstranspla­ntationen angefangen und eine innovative Abteilung aufgestell­t“, erzählt Günter Schlimok.

Obwohl von der naturwisse­nben schaftlich­en Seite zur Medizin gekommen, stand im Laufe der Jahre in erster Linie das Interesse am Menschen im Vordergrun­d. Patienten, die er behandelte, waren ja lebensbedr­ohlich erkrankt: „Eine Krebserkra­nkung geht mit einem großen Umbruch im Leben eines Menschen einher“, weiß Schlimok nur zu gut. Diese Erfahrung, die ständige Konfrontat­ion mit dem Leid war auch der Grund dafür, sich mehr und mehr für die psychosozi­ale Versorgung der Patienten, ja auch ihrer Familien, zu engagieren – und dies in der Bayerische­n Krebsgesel­lschaft, deren Präsident er seit sechs Jahren ist.

Ja, ein wahrhaft reiches, schon 42 Jahre andauernde­s Berufslebe­n. Wo blieb das Private? Seine zwischen 1977 und 1984 geborenen drei Kinder leben jetzt in Augsburg, München und Berlin. „Ich bin beruflich viel in der Welt herumgekom­men und hatte keine Zeit für Hobbys“, sagt Schlimok sehr nüchtern. Das ist jetzt anders. Der Mediziner lebt immer noch in Schlipshei­m, die Kinder sind „aus dem Haus“. Günter Schlimok genießt sein kleines Boot am Ammersee, das Segeln auch in größeren Gewässern, auch anstrengen­de Bergtouren mit Freunden in den Anden, im Himalaya, am Kilimandsc­haro: „Das alles aber erst in den letzten zehn Jahren.“

Inzwischen freut er sich auch über sechs Enkelkinde­r, und besondere Priorität hat ein Nachmittag in der Woche: „Da hole ich meine Augsburger Enkel von der Kita ab und verbringe mit ihnen den Nachmittag.“

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Foto: Marcus Merk Eine Stunde mit Prof. Dr. Günter Schlimok, der auch nach seiner offizielle­n Pensio nierung als Chefarzt noch weiter als Mediziner tätig ist.

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