Koenigsbrunner Zeitung

„Ich glaub, mich knutscht ein...“

Elche am Morgen und die Berge im Licht: Tagestour nach Grand Teton

- VON CHRISTIAN RÖWEKAMP

Die Sonne ist gerade erst aufgegange­n, der Sommermorg­en fühlt sich noch kalt an. Also rasch eine Fleecejack­e über den Pullover ziehen. Um kurz vor 6 Uhr sammelt Amanda White in Jackson ihre Gäste ein. Das Thermomete­r im Auto zeigt als Außentempe­ratur 45 Grad Fahrenheit an, umgerechne­t etwa sieben Grad Celsius. „Los geht’s, die Tiere warten“, sagt Amanda und startet ihren Geländewag­en in Richtung GrandTeton-Nationalpa­rk. Die Tiere: In Grand Teton, einer im Westen von Wyoming gelegenen Bergkette, sind das unter anderem Elche, Bisons und Grizzlybär­en. Amanda arbeitet für einen von mehreren Touranbiet­ern in Jackson. Die geben zwar keine Garantie, all diese Tiere zeigen zu können, aber morgens sind die Chancen im Sommer am besten, bevor die Tiere zu Füßen dieses Teils der Rocky Mountains im Baumschatt­en verschwind­en. Amanda lenkt den SUV nach Norden und bald wird klar, dass es noch einen zweiten Grund für den frühen Aufbruch gibt. Die Sonne steht im Osten noch tief am wolkenlose­n Himmel und strahlt die fast genau in NordSüd-Richtung verlaufend­e Bergkette seitlich an. Die am Morgen noch klare Luft wird im Laufe des Tages dunstiger werden, nachmittag­s wandert die Sonne außerdem hinter die Grand Tetons. Die Bedingunge­n für Hobbyfotog­rafen werden also nicht besser. Nach gut 20 Minuten Fahrt ist die Nationalpa­rkgrenze erreicht. Immer wieder stoppt Amanda und reicht den Gästen Ferngläser. Eine Gruppe Wapiti-Hirsche springt über die Fahrbahn und an einem Teich haben andere Frühaufste­her Kamerastat­ive aufgebaut. „Bitte auf Distanz zu den Tieren bleiben“, mahnt ein Schild der Nationalpa­rkverwaltu­ng. Aber das ist zumindest in diesem Fall nicht schwer – denn der große Reiher, der auf Beute wartet, flöge sonst sicher schnell weg. Wenig später hält Amanda erneut. Etwa 50 Meter entfernt grast eine Elchkuh unter den Bäumen, zwei Jungtiere sind in der Nähe. „Wir haben Glück. Elche sind im Sommer manchmal schwer zu finden“,weiß Amanda.

Es geht nun auf 10 Uhr zu, das Thermomete­r hat 16 Grad Celsius erreicht. Die Fleecejack­e ist längst ausgezogen, nun wird es auch unter dem Pullover zu warm. Zeit für eine Kaffeepaus­e an einem der vielen Aussichtsp­unkte entlang der Teton Park Road. Noch immer steht das Licht schön auf den Bergen, insbesonde­re auf der Cathedral Group, zu der die Gipfel Grand Teton, Mount Owen und Teewinot Mountain gehören – alle zwischen 3756 und 4197 Meter hoch. Verschiebu­ngen der Erdplatten haben die Berge vor etwa zehn Millionen Jahren in die Höhe gedrückt, in den Eiszeiten schliffen riesige Gletscher sie glatt – nur wenige Spitzen dürften damals aus dem Eis geragt haben. Im 19. Jahrhunder­t sahen sich dann Fallenstel­ler dazu angeregt, die Berge mit dem französisc­hen Wort für Brüste („tétons“) zu benennen. Urlauber stellt das heute vor die Herausford­erung, die Namen richtig auszusprec­hen, ohne dabei ins Vulgäre abzudrifte­n. Überbleibs­el der Gletscher sind auch die den Bergen vorgelager­ten Seen. Am kleinen Jenny Lake beginnen mehrere schöne Wanderwege, größer ist der Jackson Lake, an dessen Ostufer die Straße zum Yellowston­eNationalp­ark im Norden verläuft. Beide Parks bilden ein gemeinsame­s Ökosystem, in dem unter anderem 600 bis 700 Grizzlys leben. Außerdem verbindet die Parks, dass die Besucherza­hlen zuletzt stark zugelegt haben. Ganz so hoch wie in Yellowston­e, wo 2017 mehr als

4,1 Millionen Gäste gezählt wurden, sind sie in Grand Teton zwar nicht. Doch auch hier war

2017 mit gut 3,3 Millionen ein Rekordjahr. Inzwischen ist das Licht nicht mehr so gut zum Fotografie­ren. Zeit für eine späte Mittagspau­se nahe des 2355 Meter hohen Signal Mountain, einem Ort mit prächtiger Aussicht auf die Berge, den Jackson Lake und den Snake River, der sich durch den Park schlängelt. Auch hier kommt plötzlich ein Elch ins Blickfeld, der eine Wiese überquert. Auf dem Highway 191 geht es zurück nach Jackson, einer Stadt, die ihren WildwestCh­arakter zelebriert. Kurz vor Erreichen der Stadt dreht Amanda White die Klimaanlag­e noch mal höher, draußen ist mit

30 Grad nun Hochsommer. Morgen hat sie frei. Vielleicht wird sie aber auch dann nach Grand Teton aufbrechen – schon früh am Morgen, wenn es kalt ist, aber das Licht perfekt. Und wenn die Tiere warten.

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Foto: Andy Bardon/Wyoming Office of Tourism; steve, stock.adobe.com Im Grand Teton Nationalpa­rk finden Hiker Touren verschiede­nster Schwie rigkeitsgr­ade.

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