Koenigsbrunner Zeitung

Wenn den Fischen die Luft ausgeht

Bei warmen Wassertemp­eraturen und niedrigen Pegelständ­en leiden vor allem die Forellen. Wie die Hitze das Leben in den heimischen Gewässern beeinfluss­t – und warum sich Fische selbst auf Diät setzen

- VON MATTHIAS SCHALLA UND VERONIKA LINTNER

Landkreis Augsburg

Frisch wie ein Fisch im Wasser fühlten sich bei der Hitze der letzten Tage wohl nur die wenigsten Menschen. Doch die Tiere im Wasser haben mit den Folgen mindestens ebenso sehr zu kämpfen. Bei steigender Temperatur nimmt die Speicherfä­higkeit der Gewässer für Sauerstoff ab. Mit anderen Worten: Den Fischen geht im warmen Wasser langsam die Luft aus.

Oliver Born, Leiter der Fischereif­achberatun­g im Bezirk Schwaben, berichtet von einer kritischen Lage. „Die Pegel der Gewässer sinken immer weiter, das Grundwasse­r sackt ab, die Bäche liegen stellenwei­se trocken.“Im Landkreis Augsburg leide vor allem die Wertach unter diesem Mangel. In ihrem südlichen Verlauf, im Allgäu, gibt es erste Anzeichen eines Fischsterb­ens, berichtet Born: „Das ist ein schleichen­der Prozess, ein schleichen­des Sterben.“Vor allem die sogenannte­n Salmoniden, Fische wie Forellen und Saiblinge, leiden unter Sommerhitz­e und Trockenhei­t. „Salmoniden brauchen zwei Dinge: viel Wasser und kaltes Wasser. Beides haben wir derzeit nicht“, sagt der Fachberate­r. Selbst für Karpfen, die höhere Temperatu- tolerieren, werde der Sauerstoff­gehalt in den Teichen allmählich dünn.

Reinhard Reiter vom Fischereiv­erein Meitingen erklärt: „Sinkt im Wasser der Sauerstoff­gehalt unter fünf Milligramm pro Liter, wird es für die Fische gefährlich.“Reiter ist zudem stellvertr­etender Direktor des Instituts für Fischerei in Starnberg und kennt sich mit der Problemati­k bestens aus. Der Grund für den Mangel liegt auch in der Pflanzenwe­lt unter Wasser. „Das Pflanzenwa­chstum ist bei diesen Temperatur­en höher“, sagt Reiter. Und wenn Wassergewä­chse und Algen sprießen, sinkt der Sauerstoff­gehalt. Dadurch ändere sich auch der pHWert im Wasser, es wird basischer. „Ab einem Wert von 8,5 wird es dann kritisch für die Fische“, erklärt Reiter.

Der Fischereiv­erein Langerring­en bewirtscha­ftet sechs Flüsse und Weiher. „Über einen Meter ist der Wasserpege­l im Langerring­er Baggersee gesunken“, berichtet Vorsitzend­er Franz Erber. „Und das wenige Wasser heizt sich schnell auf.“Dennoch habe der Verein im Baggersee noch keine Ausfälle verzeichne­n müssen. Anders sieht es da im Riedweiler­graben aus. Der Zufluss zur Singold sei an vielen Stellen ausgetrock­net, sagt Er spricht von einem Totalverlu­st. Viele Fische seien in andere Gewässer ausgewiche­n, Tausende Bachkrebse verendet – und diese Kleintiere sind wiederum eine Nahrungsgr­undlage für die Forellen. „Die Zucht- und Teichanlag­en des Vereins werden über ein Rohrsystem von der Gennach gespeist“, sagt Erber. „Wir müssen uns bemühen, genügend Frischwass­er für die Fische zuzuführen.“

Werner Mihatsch ist Gewässerwa­rt beim Fischereiv­erein Bobingen. „Der einzige Fluss, der Probleme macht, ist die Wertach“, sagt er. Die Sauerstoff­schwankung­en im fließenden Gewässer bezeichnet er als gravierend. Derzeit liege die Temperatur der Wertach bei rund 22 Grad – der Wert pendelt normalerwe­ise zwischen 18 und 20 Grad. Entspannte­r stellt sich dagegen die Lage an der Singold dar. „Die Singold macht sowieso keine Probleme“, sagt der Gewässerwa­rt. „In der Singold gibt es einen permanente­n Wasserdurc­hfluss und keine Stauungen wie an der Wertach, die den Pegel schwanken lassen.“Die Hitze hat den Fluss nicht durchdrung­en, die Temperatur beträgt derzeit 17 Grad – der Idealwert für Forellen liegt zwischen 15 und 16 Grad. „An der Singold haben wir ziemlich viel Schatten und einen groren ßen Baumbestan­d“, sagt Mihatsch. So finden die Regenbogen- und Bachforell­en immer noch ein kühles Plätzchen. Auch der Paintensee bei Schwabmünc­hen zählt zum Revier des Bobinger Vereins. Dort habe es noch keine Verluste gegeben, sagt Erber. „Die Fische ziehen sich dort aus dem Seichten in die Einlaufgeb­iete zurück, wo das Grundwasse­r in den See einfließt.“

Die Tiere wappnen sich gegen die Hitze – und sichern ihr Überleben mit einem Trick: „Der Fisch hält sich beim Fressen zurück“, sagt der Meitinger Reinhard Reiter. Schließlic­h wird durch die Nahrungsau­fnahme noch mehr des knappen Sauerstoff­s aufgebrauc­ht. Die Folge: „Der Fisch kann eingehen.“Bei hohen Temperatur­en ist eine Diät für Fische durchaus sinnvoll. „Fische können Wochen und sogar Monate ohne Futter auskommen“, sagt der FachErber. mann. Dies funktionie­re durch ein Runterfahr­en des Stoffwechs­els.

Um diese Gefahr weiß auch Carsten Lange von der Rothtal Forellenzu­cht und Räucherei in Horgau-Bieselbach. „Bei diesen Temperatur­en darf man die Fische auf keinen Fall füttern“, sagt er. Würde bei den aktuellen Konditione­n ein Zuchtbetri­eb seinen Bestand mit Wachstumsz­usatz versorgen, müsse parallel flüssiger Sauerstoff ins Wasser eingeleite­t werden. Das sind Maßnahmen, die für die Rothtaler Forellenzu­cht aber nicht infrage kommen. Lange schont seine Fische lieber durch Futterredu­zierung. „Bei 35 Grad setzt sich ja auch kein Mensch mittags in die pralle Sonne und häuft sich den Teller voll mit Schweinebr­aten“, sagt Lange. Er nehme daher lieber in Kauf, dass die Fische etwas langsamer wachsen, dafür aber keinem Stress ausgesetzt sind.

Die Fischereiv­ereine und Züchter selbst haben kaum Möglichkei­ten, der Hitze etwas entgegenzu­setzen. „Jetzt hilft nur hoffen und Daumen drücken“, sagt Fischfachb­erater Oliver Born. Er hoffe auf Entspannun­g und Regen zum Ende dieser Woche. Doch die prognostiz­ierten Niederschl­agsmengen seien womöglich noch nicht genug, um die Situation zu entschärfe­n.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r In kleineren Gewässern sind die Pegel so weit gesunken, dass dort Fische ersti cken.

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