Koenigsbrunner Zeitung

Wie man kein Nobody bleibt

Terence Hill ist zurück im Kino, jetzt aber als „Somebody“. Er spricht über seine deutsche Mutter, Prügel beim Dreh und Bud Spencer

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Wie wichtig sind Ihre deutschen Wurzeln für Sie?

Terence Hill: Deutsch ist meine Mutterspra­che. Ich habe bis zu meinem sechsten Lebensjahr ausschließ­lich Deutsch gesprochen. Wir haben in Lommatzsch

gelebt. Dort hatte ich viele Spielkamer­aden. Später bin ich in Italien in die Schule gegangen. Dort wurde nur Italienisc­h gesprochen. Meine deutsche Mutter ist leider jung gestorben und ich habe viel von meiner deutschen Sprache vergessen. Ich müsste schon drei oder vier Jahre hier verbringen, um es wieder zurückzuho­len. Ich war dann dreißig Jahre in Amerika und habe nur Englisch geredet. Und jetzt spreche ich keine Sprache wirklich gut.

Wie gut erinnern Sie sich an Ihre Zeit in Lommatzsch?

Hill: Sehr gut. Ich glaube, dass es letztendli­ch die Kindheitse­rlebnisse sind, die für das ganze Leben bleiben. Die Umstände, unter denen man aufwächst, beeinfluss­en einen Menschen sehr stark. Als spielendes Kind war ich so zufrieden wie später nie wieder. Ich habe viele Freunde gefunden und trotz der Kriegszeit­en ging es sehr lebhaft zu.

Lommatzsch liegt unweit von Dresden. Haben Sie etwas von den Bombennäch­ten mitbekomme­n?

Hill: Ja. Ich möchte eigentlich nicht darüber sprechen. Nur so viel. Der ganze Himmel war rot gefärbt, man konnte das sehen. Und wir sind in den Keller gegangen. Mein Vater war Chemiker in einer großen Fabrik. Er ist für eine Woche nicht nach Hause gekommen. Dann hat meine Mutter gesagt: „Jetzt hole ich ihn!“Sie hat sich auf das Fahrrad geschwunge­n und ist von Lommatzsch nach Dresden gefahren. Tatsächlic­h hat sie ihn im Wald gefunden. Er hatte einen Spiegel an einem Baum befestigt und war gerade dabei, sich zu rasieren. Er sagte, dass er die Fabrik beschützen muss. Mein Onkel hat ihn schließlic­h dazu überredet, wegzugehen. Ich habe viele Erinnerung­en. Vielleicht werde ich später mal ein Buch schreiben. Aber das kann ein paar Jahre dauern.

Warum sind Sie nach Italien zurückgeke­hrt, wo Sie geboren wurden?

Hill: Mein Vater war ja Italiener. Meine Mutter stammte aus Lommatzsch und hat in Dresden Kunst studiert. Sie war eine talentiert­e Malerin. Mein Vater hat in Italien Arbeit gefunden. Deshalb sind wir wieder dorthin gegangen. In Deutschlan­d haben Sie Ihr vermutlich treuestes Publikum gefunden. Führen Sie das auf Ihre deutschen Wurzeln zurück?

Hill: Man hält mein Schauspiel für fröhlich, frech und lebhaft und erklärt das mit meinem italienisc­hen Vater. Er muss doch sehr temperamen­tvoll gewesen sein! Das war aber nicht so. Er hat nie gesprochen und immer nur gelesen. Meine Mutter war es, die so lebhaft war. Und das habe ich in meinem Blut. Sie war es auch, die wollte, dass ich Schauspiel­er werde. Dafür hat sie alles getan, auch wenn wir kein Geld hatten. Notfalls hat sie sich etwas von einer Freundin geliehen. Mit zwölf Jahren hatte ich dann zum ersten Mal Reitunterr­icht. Vielleicht hat Sie ja schon geahnt, dass ich später mal Cowboyfilm­e mit Bud Spencer machen würde? Ich weiß nicht. Aber alles hat irgendwie geklappt. Der Wunsch meiner Mutter ist in Erfüllung gegangen, auch wenn sie es leider nicht mehr miterlebt hat.

Warum haben Sie Ihren neuen Film „My Name is Somebody“Bud Spencer gewidmet? Hill: Bud hat noch gelebt, als wir in der Gegend von Almería einen geeigneten Drehort für den Film gesucht haben. Mir schwebte ein Platz vor, der so stark im Gedächtnis des Zuschauers haften bleibt wie das Haus auf dem Berg in „Psycho“. Mein Kameramann hat schließlic­h diesen einen Ort vorgeschla­gen. Er gefiel mir, aber ich wollte noch nach Alternativ­en schauen. In diesem Moment klingelte mein Handy. Buds Sohn war dran und sagte: „Mein Vater ist von uns gegangen.“Ich war tieftrauri­g. Und dann plötzlich auch voller Freude. Ich wusste, dass dieser Platz der richtige sein würde. Wir haben in der Wüste zwei verfallene Westernhäu­ser gebaut, mit denen wir drehen konnten. Dann fiel mir ein, dass es dieselbe Wüste war, in der ich zum ersten Mal Bud Spencer getroffen habe. Carlo Pedersoli. Da schloss sich ein Kreis. Da war es das Mindeste, ihm diesen Film zu widmen.

In Almería haben Sie auch Ihre Frau Lori kennengele­rnt?

Hill: Wir haben uns in Rom kennengele­rnt, aber nach einer Woche sind wir nach Almería gegangen. Sie war mein amerikanis­cher Sprachcoac­h. Als wir nach zwei Monaten zurückgeko­mmen sind, haben wir sofort geheiratet. Was man eigentlich nicht tut. Es war ein Experiment, das gut gegangen ist. Wir sind jetzt länger als fünfzig Jahre zusammen.

Gibt es eine Lieblingse­rinnerung an Bud Spencer? Hill: Da gibt es so viele. Wir hatten einmal eine Kostümfrau, die auch sehr gut kochen konnte, Ida. Nach ihr hat er immer schon um 11 Uhr gerufen, weil er Mittagesse­n wollte. Ich habe immer mit ihm in seinem Trailer gegessen. Manchmal hat er mir vorgeworfe­n, dass ich mehr essen würde als er. Aber nur er würde dick werden, während ich immer schlank bleiben würde. Damals war alles noch ganz bescheiden. Manchmal haben wir uns ein Bett geteilt. Das war eine gute Zeit. Sehr einfach.

Wie schwierig ist es, mit 79 noch Prügelszen­en mit deutlich jüngeren Gegnern zu drehen? Hill: Ach, das ist ganz leicht. Sie sehen es ja im Film.

Haben Sie bei Dreharbeit­en auch mal wirklich eingesteck­t?

Hill: Ja. Ich habe manchmal wirklich zugeschlag­en oder wurde tatsächlic­h getroffen. Man kommt sich bei solchen Stunts ja gefährlich nahe. Bei den Dreharbeit­en zu „Zwei wie Pech und Schwefel“sollte jemand mit einer Holzbank auf mich losgehen. Ich würde mich ducken und die Bank an einer Wand zerschelle­n. Normalerwe­ise benutzt man dafür spezielle Möbel aus sehr leichtem Holz, die schnell kaputt gehen. Der Regisseur meinte, wir sollten richtige Bänke verwenden. Keiner von uns hatte etwas dagegen. Ich habe mich also abgeduckt und als ich wieder hochkam, knallte mir die Bank auf den Kopf. Ich bin stark blutend ins Krankenhau­s gekommen und wurde mit fünf Stichen genäht. So etwas passiert. Nur Bud Spencer nicht. Vielleicht hatten die anderen ja Angst. Das war ganz amüsant. Er war sehr kurzsichti­g. Beim Dreh nahm er die Brille ab. Sein Gegner stand ihm gegenüber und er fragte: „Wo bist du?“

Haben Sie schon Pläne für Ihren achtzigste­n Geburtstag? Hill: Ich weiß noch nicht, ob es klappt, aber ich möchte gern nach Island gehen, um dort zu laufen. Ein Freund war dort und hat gesagt, dass es wunderbar war, über das Eis zu laufen. Auch im Winter. Man muss sich immer beeilen, so etwas zu machen, bevor zu viele Leute auf den Geschmack kommen und dorthin gehen. Interview: André Wesche

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Fotos: 2018 PALOMA 4 Srl/dpa, Verleih

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