Teufelskreis durchbrechen
die Offensive abgeblasen oder zumindest abgeschwächt wird. Russland verlangt hingegen, dass die Türkei ihren Einfluss auf die Rebellen in Idlib nutzt, um die Entwaffnung und Auflösung einiger Gruppen zu erreichen. Die Gespräche der Türken mit radikalislamischen Milizen laufen derzeit, doch ist unklar, was mit den vielen Kämpfern – erklärten Todfeinden der syrischen Regierung – geschehen soll, wenn sie ihre Waffen abgeben.
Die Türkei schickte in den vergangenen Tagen ihren Außenminister, den Verteidigungsminister und den Geheimdienstchef zu Gesprächen nach Moskau. Außenamtschef Mevlüt Cavusoglu nannte Russland einen „strategischen Partner“der Türkei. Eine groß angelegte Offensive in Idlib wäre eine Katastrophe, warnte er. Zugleich räumte er aber ein, dass etwas gegen die radikalislamischen Gruppen in der Gegend getan werden müsse. Moskau und Ankara verfolgen gegensätzliche Interessen in Idlib: Russland will die Provinz – die letzte von Rebellen gehaltene Gegend im Westen Syriens – möglichst rasch wieder unter die Kontrolle der syrischen Regie-
Alles läuft auf ein Drama nach bekanntem Muster hinaus. Die Truppen des Assad-Regimes kesseln Rebellen ein, kappen alle Zugänge für Lebensmittel, Medizin und Hilfsgüter und starten ein flächendeckendes Bombardement. Wenn die Rebellengruppen demoralisiert sind und unschuldige Frauen, Männer und Kinder tot in den Trümmern liegen, werden die Überlebenden mit Bussen aus dem Gebiet herausgebracht. Am Ende feiern sich Machthaber Baschar alAssad und sein wichtigster Verbündeter Wladimir Putin als vorbildli- che Humanisten. So geschah es in Aleppo, so lief es in Ost-Ghuta.
So weit aber darf es jetzt in Idlib nicht kommen. Dort steht der Endkampf unmittelbar bevor. Es ist also allerhöchste Zeit, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Moskau muss seine syrischen Verbündeten sofort stoppen. Die Türkei und der Westen müssen versuchen, gemäßigte Rebellen davon zu überzeugen, dass der militärische Widerstand sinnlos ist. Auf diese Weise könnten die Kämpfer des Terrornetzwerks Al-Kaida dort isoliert werden. Vielleicht ist dies die letzte Chance, die weit über zwei Millionen Zivilisten in Idlib vor Tod und Vertreibung zu retten. bietet ein Dreier-Gipfel von Türkei, Russland und Iran im iranischen Tabriz kommende Woche.
Während die türkisch-russische Kooperation enger wird, bemüht sich Moskau nach Kräften, weitere Keile zwischen Ankara und Washington zu treiben. Celalettin Yavuz, Professor an der AyvansarayUni in Istanbul, verwies im Gespräch mit unserer Zeitung auf jüngste russische Vorwürfe an den Westen: Laut Moskau könnten syrische Rebellen in Idlib mit britischer Unterstützung Chemiewaffen einsetzen und die Schuld der Regierung in Damaskus in die Schuhe schieben, um Luftangriffe der USA zu provozieren. Moskau versuche, die türkische Regierung von dieser Version zu überzeugen, sagte Yavuz. Das Vertrauen zwischen Türkei und USA sei so zerrüttet, dass Ankara an eine Provokation der USA glauben werde, wenn es C-Waffeneinsätze in Idlib geben sollte, so Yavuz. Auch neue türkische Truppenverlegungen über die Grenze nach Nord-Syrien hängen mit der türkisch-amerikanischen Krise zusammen, die wegen der Inhaftierung eines US-Pastors in der Türkei eskaliert ist.