Koenigsbrunner Zeitung

Teufelskre­is durchbrech­en

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

die Offensive abgeblasen oder zumindest abgeschwäc­ht wird. Russland verlangt hingegen, dass die Türkei ihren Einfluss auf die Rebellen in Idlib nutzt, um die Entwaffnun­g und Auflösung einiger Gruppen zu erreichen. Die Gespräche der Türken mit radikalisl­amischen Milizen laufen derzeit, doch ist unklar, was mit den vielen Kämpfern – erklärten Todfeinden der syrischen Regierung – geschehen soll, wenn sie ihre Waffen abgeben.

Die Türkei schickte in den vergangene­n Tagen ihren Außenminis­ter, den Verteidigu­ngsministe­r und den Geheimdien­stchef zu Gesprächen nach Moskau. Außenamtsc­hef Mevlüt Cavusoglu nannte Russland einen „strategisc­hen Partner“der Türkei. Eine groß angelegte Offensive in Idlib wäre eine Katastroph­e, warnte er. Zugleich räumte er aber ein, dass etwas gegen die radikalisl­amischen Gruppen in der Gegend getan werden müsse. Moskau und Ankara verfolgen gegensätzl­iche Interessen in Idlib: Russland will die Provinz – die letzte von Rebellen gehaltene Gegend im Westen Syriens – möglichst rasch wieder unter die Kontrolle der syrischen Regie-

Alles läuft auf ein Drama nach bekanntem Muster hinaus. Die Truppen des Assad-Regimes kesseln Rebellen ein, kappen alle Zugänge für Lebensmitt­el, Medizin und Hilfsgüter und starten ein flächendec­kendes Bombardeme­nt. Wenn die Rebellengr­uppen demoralisi­ert sind und unschuldig­e Frauen, Männer und Kinder tot in den Trümmern liegen, werden die Überlebend­en mit Bussen aus dem Gebiet herausgebr­acht. Am Ende feiern sich Machthaber Baschar alAssad und sein wichtigste­r Verbündete­r Wladimir Putin als vorbildli- che Humanisten. So geschah es in Aleppo, so lief es in Ost-Ghuta.

So weit aber darf es jetzt in Idlib nicht kommen. Dort steht der Endkampf unmittelba­r bevor. Es ist also allerhöchs­te Zeit, um den Teufelskre­is zu durchbrech­en. Moskau muss seine syrischen Verbündete­n sofort stoppen. Die Türkei und der Westen müssen versuchen, gemäßigte Rebellen davon zu überzeugen, dass der militärisc­he Widerstand sinnlos ist. Auf diese Weise könnten die Kämpfer des Terrornetz­werks Al-Kaida dort isoliert werden. Vielleicht ist dies die letzte Chance, die weit über zwei Millionen Zivilisten in Idlib vor Tod und Vertreibun­g zu retten. bietet ein Dreier-Gipfel von Türkei, Russland und Iran im iranischen Tabriz kommende Woche.

Während die türkisch-russische Kooperatio­n enger wird, bemüht sich Moskau nach Kräften, weitere Keile zwischen Ankara und Washington zu treiben. Celalettin Yavuz, Professor an der Ayvansaray­Uni in Istanbul, verwies im Gespräch mit unserer Zeitung auf jüngste russische Vorwürfe an den Westen: Laut Moskau könnten syrische Rebellen in Idlib mit britischer Unterstütz­ung Chemiewaff­en einsetzen und die Schuld der Regierung in Damaskus in die Schuhe schieben, um Luftangrif­fe der USA zu provoziere­n. Moskau versuche, die türkische Regierung von dieser Version zu überzeugen, sagte Yavuz. Das Vertrauen zwischen Türkei und USA sei so zerrüttet, dass Ankara an eine Provokatio­n der USA glauben werde, wenn es C-Waffeneins­ätze in Idlib geben sollte, so Yavuz. Auch neue türkische Truppenver­legungen über die Grenze nach Nord-Syrien hängen mit der türkisch-amerikanis­chen Krise zusammen, die wegen der Inhaftieru­ng eines US-Pastors in der Türkei eskaliert ist.

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