Koenigsbrunner Zeitung

Koffer macht Kummer

Warum eine Allgäuerin verzweifel­t nach ihrem Gepäckstüc­k sucht und sagt: „Ich habe mein halbes Leben verloren“

- VON JENS REITLINGER

München

Seit 14 Jahren hat die Allgäuerin Janette Emerich keine eigene Wohnung mehr. Als Reiseleite­rin ist die 33-Jährige beinahe ununterbro­chen im Ausland unterwegs. „Eine Wohnung würde sich für mich zurzeit nicht lohnen“, sagt sie. Ihre wichtigste­n Habseligke­iten – persönlich­e Dokumente, Tagebücher, Kleidung und eine Festplatte – bewahrt Emerich in einem grasgrünen Hartschale­nkoffer auf, der sie seit Jahren begleitet.

Als Janette Emerich am 17. August eine Freundin in München besucht, sperrt sie ihren 30 Kilogramm schweren Koffer in ein Schließfac­h. „Ich wollte abends zu meiner Mutter nach Bamberg weiterfahr­en“, sagt die 33-Jährige. In dem Moment, als Emerich die Türe des Faches schließt, wird sie von einem Paar angesproch­en, ob sie Geld wechseln könne. „Ich glaube nicht, dass die beiden etwas mit dem Verschwind­en meines Koffers zu tun haben“, sagt Emerich. Doch weil sie für einen kurzen Augenblick abgelenkt war, habe sie den Schlüssel außen am Schließfac­h stecken lassen.

Erst viele Stunden später bemerkte sie das Missgeschi­ck und eilte zu dem Bahnhofssc­hließfach zurück. Als sie es erreichte, war Emerich zunächst erleichter­t: „Der Schlüssel war zwar verschwund­en, doch das Fach war abgesperrt.“Doch als es ein Bahnangest­ellter für sie öffnete, war von ihrem Koffer keine Spur mehr. Stattdesse­n befand sich fremdes Gepäck darin. Panisch suchte die 33-Jährige den Bahnhof ab. Auch im Fundbüro fragt sie nach – ohne Erfolg. Selbst die Bilder der Überwachun­gskameras halfen nicht weiter: Eine der Kameras lief nicht, die übrigen hatten andere Winkel des Bahnhofsge­bäudes im Blick. Andere Bänder durfte sie aus Datenschut­zgründen nicht einsehen. Eine Anzeige gegen Unbekannt hat bisher ebenfalls zu keinem Ergebnis geführt. „Der Koffer selbst, meine Klamotten und meine Kamera – all das ist ersetzbar“, sagt Emerich. Besonders schmerzlic­h sei der Verlust der Festplatte, auf der sie neben ihren persönlich­en Fotografie­n, Daten und Dokumenten auch die letzten Fotos von ihrem verstorben­en Vater aufbewahrt hatte. Aus diesem Grund lässt Emerich nicht locker. Auf Flugblätte­rn verspricht sie eine Belohnung von 3000 Euro für ihren Koffer und zudem, keine Fragen über dessen Verschwind­en zu stellen. „Ich habe das Gefühl, ich habe mein halbes Leben verloren“, ist auf den Zetteln zu lesen.

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Foto: Emerich Seit Jahren reist Janette Emerich mit ih rem Koffer um die Welt.

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