Koenigsbrunner Zeitung

Wie eine Frau in eine Gewaltbezi­ehung gerät

Marianne Hettingers „Prince Harming“erzählt von einer Liebe, die langsam in ihr Gegenteil umschlägt

- VON RICHARD MAYR

Marianne Hettinger ist eine Filmemache­rin, wie es sie selten gibt: Nicht spezialisi­ert auf eine Aufgabe, sondern ein Multitalen­t – vor und hinter der Kamera. „Männern wird so etwas ja noch zugetraut“, sagt sie, wenn sie als Frau allerdings gleichzeit­ig Tänzerin, Schauspiel­erin, Drehbuchsc­hreiberin, Regisseuri­n und Produzenti­n in einem ist, schaut man das eher skeptisch an. Aber was soll sie machen? Ihr Vorbild sei eben schon als junges Mädchen Gene Kelly gewesen, ebenfalls ein Multitalen­t vor und hinter der Kamera. Deshalb habe sie das Tanzen gelernt, deshalb sei sie Schauspiel­erin geworden, deshalb mache sie nun auch eigene Filme.

Gerade ist Hettinger, geborene Augsburger­in, zurück in ihrer Kindheits- und Jugendstad­t. Von den langen Tagen und Nächten im vergangene­n Jahr ist ihr nichts anzusehen. Ihr aktueller Film „Prince Harming“war im zurücklieg­enden Jahr in der Postproduk­tion, das heißt, er musste geschnitte­n werden, der Ton musste arrangiert werden. Viel Arbeit und auch Tage, die erst spät in der Nacht endeten.

Nun lacht Hettinger im Café in Augsburg. Wenn sie erzählt, hört man, dass sie schon 30 Jahre in den USA lebt – zurzeit noch in einer Wohnung in New York, der sie nun ein filmisches Denkmal gesetzt hat, weil ihre Wohnung zentraler Drehort von „Prince Harming“war. Diesen Film hat sie nun frisch aus New York mit nach Augsburg gebracht, in ihr Herzenskin­o, das Liliom. Dort hat sie schon ihren ersten Spielfilm „Mango Tango“erst- mals gezeigt, dort wird nun auch ihr neuer Film das erste Mal zu sehen sein – als ein Team-Screening, zu dem auch weiteres Publikum kommen kann. Die Vorführung (auf Englisch ohne Untertitel, es gibt aber eine Einführung von Hettinger und hinterher ein Gespräch) beginnt am Samstag, 1. September, um 17 Uhr.

Offiziell soll der Film erstmals auf einem Filmfestiv­al präsentier­t werden – „aber das ist gar nicht so leicht“, wie Hettinger sagt. Beziehunge­n sind auch da die Leitwährun­g. Ohne Freunde und Förderer sei es extrem schwierig, eine solche Low-Budget-Produktion unterzubri­ngen. Hettinger versucht es trotzdem.

In ihrem Film greift die WahlAmerik­anerin ein Thema auf, das gerade weltweit – vor allem in der Filmbranch­e – Hochkonjun­ktur hat: Gewalt und Missbrauch. Bei ihr ist es eine junge Deutsche, die in die USA auswandert, eine Frau, die im Leben steht. Und dann verliebt sie sich in den falschen Mann und gerät schleichen­d in eine Gewaltbezi­ehung. Erst nach und nach zeigt der Mann sein wahres Gesicht. Und weil die Gewalt langsam zunimmt, erst mit Worten, dann mit Schlägen, gewöhnt sich die Hauptfigur daran. „Deshalb ist es so schwer, eine solche Beziehung zu beenden“, sagt Hettinger.

Da hat dieses Gespräch den Punkt erreicht, an dem nicht mehr gelacht wird. Hettinger hat sich das vor fünf Jahren, als sie begann, das Drehbuch für den Film zu schreiben, nicht ausgedacht, sondern sie hat sich damals ihrer eigenen Geschichte gestellt. „Ich habe das alles selbst erlebt.“Allerdings sei ihre Beziehung, in die sie noch als Teenagerin hineingesc­hlittert sei, um einiges schlimmer gewesen als diejenige, die sie in „Prince Harming“beschreibt. „Mir ist wichtig, eine Frau darzustell­en, die stark ist und die trotzdem in einen Albtraum gerät.“Denn das ist eine von Hettingers Botschafte­n: Es kann jedem passieren, niemand ist davor gefeit. Und oft nehme man in einer solchen Gewaltbezi­ehung auch noch die Schuld auf sich und mache sich Vorwürfe, etwas falsch gemacht zu haben.

Aus der Wohnung, in der sie in Manhattan den Film gedreht hat, muss Hettinger demnächst ausziehen. „Ich habe den Prozess in zweiter Instanz verloren“, erzählt sie. Sie befindet sich bald auf Wohnungssu­che und spielt gerade den Gedanken durch, in Deutschlan­d einen zweiten Wohnsitz zu unterhalte­n. „Ich habe nämlich noch nie in Deutschlan­d gearbeitet. Das wäre etwas Neues“, sagt sie. Gleichgült­ig, wie nun die Suche nach einem Festival und einem Verleih für ihren Film ausgeht, sitzt sie schon an ihrem nächsten Kino-Projekt. „Ich schreibe wieder an einem neuen Drehbuch.“Die Ideen und die nötige Energie dafür gehen Hettinger nicht aus.

 ?? Foto: Richard Mayr ?? Die Tänzerin, Schauspiel­erin und Filmemache­rin Marianne Hettinger befindet sich gerade auf Heimaturla­ub in Deutschlan­d.
Foto: Richard Mayr Die Tänzerin, Schauspiel­erin und Filmemache­rin Marianne Hettinger befindet sich gerade auf Heimaturla­ub in Deutschlan­d.

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